Protocol of the Session on December 15, 2010

Der Nutzen des Sports als Wirtschaftsfaktor ist also unum stritten. Das breite Interesse am Sport macht diesen Aspekt umso attraktiver. Mehr als die Hälfte der 100 umsatzstärksten Firmen in Deutschland nutzen ihn als Marketingplattform.

(Zuruf: Richtig!)

Millionen von Menschen nehmen an den großen Ereignissen des Spitzensports teil, und Millionen von Menschen betreiben aus den unterschiedlichsten Motiven heraus Leistungs- und Freizeitsport.

In der vorliegenden Großen Anfrage verdient meines Erach tens ein Themenbereich besonders hohe Aufmerksamkeit: Das ist der gesundheitspolitische Faktor der Sportwirtschaft und die Frage, wie dessen Perspektiven und Chancen bei künfti gen Entwicklungen am besten zu berücksichtigen sind. Mei ne Damen und Herren, hier sehe ich sehr großes gesellschaft liches, aber auch wirtschaftliches Entwicklungspotenzial. Sport besitzt hierzulande große Popularität, und in diesem Be reich existieren zahlreiche öffentliche und privatwirtschaftli che Einrichtungen.

Dennoch ist ausgerechnet der Bewegungsmangel neben dem Rauchen und Übergewicht mithin das größte Gesundheitsri siko in unserer Gesellschaft. Immer deutlicher werden gegen wärtig präventive Effekte von körperlicher Bewegung und auch Sport wissenschaftlich belegt. Alltägliche Stressfakto ren, die Einfluss auf Körper und Seele nehmen, können durch Sport gemindert werden.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Sport wird immer mehr auch bei massiven Krankheitsbildern wie Demenz, Krebs und Kreislauferkrankungen als erfolgver sprechende Prävention angesehen. Dies ist meines Erachtens ein sehr guter Grund, die Sportwirtschaft und insbesondere den Breitensport als Schlüsselthema zu betrachten und ent sprechend zu würdigen.

Jeder fünfte Steuerpflichtige, der im Bereich der Sportwirt schaft tätig war, war im Verein tätig. Erfahrungsgemäß ist der gesundheitliche Nutzen durch Sport am ehesten bei einer re gelmäßigen und konsequenten Ausübung zu verzeichnen.

Den größten Zuwachs innerhalb der Branche verzeichnen ge genwärtig die Fitnessbetriebe und Anbieter von Fitness- und Gesundheitskursen. Dies entspricht einerseits einem Trend, der auch in anderen europäischen Ländern nachzuvollziehen ist. Andererseits scheinen sich diese Sportangebote auch sehr gut an die allgemeinen Alltagsanforderungen anzupassen und werden sehr konsequent angenommen.

Neben den sportlichen Beweggründen spielen aber auch hier Rehabilitation und Prävention sowie ein engagiertes privates Gesundheitsmanagement eine große Rolle. Es ist nur von Vor teil, wenn Sport und Sportlichkeit verbunden mit Fitness und Gesundheit wahrgenommen werden. Neben den sportlichen Aspekten ergeben sich sehr konkrete Möglichkeiten, anste henden Engpässen im Gesundheitswesen dynamisch entge genzuwirken. Motivation und barrierefreier Zugang sind da her im Interesse der gesamten Gesellschaft wichtige Aufga benstellungen. Unser Anliegen ist es deshalb, nicht nur in den Ballungsräumen attraktive Angebote zu schaffen.

