Das Gute für mich als baden-württembergischer Minister ist: Dieses Mal ist die Ausgewogenheit zwischen Baden und Württemberg erreicht worden, allerdings mit dem kleinen Plus, dass Freiburg ein Zentrum in der Krebsforschung hin zugewonnen hat. Das heißt, dass wir in dieser Runde fünf Zen tren eingeworben haben.
Man muss wissen, dass dies mit erheblichen Mitteln des Bun des verbunden ist. Auch wir müssen investieren. Hiermit ha ben wir langfristig die Weichen in eine Zukunft gestellt, wo nach Tübingen, Heidelberg und Freiburg – zusammen mit München – in der Forschung und in der klinischen Anwen dung die überragenden Zentren in Deutschland sein werden. Alle anderen Bundesländer haben nicht auf dem Niveau ab geschnitten wie Baden-Württemberg. Bayern hat übrigens – wie das dort so ist – fast alles auf München konzentriert. Wir haben die wesentlich breitere Aufstellung.
Das ist eine große Chance für unsere Hochschulmedizin. Sie zeigt ihre herausragende Stellung und wiederholt damit im Grunde auch den Erfolg der Hochschulmedizin in der Exzel lenzinitiative. Denn die Kliniken und Fakultäten in Heidel berg, Tübingen und Freiburg waren auch in der Exzellenzin itiative in der Verbindung zwischen Medizin und lebenswis senschaftlicher Forschung erfolgreich.
Ich glaube, man kann sagen, dass sich hier wieder einmal die überragende Qualität von Forschung, aber auch von Univer sität in Baden-Württemberg bewährt hat. Dies ist eine große Chance für die Standorte. Wir werden aber in anderer Weise, durch Kooperation, auch dafür sorgen, dass ein Standort wie Ulm – dort müssen wir ein breiteres Umfeld schaffen – ge genüber den überragenden Zentren in Baden-Württemberg nicht zurückfällt.
Herr Präsident, Herr Minister! Zunächst einmal spreche ich großes Lob aus. Die BadenWürttemberger und vor allem ich als Heidelberger sind stolz darauf, dass wir sehr gut abgeschnitten haben. Das, was wir mit unserem Abschneiden auf Bundesebene erreicht haben, stellt eine hervorragende Leistung dar.
Nun zu dem, was uns interessiert. Wie ich der Presseerklärung entnommen habe, sind Investitionen in Höhe von insgesamt 30 Millionen € vorgesehen. Was bedeutet das konkret für Ba den-Württemberg? Welche Kosten entstehen für Baden-Würt temberg? Wann werden sie anfallen, und wann werden sie im Haushalt entsprechend etatisiert?
Herr Abg. Pfisterer, was Tübingen mit den zwei Zentren betrifft, so laufen diese Kosten schon. Im Endausbau, wenn wir die vier Zentren in Heidelberg, die vier Zentren in Tübingen und das Zentrum in Freiburg haben, kommt hinzu, dass wir beim Hauptzentrum für Krebsfor schung in Heidelberg mitfinanzieren müssen. Der Schlüssel lautet: 90 % der Kosten trägt der Bund, 10 % das Land. Die Gesamtkosten pro Jahr belaufen sich auf etwa 50 Millionen €. Insofern können wir davon ausgehen, dass das Land 5 Milli onen € und der Bund 45 Millionen € zu tragen haben.
Bei den Investitionskosten werden wir die üblichen Schlüssel im Bereich der Medizin zugrunde legen. Soweit es sich um Forschungsbauten handelt, wäre das nach Artikel 91 b des Grundgesetzes im Grunde eine vom Bund mitzufinanzieren de Initiative. Soweit es sich um reine Aspekte der Kranken versorgung handelt, wäre das die übliche Finanzierung der kli nischen Teile unserer Universitäten.
Insofern kann man sagen: Wir haben hier im Grunde einen Gewinn von 45 Millionen € pro Jahr, der unmittelbar vor al lem der Forschung und der Übertragung der Forschung auf die klinische Anwendung im Land zugutekommt – gegenüber 5 Millionen € an Eigenmitteln. Es ist, glaube ich, eine gute In vestition, die wir mit den 5 Millionen € an Eigenmitteln im Land pro Jahr tätigen.
