Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren! Bislang war die Bil dungspolitik in Baden-Württemberg eher rau, nun sollte sie schick werden.
(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Albrecht Fischer CDU: Gutes Wortspiel! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Gu tes Späßchen!)
Aber mit der Neubesetzung des Amts der Kultusministerin in Baden-Württemberg durch Frau Professorin Dr. Schick hat die Schulpolitik lediglich ein neues Gesicht bekommen, aber keine neuen bildungspolitischen und zukunftweisenden Im pulse.
Das dreigliedrige Schulsystem soll ebenso wie die unsinnige frühe Selektion in Baden-Württemberg erhalten bleiben, weil unsere Kinder – wie die Ministerin sagte – keine Versuchska ninchen seien. Doch hinter dieser typischen Politikerfloskel, die vordergründig unbestreitbar richtig erscheint, verbirgt sich knallharte Klientelpolitik. Man muss sich doch nur einmal fra gen, wer aus welchen Gründen etwas dagegen haben könnte, dass Kinder unterschiedlicher Milieus und Bildungsstände länger gemeinsam lernen. Die Ministerin tut so, als wäre die se Forderung ein waghalsiges Experiment, und ignoriert die teilweise jahrzehntelangen positiven Erfahrungen anderer Länder mit solchen Konzepten. Wir setzen unsere Kinder kei nen unverantwortbaren Risiken aus, wenn wir Schule so ge stalten, wie sie sich bewährt hat, und zwar für alle.
Hier liegt der entscheidende Knackpunkt auch in dieser Dis kussion: Obwohl wir durch die Studien und die Praxis wis sen,
dass alle Schüler und Schülerinnen von gemeinsamem Ler nen profitieren, wollen bestimmte Gruppen unserer Gesell schaft davon nichts wissen.
Man muss es einmal ganz klar beim Namen nennen: Es geht bei dieser Haltung nicht um das allgemeine Wohl der Kinder, sondern um die soziale Abschottung einiger selbst ernannter Eliten
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist ja eine üble Unterstellung! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Jetzt reicht’s aber!)
Nein, unsere Kinder sind keine Versuchskaninchen. Aber da sie das Wertvollste sind, was wir haben, sind wir es ihnen auch schuldig, ihre Erziehung und Bildung kontinuierlich zu ver bessern
Bewährt hat sich jedoch eindeutig nicht unser Schulsystem, dem immer wieder bescheinigt werden muss, dass Kinder aus unterprivilegierten Milieus bei uns kaum Aufstiegschancen haben.
(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das stimmt doch ein fach nicht! Es stimmt einfach gar nichts von dem, was Sie da sagen! – Abg. Winfried Mack CDU: Das stimmt überhaupt nicht! Frei erfunden! Aber das ist die letzte Rede von ihr!)
Bei dieser hartnäckigen Ignoranz gegenüber den entsprechen den Studien würde man gern einmal klipp und klar erfahren: Ist das vielleicht einfach so gewollt?
Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat das Ministerium auch den Antrag der Französischen Schule einfach abgelehnt.
Wir Grünen fordern einen Diskurs anstatt eines Kuhhandels. Wir sind nämlich in eine ganz konkrete Schulentwicklungs planung eingetreten. Tübingen hat den Prozess und die Fra ge, was mit den Schulen in Tübingen geschehen soll, eben nicht dem Zufall überlassen, sondern ganz konkret darauf re agiert, dass eine Hauptschule schließen musste. Wir haben ge sagt: Wir warten nicht darauf, was mit den anderen Schulen passiert. Wir haben vielmehr alle an einen Tisch geholt und sind in eine ganz konstruktive Schulentwicklungsplanung mit
Das Ergebnis vor Ort war, dass für den Schulstandort Tübin gen ein zusätzliches Schulangebot mit längerem gemeinsa mem Lernen das Optimale gewesen wäre.
Damals haben wir diesen Antrag eingereicht. Noch bevor das im Gemeinderat zur Entscheidung auf den Tisch gekommen ist, wurde vom Ministerium mitgeteilt, man solle sich doch bitte überlegen, diesen Antrag einzureichen; der Minister – der damalige Minister Rau – wünsche nicht, einen weiteren Antrag auf den Tisch zu bekommen; denn wir hätten ja die Geschwister-Scholl-Schule, an der im Moment ein Schulver such stattfinden könnte.
Bildungspolitik eignet sich sicherlich nicht dazu, hier irgend welche Deals abzuschließen. Vielmehr sollte hier dem Bedarf entsprechend gehandelt und geschaut werden, welche Schul angebote vor Ort gefordert werden.
Das haben Sie nicht gemacht. Was Sie gemacht haben, ist, ge nau das zu konterkarieren, was wir auf kommunaler Ebene hinzubekommen versucht haben. Wir wollten im Dialog mit allen Beteiligten eine konstruktive Schulentwicklung für die Stadt Tübingen aufstellen. Wir wollten etwas, was über die Floskeln im Zusammenhang mit dem demografischen Wan del hinausgeht, um ganz konkret Alternativen anbieten zu kön nen und das Wahlrecht der Eltern zu berücksichtigen.
Da kommen Sie hinterher und machen einen solchen Kuhhan del und spalten damit wieder die Elternschaft vor Ort, indem Sie sagen: Wenn Sie das eine Modell bekommen, dann be kommen Sie das andere nicht. Das geschah auf Kosten einer guten Schulstruktur.
Es sind keine pädagogischen Gründe gewesen. Dieses Kon zept ist von allen mit vollster Zustimmung angenommen wor den.
Von allen. – Der einzige Grund, warum einige nicht zuge stimmt haben – von der CDU gab es drei Enthaltungen,
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Die Tübinger CDU kann man vergessen! – Heiterkeit und Beifall bei Ab geordneten der SPD – Gegenruf des Abg. Stephan Braun SPD: Das steht im Protokoll!)
(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Unsere Bildungspoli tik ist nicht nur schick, sondern auch wacker! – Hei terkeit)
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich ganz konkret zu diesen beiden Antragstellungen komme, sowohl zu Karls ruhe als auch zu Tübingen, möchte ich zunächst einmal Ih nen, Frau Kollegin Rastätter, zum Abschluss noch meinen Dank aussprechen. Wenn ich es richtig wahrgenommen habe, ist dies Ihre letzte Rede im Landtag gewesen.