Insbesondere für die gesunde Entwicklung von Jugendlichen und Kindern ist Sport von großer Bedeutung. Es ist eine sehr konkrete und direkte Herausforderung, sie vor Bewegungs mangel zu schützen. Sport ist hierfür ein geeignetes Mittel. Wir sollten also dafür sorgen, dass Bewegung und Sport zum selbstverständlichen Bestandteil des Tagesablaufs werden. Mit derselben Selbstverständlichkeit kann sich die Sportwirtschaft dann auch zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren ent wickeln.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Queitsch das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zur Sportwirtschaft in Baden-Württemberg ge hört eine Vielzahl von Branchen – sowohl im Produktions- als auch im Dienstleistungsgewerbe. Die Antwort auf die Große Anfrage belegt, dass wir in diesem Bereich sehr viele Stärken haben, aber dass die Bündelung dieser Stärken zu einem un verwechselbaren Sportland noch nicht ganz gelungen ist.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Nicht immer alles schlechtreden!)

Ich möchte das an zwei Beispielen deutlich machen: Zum ei nen geht es um die Förderung unserer Spitzensportler. Wir hö ren von den Sportverbänden seit Jahren immer wieder die Kla ge, dass sehr gute Spitzensportler aufgrund mangelnder be ruflicher Möglichkeiten in andere Bundesländer wechseln. Daher begrüße ich es, dass 22 Unternehmen und Einrichtun gen im Jahr 2010 zum ersten Mal als „Partnerbetrieb des Spit zensports“ ausgezeichnet worden sind. Denn dadurch wird auch die Möglichkeit geschaffen, dass die Sportlerinnen und Sportler, die wir ausbilden und an ihre Spitzenposition heran geführt haben, in Baden-Württemberg bleiben. Ich denke, das ist der richtige Weg. Es ist schade, dass es so lange gedauert hat und uns andere Bundesländer um einiges voraus sind.

Das Gleiche betrifft die Hochschulen und die Universitäten. Auch da stellen wir fest, dass die Angebote in anderen Bun desländern sehr viel verlockender sind. Ich denke, da muss vonseiten der Landesregierung noch das eine oder andere fol gen.

Insgesamt könnte man zu der Antwort auf die Große Anfrage der FDP/DVP schon sagen, dass das Wirtschaftsministerium vielleicht ein „Fleißbildle“ verdient hätte, weil es sich um ei ne sehr ausführliche Vorlage handelt, aus der man hunderttau

send Zahlen zitieren kann. Das möchte ich aber gar nicht ma chen.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Das wäre aber ein mal interessant!)

Ich will noch auf einen anderen Punkt eingehen: Vor allem der Gesundheits- und der Wellnessbereich sind wirtschaftli che Wachstumsfelder. In diesen Bereichen gibt es in BadenWürttemberg einiges. Aber wir stellen auch fest, dass das Gan ze sehr stark von regionalen Initiativen abhängig ist. Das kann es eigentlich nicht sein. Um die Potenziale auszuschöpfen, muss man insbesondere im Hinblick auf den Tourismus ver stärkt zusammenführen und stärker aktiv werden. Ich denke, auch das ist ein weiteres Feld, auf dem sich das Wirtschafts ministerium betätigen sollte.

Die Antwort auf die Große Anfrage belegt auch, dass immer mehr Menschen kommerzielle Angebote annehmen. Das ist richtig, und das ist gut. Aber auf der anderen Seite muss man auch sagen: Ein kommerzielles Sportangebot kann kein Er satz sein. Es ersetzt insbesondere nicht Sportangebote für Kin der und Jugendliche an den Schulen.

Ich darf aus der Antwort auf die Große Anfrage zitieren. Da rin heißt es:

Die Gesundheitsstrategie Baden-Württemberg setzt da her verstärkt auf Prävention und Gesundheitsförderung in allen Lebensphasen und Lebenswelten der Menschen.

Angesichts dessen, dass es an den Schulen wenig Sportunter richt gibt und dort viele Sportstunden ausfallen, ist diese Aus sage eigentlich kaum ernsthaft hinzunehmen. Weiter heißt es in der Antwort auf die Große Anfrage:

Kommerzielle Sportangebote sind daher ein wesentlicher Baustein zu mehr Bewegung und weniger Übergewicht und damit zu höherer Fitness und besserem Wohlbefinden neben den Angeboten der Sportvereine, Volkshochschu len und Krankenkassen.