Wie gesagt: Das Ganze ist nicht zeitlich limitiert, anders als die Exzellenzinitiative. Wir können damit rechnen, können hoffen, dass das eine sehr langfristige Investition wird.
Herr Minister, das ist ein toller Erfolg für unsere Universitäten. Sie haben von einem Verteilungsschlüssel von 90 : 10 gesprochen, haben auch von „längerfristig“ geredet. Darauf bezieht sich meine Frage: Ist absehbar, wann die Bundesförderung möglicherweise aus läuft? Heißt das, dass wir dann vollständig für die Kosten, die der Bund bis dahin trägt, einstehen müssten?
Die zweite Frage: Werden die 5 Millionen €, diese 10 %, zu sätzliches Geld sein, oder muss das an anderen Stellen im Be reich des Universitätsklinikums erbracht werden?
Drittens: Schön, dass man die großen Volkskrankheiten ins Visier nimmt, aber ein Problem sind eigentlich die sehr selte
nen Erkrankungen, für die es häufig, weil es für die Pharma industrie wirtschaftlich nicht so interessant ist, leider nicht solche Programme gibt, wofür aber meiner Meinung nach das Land oder der Staat insgesamt eine noch erhöhte Verpflich tung hätten, analoge Anstrengungen zu unternehmen.
Zur ersten Frage: Dieses Programm ist, anders als die Exzel lenzinitiative, nicht ausdrücklich limitiert. Es ist im Grunde genommen ein Programm, das auf Dauer angelegt ist und mit dem der Bund auf Dauer Gesundheitsforschungszentren för dern will.
Das Zweite ist die Frage nach den großen Volkskrankheiten. Diese Frage habe ich auch mit Bundesministerin Schavan dis kutiert. Einerseits gibt es seltene Krankheiten, andererseits gibt es hier sehr viele Krankheiten, die die ältere Bevölkerung betreffen, gerade wenn Sie an die neurodegenerativen Krank heiten und Ähnliches denken. Hier fehlt meiner Ansicht nach – das habe ich auch mit Frau Ministerin Schavan ausführlich diskutiert – ein Bereich, der in erster Linie junge Menschen angeht, und zwar das gesamte Spektrum der seelischen Er krankungen. Im Bereich von Depressionen und anderen see lischen Erkrankungen gibt es erhebliche Erkrankungsziffern bei jungen Menschen, entweder weil mehr diagnostiziert wird oder weil solche Fälle tatsächlich häufiger auftreten. Solche Zahlen müssten uns eigentlich große Sorgen machen.
Wir müssen eine Initiative starten, weil diese Erkrankungen, die auch volkswirtschaftlich besonders zu Buche schlagen, da sie den aktivsten Teil der Bevölkerung betreffen, sehr viel gra vierender sind als andere Krankheiten. Das müssen wir also genauso in den Fokus nehmen. Insofern haben wir vereinbart, dass wir, was unser Land betrifft, gemeinsam versuchen wer den, das ZI in Mannheim – das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit – verstärkt auszubauen. Es gibt in Deutschland ein weiteres Institut vergleichbarer Qualität, nämlich das MaxPlanck-Institut in München. So könnten wir, weil dieser Krankheitsbereich nicht integriert worden ist, das Manko ab decken, bis der Bund wieder die Mittel hat, um auch dies zu fokussieren, und diesen Bereich verstärkt ins Auge nehmen.
In Mannheim gibt es eine Initiative mit dem Schwerpunkt „Personalisierte Medizin“. Die Zukunft der Medizin und auch der Pharmazie wird sein, dass man sehr viel stärker persona lisiert, etwa durch sogenannte Targeted Drugs. Dort werden die ersten Experimente gemacht. Derzeit haben wir Medika mente, die wie mit dem Maschinengewehr auf alle zielen und die weder zwischen männlich und weiblich unterscheiden noch auf spezifische Krankheitsbilder eingehen.
