Protocol of the Session on November 8, 2006

Ich bin in der Tat der Meinung, dass es von Verantwortungsbewusstsein und verantwortungsbewusster Finanzpolitik zeugt, uns in Bezug auf Risiken, die nicht neu aufge

kommen sind, sondern die wir erkennbar im Interesse der Stärkung des Standorts von ganz Baden-Württemberg – das ist nämlich ein Projekt Baden-Württemberg 21 – auch auf uns nehmen wollen, zu überlegen: Diese Summen werden wir nicht auf einen Schlag, mit einem Batzen – wie Sie immer zu vermitteln versuchen –, sondern über Jahre gestreckt finanzieren müssen.

Dann ist es doch sinnvoll, parallel dazu – völlig unabhängig davon – Überlegungen anzustellen, wo wir möglicherweise das, was wir ordnungspolitisch immer für sinnvoll halten, wenn wir an einer Stelle neue Infrastrukturen finanzieren müssen, hinterfragen: Sind Strukturen, die wir bislang im Wesentlichen als Staat finanziert haben, nun möglicherweise so weit, dass man sie zumindest in Teilen in private Hände geben kann?

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Das ist doch völlig legitim und schwächt keine Position, sondern stärkt unsere Position,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Glocke des Präsidenten)

weil wir den Bürgerinnen und Bürgern wirklich sagen können, dass wir eine seriöse Finanzierung auf Dauer, auf einen Zeitraum gestreckt anbieten können.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter – –

Nein, ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu.

(Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Letzte Bemerkung zu diesen populistischen Ausspielereien z. B. gegen Sozialprojekte. Zunächst einmal liegen Sie damit völlig falsch. Genau das werden wir dieses Mal nicht machen, dass wir wieder bei den Aidshilfen und bei allen möglichen Kleingruppen Gelder einsammeln, sondern wir haben uns getraut, wirklich an die großen Brocken heranzugehen, die nachhaltig zur Sanierung des Haushalts beitragen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: An die Volkshochschulen!)

Es wird keine soziale Einrichtung darunter leiden.

Im Übrigen gilt das, was Frau Krueger gesagt hat: Man kann nur das verteilen, was zunächst einmal erwirtschaftet worden ist. Das Projekt Stuttgart 21 bzw. Baden-Württemberg 21 kann ein zentrales Projekt im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sein, damit wir die wirtschaftliche Basis, die uns zum Beispiel in der Forschungspolitik und bei den Universitäten, wo wir erfolgreich sind, so stark macht, weiterführen können.

Dieses Thema ist viel zu schade dafür, als dass Sie es an den Punkten, die ich genannt habe – Profilierung; Sie haben das ja selbst gesagt: sich Gehör verschaffen –, am Kochen halten, damit Sie in den Schlagzeilen sind. Dafür ist das wahrhaftig zu schade. Deswegen halte ich diese Debatte im Grunde genommen für überflüssig.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Soll er in den Keller gehen und dort seine Weisheiten verkünden?)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Debatte unter Punkt 1 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung – Umsetzung der LissabonStrategie durch das Land – Drucksache 14/212

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten, und für das Schlusswort fünf Minuten.

In der Aussprache erteile ich Herrn Abg. Theurer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst an dieser Stelle, sicherlich in Ihrer aller Namen, unserem Parlamentspräsidenten zu seiner Wahl zum Vorsitzenden der Konferenz der Präsidenten der regionalen gesetzgebenden Versammlungen in der Europäischen Union recht herzlich gratulieren. Das zeigt, Sie sind ein ausgewiesener Europäer. Herr Präsident Straub, herzlichen Glückwunsch und alles Gute für dieses Amt!

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU sowie Ab- geordneten der SPD)

Ich bedanke mich bei der Landesregierung von Baden-Württemberg für die hervorragende Beantwortung der Großen Anfrage der FDP/DVP-Landtagsfraktion zur Lissabon-Strategie. Wir haben diese Anfrage gestellt, weil wir die Lissabon-Strategie für die zentral wichtige Strategie zur Entwicklung Europas halten.

Vor sechs Jahren haben die Staats- und Regierungschefs in Lissabon das Ziel ausgerufen, dass Europa bis zum Jahr 2010 der wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt werden soll. Dieses Ziel ist richtig. Denn wir spüren auch in Deutschland, dass wir nicht auf den Wohlstand abonniert sind. Wir merken es an den Zahlen, dass sich andere Wirtschaftsräume der Welt dynamischer entwickeln. Leider mussten auch die Staatsund Regierungschefs in Europa im Jahr 2005, als die Lissabon-Strategie erneuert wurde, feststellen, dass wir das Ziel nicht erreicht haben, dass die USA und die dynamischen Wirtschaftsnationen in Asien sich schneller, wachstumsstärker entwickeln als Europa. Das liegt vor allem auch daran, dass die stärkste, die größte Volkswirtschaft in Europa, nämlich die deutsche Volkswirtschaft, nicht mehr die Lokomotive in Europa ist, sondern leider Schlusslicht und im Bremserhäuschen ist.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Miesepeter!)