Schulen kommen in dieser Aufzählung gar nicht vor. Habe ich das dahin gehend richtig verstanden, dass Kinder und Jugend liche in Fitnessstudios an den Sport herangeführt werden sol len? Das kann doch wohl nicht wahr sein. Denn es heißt in der Antwort weiter:

Eine erfolgreiche und nachhaltige Adipositasprävention für Kinder und Jugendliche sollte möglichst frühzeitig und ganzheitlich beginnen.

Das heißt, Sport beginnt bereits im Kindergarten, in den Kin dertageseinrichtungen und in den Schulen, und zwar durch ausgebildetes Personal, das den Kindern den Spaß am Sport in einer Weise vermittelt, dass die Kinder später als Jugendli che und Erwachsene am Sport dranbleiben und sagen: „Ich führe das weiter.“ Das fängt, wie es in dieser Drucksache selbst heißt, im Kindesalter an. Da müssen von der Landesre gierung verstärkt Angebote unterbreitet werden. Das bezieht sich auch auf ausgebildete Erzieherinnen und Lehrer.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Reinhold Pix GRÜNE – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die SPD ist mit drei Frauen komplett da!)

Das macht nichts. Es kommt auf die Qualität an. Ich denke, da sind wir ganz gut vertreten, meine Damen und Herren. Da brauchen Sie sich um uns keine Sorgen zu machen.

Weiter muss man bedenken, dass die kommerziellen Sportan gebote für viele Kinder und Jugendliche, die aus finanziell schwachen Familien kommen, überhaupt kein Angebot und keine Alternative darstellen. Da muss die Landesregierung mehr in den Sportunterricht an den Schulen investieren und die Vereine stärker unterstützen. Deren Angebote und der Sportunterricht an Schulen lassen sich nämlich durch kom merzielle Angebote nicht ersetzen.

Man hat gesehen, wie mit den Vereinen umgegangen wird. Es wird immer das Hohelied der Vereine gesungen. Wenn ich an dererseits daran denke, wie lange es mit der Fortschreibung des Solidarpakts gedauert hat, muss ich sagen: Ich habe manchmal Zweifel, ob die Sonntagsworte an die Vereine wirk lich ernst gemeint sind. Wir brauchen eben auch eine stärke re Unterstützung der Vereine.

Das gilt insbesondere, meine Damen und Herren, wenn ich daran denke, wie wichtig Sportangebote auch für ältere Men schen sind. Für ältere Menschen ist es oft nicht ganz einfach, die kommerziellen Angebote in Fitnessstudios anzunehmen. Vielmehr kommt es auch darauf an, dass wir die Vereine mit Angeboten sowie mit Fort- und Weiterbildung unterstützen, wie Sport mit älteren Menschen gestaltet werden kann, damit dabei auch der Gesundheitsaspekt nicht zu kurz kommt.

Insgesamt liegt uns eine Anfrage vor, auf die sehr viele Ant worten gegeben werden. Sie zeigt aber auch auf, wo noch vie les nachzuholen ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Ich erteile Frau Abg. Neuenhaus für die Fraktion GRÜNE das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP/DVP hat eine Große Anfrage zum Thema „Sportwirtschaft in Baden-Würt temberg“ eingebracht. Die Antwort der Landesregierung da rauf zeigt, dass wir uns zunächst einmal über den Begriff „Sportwirtschaft“ verständigen sollten. Der Begriff ist näm lich in dieser Form überhaupt noch nicht geklärt. Betrachtet man die Sportwirtschaft in Europa, so ist doch unumstritten, dass von dieser ein beträchtlicher Beitrag zur Wirtschaftsleis tung ausgeht.