Daher ist uns auch die Frage der seltenen Krankheiten sehr wichtig. Hier, glaube ich, haben wir in Deutschland ein gene relles Problem, das wir adressieren müssen. Wir haben die großen Pharmakonzerne. Das sind völlig selbstverständlich Unternehmen, die neben den altruistischen Zielen dem Unter nehmensziel und damit auch dem Gewinn verpflichtet sind. Das heißt aber, dass in der Entwicklung selten gebrauchter Medikamente natürlich weniger geforscht wird und dass es einen geringen wirtschaftlichen Antrieb gibt, seltene Krank
heiten zu erforschen und auch Medikamente gegen seltene Krankheiten zu entwickeln. Die Problematik reicht bis hin zu der Frage neuer Antibiotika. Auch da gibt es ein großes Man ko, weil das im Moment kein marktgängiges Produkt ist.
Da sehe ich neben den Gesundheitszentren uns als Staat, uns als Land, aber auch die gesamte Bundesrepublik in der Ver antwortung, sehr stark die Bereiche durch staatliche Förde rung zu adressieren, in die das privatwirtschaftliche Engage ment der in der Medizin Beteiligten nicht hinzielt. Da haben wir eine große Verantwortung, die wir in der Tat nicht verges sen dürfen. Das ist mir auch ein sehr großes persönliches An liegen, denn sonst haben wir irgendwann zwar sehr viel für die großen Volkskrankheiten getan, für die aber ohnehin schon viel getan wird, etwa in der privaten Pharmaforschung. Als Staat müssen wir sozusagen dort die Lücken füllen, wo es das private und das privatwirtschaftliche Engagement so nicht ge ben kann.
Was die Forschung betrifft, so stellen wir uns diese, auf Eng lisch ausgedrückt, als Fresh Money vor.
Das hat jeder verstan den. Alle sprechen Schwäbisch. Daher ist der Ausdruck „Fresh Money“ durchaus verständlich.
Herr Minister, Baden-Württem berg war in diesem Bundeswettbewerb bisher sehr erfolgreich. Aber wenn ich es richtig verstanden habe, war das erst die ers te Etappe, und es folgt jetzt eine zweite Runde in der Bewer bung.
Würden Sie einmal erläutern, wie es jetzt weitergeht und wel che Chancen Sie den Anträgen beimessen? Muss ich mir das so vorstellen, dass die baden-württembergischen Antragstel ler miteinander konkurrieren, oder räumen Sie allen Antrag stellern gute Chancen ein?
Frau Abg. Kurtz, der Wettbewerb ist so an gelegt, dass es eine Vorauswahl gibt. Bei dieser Vorauswahl ist die Hälfte der Bewerber herausgefallen. Jetzt ist eigentlich davon auszugehen, dass diejenigen, die ausgewählt worden sind, Endanträge stellen. Die Mittel sind so konfiguriert, dass alle Endanträge bewilligt werden können.
Es scheidet jetzt also im Wettbewerb niemand aus. Es könn te jetzt nur jemand ausscheiden, der im Grunde einen misera blen Vollantrag stellt.
In der vorigen Runde der Antragstellungen gab es den Fall, dass ein Antragsteller seinen Antrag nachträglich selbst zu rückgezogen hat. Das war, glaube ich, Göttingen. Aber der Wettbewerb ist so angelegt, dass die Vorentscheidung und Auswahl so getroffen wurden, dass diejenigen, die ausgewählt sind, die entsprechende Finanzierung erhalten und alle den Zuschlag erhalten, sofern sie jetzt das Konzept vernünftig aus arbeiten.
Insofern kann man davon ausgehen, dass die Würfel endgül tig gefallen sind. Es gibt keinen Wettbewerb mehr zwischen den Antragstellern. Es könnte nur sein, dass ein Standort sei nen Antrag zurückzieht. Aber beim letzten Mal war es in die sem Fall so, dass kein anderer antreten kann, weil die ande ren ausgeschieden sind.
Ich gehe davon aus, dass alle Anträge so, wie sie gestellt und jetzt bewilligt worden sind, erfolgreich in die Phase der end gültigen Antragstellung und der endgültigen Genehmigung gehen. Wir werden natürlich alles dafür tun, um die Antrag steller auch entsprechend zu unterstützen.
Wir haben diesen Fall auch in Tübingen mit den Bereichen Diabetes und neurodegenerative Erkrankungen gehabt; das war auch erfolgreich.
Dazu gehört auch die Frage, wie die Gesamtkonstellation aus sieht. Das Ganze befindet sich unter dem Dach der HelmholtzGemeinschaft. Es gibt immer ein koordinierendes Zentrum, wie jetzt bei der Krebsforschung das DKFZ in Heidelberg.
