Protocol of the Session on February 3, 2011

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Sie treiben die Leute im Wahlkampf mit Falschinformationen auf die Bäume. Es fällt Ihnen nichts anderes ein, als vor Ge richt zu gehen.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Das ist für ein solches Bundesland kläglich.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Die FDP/DVP-Fraktion be kennt sich ohne Wenn und Aber zum Anspruch des Grundge setzes auf vergleichbare Lebensverhältnisse. Wir bekennen uns auch dazu, dass Baden-Württemberg als starkes Land, als Land, das wirtschaftlich erfolgreich ist, eine gewisse solida rische Verantwortung für Länder hat, die vielleicht nicht ganz so erfolgreich sind, u. a. auch deshalb, weil es dort andere Re gierungskonstellationen gibt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zurufe von der CDU: Rot-Grün vor allem! – Wir helfen gern!)

Wir lassen uns aber nicht ausplündern. Wenn Sie, Herr Kol lege Drexler, sich darüber aufregen, wenn man Stehlampen und dergleichen erwähnt – –

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das hat damit nichts zu tun!)

Das hat damit sehr wohl etwas zu tun.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein! Er hat es noch immer nicht begriffen!)

Denn dort gibt es die Mentalität: „Wir können das Geld ver prassen, weil es Länder gibt, die uns das Geld überweisen.“ Genau das ist die Haushaltspolitik von Rot-Grün in Nord rhein-Westfalen. Wenn Sie es nicht glauben, dann schauen Sie sich einmal die Haushaltsentwicklung dort an. Wenn Sie es dann noch immer nicht glauben, fragen Sie beim Verfassungs gerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen an.

Wenn die grüne Vizeministerpräsidentin dort einen Bürostuhl braucht, der teurer als 1 500 € ist, dann regt sich der Steuer zahlerbund zu Recht auf, weil die Mentalität dort entspre chend ist. Ich empfehle Ihnen: Gehen Sie in Ihren Wahlkreis und erklären Sie den Leuten einmal: „Das alles spielt eigent lich gar keine Rolle. Es ist kleinkariert, sich darüber aufzure gen, wenn man das Geld verprasst.“

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Mittlerweile sehen das auch einige in den Nehmerländern ein, z. B. die FDP in Sachsen oder jüngst bei einem Parteitag der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Das sind Politiker aus Nehmerländern, aber sie se hen ein, dass es so mittlerweile nicht mehr funktioniert. Es gibt sogar grüne Fraktionsvorsitzende – natürlich nicht in Ba den-Württemberg, aber in anderen Bundesländern –, die deut lich gemacht haben, dass es so nicht bleiben könne. Deshalb müssen wir darüber nachdenken, wie wir die Angelegenheit verändern können.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Die Grünen haben dazu einen Vorschlag gemacht! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Der Vor schlag ist Quatsch!)

Kollege Groh hat es deutlich gemacht: Das Land Baden-Würt temberg hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich mehr in den Länderfinanzausgleich einbezahlt, als es an Schulden auf genommen hat. Das müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern im Land erklären. Wie kann es sein, dass das Land in den Län derfinanzausgleich Beträge einbezahlt hat, die in der Summe höher sind als seine Verschuldung? Diese Mentalität ist vor handen. Deshalb erklärt Herr Wowereit, er verlange keine Ge bühren für die Kindergärten, und Herr Beck schafft die Stu diengebühren ab. Grund dafür ist, dass es keine Anreize gibt, besser zu werden. Das ist der Punkt. Das ist der Angriffspunkt, den wir sehen. Deshalb wollen wir vor dem Bundesverfas sungsgericht klagen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Die Schul denbremse, Herr Kollege!)

Ich bin dankbar dafür, Herr Kollege Schmid, dass auch Sie die „Einwohnerveredelung“ genannt haben. Denn erklären Sie einmal jemandem in Baden-Württemberg, warum ein Bürger hier auf dem flachen Land nur einen Faktor 1,0, jemand in Bremen aber den Faktor 1,35 wert ist. Das kann so nicht blei ben, meine Damen und Herren. Auch das ist mit dem Gleich heitsgebot des Grundgesetzes nicht vereinbar.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Deshalb haben die drei FDP-Fraktionen der Landtage von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen ein Gutachten in Auftrag gegeben. Ich bin der Landesregierung dankbar, dass sie ein weiteres Gutachten bei einem anderen renommierten Verfassungsrechtler in Auftrag gegeben hat. Beide Gutachten kommen zu einem vergleichbaren Ergebnis, nämlich dass es im Länderfinanzausgleich wesentliche Ansatzpunkte gibt, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind. Das ist auf der ei nen Seite die „Einwohnerveredelung“ und auf der anderen Seite die Tatsache, dass keine Anreize vorhanden sind.