Der Sport an sich ist keine Branche. Es geht hier um einen Querschnittssektor, unter dessen Dach eine Vielzahl von Wirt schaftszweigen angesiedelt sind, z. B. die Sportartikelproduk tion, der Sportartikelhandel, der Tourismus, das Gesundheits wesen und die Mobilitätswirtschaft, aber auch kommerzielle Bildung und Kulturangebote. Dagegen umfasst der bislang bei uns statistisch erfasste Sport nur den Betrieb von Sportan lagen und die Erbringung von sonstigen Dienstleistungen im Bereich des Sports. Ebenfalls fehlt noch eine europaweit ein heitlichen Definition dessen, was Sport eigentlich ist.

Wir müssen uns also die einzelnen Sektoren im Detail an schauen, um zu verstehen, an welchen Stellen wir durch po litische Förderung Weiterentwicklung sinnvollerweise über haupt anstoßen können.

Klar ist, dass Sportwirtschaft, in diesem weiten Sinn verstan den, ein Wachstumsfeld ist. Klar ist auch, dass wir in BadenWürttemberg landschaftliche, topografische Gegebenheiten vorfinden, die besonders günstig sind. Es genügt aber nicht, auf den Wachstumsmarkt zu verweisen und, wie Sie von der FDP/DVP es in der Begründung Ihrer Anfrage auch getan ha ben, die Bedeutung der Sportwirtschaft anzuerkennen und dann einfach nach staatlicher Förderung zu rufen.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Hört, hört! – Zu ruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Lesen Sie die Begründung Ihrer Anfrage. Dort ist es er wähnt. – Das sollte, wenn überhaupt, nur gezielt gemacht wer den unter der Voraussetzung, dass die Rahmenbedingungen staatlicher Lenkung und Förderung bedürfen.

Da eine Datengrundlage weitgehend fehlt, begrüßen wir den Hinweis der Bundesregierung in ihrem Sportbericht von die sem Jahr. Ich zitiere:

Obwohl die Bedeutung des Sports unbestritten ist, liegen hierzu sowohl in Deutschland als auch in anderen Mit gliedsstaaten der EU nur in begrenztem Umfang belast bare Daten vor.

Deshalb werden gerade bundesweit und europaweit wissen schaftlich vergleichbare Parameter entwickelt, um die Struk turen und die Gewichtung der Sportwirtschaft in allen ökono mischen Auswirkungen – einschließlich der Anzahl der Be schäftigten und der Bedeutung der Sportwirtschaft für den Ar beitsmarkt – bewerten zu können. Hierzu werden sogenann te Satellitenkonten errichtet. Bei der Fütterung mit Datenma terial stehen wir im Moment noch völlig am Anfang. Deshalb geht uns Grünen hier Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Darum ist, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP, mit den pauschalen Zusagen von Anerkennung und Förderung hier im Prinzip niemandem geholfen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wir bitten darum, den Schwerpunkt darauf zu setzen, bil dungspolitische Anstrengungen auch im Sportbereich zu un ternehmen. Während nämlich die ökonomischen Ansätze für die Politik und ihre Entscheidungsträger beim Thema Sport wirtschaft erst noch einer genauen Feinjustierung bedürfen, ist im Bildungsbereich durchaus schon Handlungsbedarf zu erkennen. Es gibt zwar an der Universität Stuttgart einen Mas terstudiengang Gesundheitsförderung; der Bachelorabschluss dazu muss aber z. B. an der PH in Schwäbisch Gmünd erwor ben werden. Die Studiengänge sind also eher suboptimal auf einander abgestimmt.

Bei den Weiterbildungsangeboten ergibt sich ein Flickentep pich, der im Hinblick auf Zeitökonomie und Effizienz keine Anreize schafft. Hier hilft z. B. ein Blick nach NordrheinWestfalen, wo mit dem Institut für Sport und Touristik um fangreiche und gut aufeinander abgestimmte Studiengänge im Rahmen einer Fernuniversität angeboten werden.