Dass es bei uns nicht ganz so gut läuft, dass wir in Deutschland nicht vorne dran sind mit den Wachstumszahlen, das ist das Problem. Wenn man die Lissabon-Strategie ernst nimmt, dann muss man sich auch in diesem Landesparlament den Tatsachen stellen, dass sich diejenigen Län

der auf der Welt besser entwickeln, die eine liberalere Wirtschaftspolitik betreiben als die Bundesrepublik Deutschland, als das Parlament in Berlin, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Niedrige Steuersätze, Bürokratieabbau, ein liberales Gesundheits- und Sozialsystem, das die Wirtschaft und die Bürger nicht so stark belastet, sind die Grundvoraussetzung dafür, dass sich Volkswirtschaften dynamisch entwickeln können.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Was soll die Debat- te, wenn man sie so führt?)

In Europa hat es z. B. ein Land wie Irland geschafft – das muss man sich vor Augen halten; das war vor 25 Jahren ein armes Land; ich habe es besichtigt –, höhere Pro-Kopf-Einkommen zu erzielen als wir im Durchschnitt in der Bundesrepublik Deutschland. Man sieht, man kann es schaffen in Europa.

(Zuruf von der SPD)

Aber man sieht auch: Wir dürfen uns nicht auf der Vergangenheit ausruhen, sondern wir müssen alles tun, um nach vorne zu kommen. Deshalb ist die Lissabon-Strategie als leitender Gedanke auch für die Landespolitik so wichtig.

Man braucht nur die fünf Wirtschaftsweisen zu hören, die der Bundesregierung kein gutes Zeugnis ausstellen. Sie sagen, die Gesundheitsreform sei unzulänglich und der Gesundheitsfonds eine „Missgeburt“. Sie sagen, die Finanzpolitik des Bundes habe eine durchwachsene Bilanz.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Die meisten Länder sind auch nicht besser. Deshalb ist es wichtig, dass wir jedenfalls das Ziel der Nettonullverschuldung anstreben und auch erreichen.

Schließlich zur Steuerpolitik: Der Rat der Wirtschaftsweisen spricht von einem bemerkenswerten Maß an steuersystematischer Orientierungslosigkeit der Bundesregierung. Besser kann man es nicht ausdrücken, meine Damen und Herren. Deshalb ist es ganz klar: Wir brauchen auf Bundesebene eine andere Wirtschaftspolitik, eine andere Steuerund Finanzpolitik, weil sich sonst auch die Wirtschaft in Baden-Württemberg nicht dynamischer entwickeln kann.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Die Wirtschaft brummt! Was redet der für ei- nen Käse!)

Sie dürfen sich auf dem Wirtschaftswachstum, das wir in diesem Jahr glücklicherweise wieder haben, das sich aber dem heute veröffentlichten Konjunkturindikator der FAZ zufolge schon wieder abschwächt –

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

und wer weiß, was die Steuererhöhungen zum 1. Januar 2007 bringen werden –, nicht ausruhen. Denn dieses Wirtschaftswachstum wird getragen durch Konjunkturimpulse der Weltwirtschaft, meine Damen und Herren. Deshalb plädieren wir dafür, im Land Baden-Württemberg die erfolg

reiche Wirtschafts- und Forschungspolitik fortzusetzen, die im Sinne und im Geiste der Lissabon-Strategie gefahren wird.

Wir müssen alles dafür tun, die Unternehmensnachfolge zu erleichtern. Wenn es so wäre, dass ein Jungunternehmer mehr verdiente, geringere Risiken hätte und weniger arbeiten müsste als jemand im öffentlichen Dienst oder als ein Angestellter, dann würden doch Leute Schlange stehen, um Handwerksbetriebe und Wirtschaftsbetriebe zu übernehmen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. 40 000 Betriebe in Baden-Württemberg suchen eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Wenn eine Übernahme so attraktiv wäre, dann würden die jungen Leute doch Schlange stehen. Das tun sie aber nicht.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Deshalb ist es gut und richtig, dass unser Wirtschaftsminister Ernst Pfister ein besonderes Programm aufgelegt hat, um die Unternehmensnachfolge zu fördern.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das ist ganz im Sinne der Lissabon-Strategie, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Unsere Betriebe müssen internationaler und auch europabewusster werden. Wir müssen diesen Binnenmarkt als Inland begreifen und uns besser aufstellen.