Wenn Sie, Herr Kollege Kretschmann, erklären, beim Länder finanzausgleich gehe es gar nicht um Ausgaben, sondern nur um Einnahmen, dann erklären Sie das einmal den Bürgern in Baden-Württemberg. Für sie geht es sehr wohl um Ausgaben, nämlich um das, was wir zu überweisen haben. Das sind Aus gaben, meine Damen und Herren, und die sind zu hoch.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Wenn Sie als Lehrer so aufgetreten wären, dann wäre das fatal gewesen!)

Wenn Sie schließlich erklären, wir würden das Ganze nur ma chen, um die Menschen in den Festzelten auf die Bäume zu jagen, dann stellt sich zunächst einmal die Frage, wie viele Bäume Sie in baden-württembergischen Festzelten sehen.

Herr Kollege Kretschmann, wenn ich durch Stuttgart gehe, stelle ich mir wirklich die Frage, wer in diesem Land die Leu te auf die Bäume treibt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir sind für Ihr Konzept offen. Das sage ich ganz deutlich. Wir sind offen, darüber zu diskutieren, wie man den Länder finanzausgleich so reformieren kann, dass das Ganze für die Einzelnen gerechter wird, dass es Anreize gibt und dass es letztlich dazu führt, dass wir in Baden-Württemberg nicht – da haben Sie recht, was die Einnahmen betrifft – für unsere Steuerkraft bestraft werden. Denn darum geht es.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Aber dazu muss man zunächst einmal das bestehende System angreifen. Wir sind bereit, zu verhandeln. Aber die Reaktio nen, die wir erfahren, sind relativ eindeutig. Das grenzt ja für jemanden wie Herrn Wowereit – arm, aber sexy; das Erste kann jeder bestätigen, über das Zweite kann man streiten –

(Abg. Reinhold Gall SPD: Darüber braucht man nicht zu streiten!)

an Majestätsbeleidigung. Er erklärte, er sei empört, dass in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen überhaupt darüber geredet wird. Wir müssen aber darüber reden, denn wir müs sen Veränderungen herbeiführen.

Wenn Sie, Herr Kollege Schmid, in Ihrer Argumentation nun dem Ministerpräsidenten vorwerfen, er sei ein „Maulheld“, es gehe um Vertagung, dann finde ich das schon sehr bemerkens wert. Als wir im Landtag von Baden-Württemberg zum ers ten Mal darüber diskutiert haben, haben Sie die Vermutung geäußert, es gehe nur darum, vor der Landtagswahl zu klagen,

um den Effekt im Wahlkampf zu haben. Wenn man nun sagt: „Wir geben noch einmal die Möglichkeit, zu verhandeln, und klagen dann später“, ist das auch wieder nicht recht.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das habe ich nicht ge sagt! Ich habe gesagt: sofort klagen! Unser Antrag lautet, die Klage einzureichen!)

Das ist die Logik Ihrer Argumentation.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Sie verdrehen! – Abg. Reinhold Gall SPD: Verdrehen und schwadronieren!)

Ich verdrehe überhaupt nichts. Sie haben damals den Vor wurf gemacht, dieses Thema käme jetzt aufgrund der Land tagswahl. Das war Ihr Vorwurf in diesem Haus.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das ist ja eine Bestäti gung! Eine Verschiebung der Klage!)

Jetzt plötzlich passt Ihnen die Verschiebung nicht mehr. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Wenn Sie klagen wollen, brauchen Sie natürlich auch eine Klageschrift; denn Sie müs sen das begründen. Sie können nicht einfach nur sagen: „Wir gehen vor das Verfassungsgericht.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt macht ihr ein Jahr lang daran herum!)

Jetzt stehen wir hier. Wir klagen.“

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Gutachten sind münd lich, sagen Sie ja!)

Nein, das muss ordentlich begründet werden. Deshalb be grüßen wir die Entscheidung der drei Landesregierungen, die beiden renommierten Verfassungsrechtler damit zu beauftra gen, diese Klageschrift einzureichen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ein Gutachten macht man nicht über Nacht!)

Wir können die Zeit parallel dazu nutzen, einen Verhandlungs versuch zu machen. Wenn wir aber die Reaktionen beispiels weise aus Berlin und Rheinland-Pfalz hören, dann müssen wir feststellen: Die Hoffnung ist gering, im Guten, auf dem Ver handlungsweg, etwas zu erreichen. Aber wenn deutlich wird, dass wir nichts erreichen, dann muss geklagt werden, wenn diese Klageschrift vorliegt, und zwar sofort.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Lachen des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Finanz minister Stächele.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Jetzt kommt der Mann, der strukturiert denkt!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Baden-Württemberg steht un eingeschränkt zu einem solidarischen Föderalismus. Wir wis sen genau, was in Artikel 107 des Grundgesetzes steht, näm lich dass die unterschiedliche Finanzkraft angemessen ausge glichen werden muss. Aber das kann ja wohl nicht heißen, dass manche rot-grünen Länder ihre Finanzkraft nach erfolg

tem Ausgleich durch uns dazu nutzen, „Freibier für alle“ zu bestellen.