Dies alles wird jetzt in der Zwischenphase ausgehandelt. Wir haben das damals mit Tübingen auch sehr sorgfältig gemacht. Wir achten natürlich darauf, dass in diesem Prozess niemand etwa aus dem Grund ausscheidet, dass die Koordination mit den Hauptzentren nicht klappt oder es inhaltlich nicht so läuft.
Ich habe von der Begutachtung gehört, dass das, was jetzt vor geschlagen worden ist, und das, was hier auch von unserer Seite aus bewilligt worden ist, wirklich sehr gute Anträge ge wesen sind. Wir brauchen also nicht zu befürchten, dass da noch jemand stolpert, es sei denn, er legt sich selbst die Stei ne vor die Füße. Das werden unsere Mediziner hoffentlich nicht tun.
Herr Minister, auch wir freuen uns über den Erfolg dieser drei Universitätsstädte, also der drei Medizinfakultäten bzw. Klinika.
Sie haben es schon angesprochen: Ein Wermutstropfen ist da bei. Die Universität Ulm ist nicht vertreten, obwohl sie einen Antrag gestellt hat. Wenn man sich das anschaut, hat man den Eindruck, dass der Erfolg dieser drei Städte deswegen einge treten ist, weil dort eine sehr gute Vernetzung mit dem MaxPlanck-Institut und der Helmholtz-Gemeinschaft vorhanden ist und da sozusagen schon ein gewisser Konkurrenznachteil oder ein Startnachteil für die Universität Ulm bestanden hat, weil dort keine solchen Institute vorhanden sind.
Sie haben bereits angesprochen, dass Sie der Universität Ulm auf andere Weise helfen wollen. Diese Hilfe ist wichtig, weil sonst, denke ich, nicht nur kurzfristig, sondern mittel- und langfristig ein deutlicher Wettbewerbsnachteil dieses Stand orts in Baden-Württemberg entstehen würde. Können Sie schon etwas präzisieren und konkretisieren, auf welche Art und Weise Sie dort helfend einspringen wollen? Dort gibt es ja keine schlechtere medizinische Fakultät, sondern dort be steht offensichtlich – wie ich schon gesagt habe – ein struk tureller Nachteil, um in solchen Wettbewerben zu bestehen.
Herr Abg. Rivoir, wir haben jetzt das typi sche Baden-Württemberg-Problem, wie es bei der Exzellenz initiative besteht. In anderen Ländern ist man froh, wenn man eine Klinik hat, die ein solches Zentrum hat. Wir hingegen ha ben nur eine Klinik, die kein solches Zentrum hat.
Das schreibe ich aber in der Tat nicht der Qualität des Insti tuts in Ulm zu. Vielmehr ist Ulm einerseits in geografischer Hinsicht schwer mit anderen baden-württembergischen Ein richtungen vernetzbar. Zum Zweiten hat Ulm in der Tat kei ne außeruniversitären Einrichtungen im Bereich der Medizin, wie dies etwa in Tübingen, in Heidelberg, in München oder auch in Freiburg der Fall ist.
Insofern ist es jetzt so, dass wir den anderen nichts wegneh men wollen, wenn wir etwas für Ulm tun. Es ist also nicht so, dass wir sozusagen nivellieren wollen. Wir machen uns aber Gedanken darüber, wie wir Ulm fördern können. Wir wollen schließlich die Qualität der Ulmer Hochschulmedizin auf ei nem für Baden-Württemberg akzeptablen Niveau halten und steigern.
Ich glaube, hierbei gibt es eine zweifache Antwort. Im Be reich der Lehre und der Ausbildung gibt es eine Initiative der Fachhochschulen Ulm und Neu-Ulm im Bereich nicht ärztli cher medizinischer Berufe. Ich habe auf der Reise nach Asi en mit Herrn Bubenzer darüber gesprochen, dass wir diesen Bereich in Ulm stärken wollen, um dort das Spektrum zu er weitern. Wir können Ulm nur weiterbringen, indem wir auch hier Netzwerke bilden. Das kann man aber nur mit den Part nern machen, die vor Ort vertreten sind. Die Vernetzung zwi schen der Universität und den Fachhochschulen ist sehr gut. Wir müssen diesen Bereich voranbringen.