Protocol of the Session on November 24, 2010

Ein erster Schritt ist getan. In einer gemeinsamen Anstren gung von Kommunen und Land haben wir den Mindestper sonalschlüssel erhöht, um diesen Orientierungsplan wirklich umsetzen zu können. Auch das erfordert weitere Anstrengun gen. Es kann nur ein erster Schritt sein. Diesen Weg müssen wir weitergehen, wenn wir die frühkindliche Bildung und Er ziehung wirklich ernst nehmen.

Abschließend, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einen Appell, der eher unpolitisch ist: Das sind Maßnah men, die wir von staatlicher Seite durch die öffentliche Hand auf den Weg gebracht haben. Aber der Staat kann nicht alle Defizite beiseiteräumen, die in unseren Familien entstehen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Genau! Er ziehung ist Elternsache!)

Die familiäre Situation, in der Kinder heute leben, hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Ich darf nur zwei Aspekte herausgreifen: Jede zweite Ehe wird heutzuta ge geschieden. Damit sind insbesondere für Kinder zahlrei che Belastungen verbunden. Außerdem sind in vielen Fami lien – was zunächst einmal positiv ist – beide Elternteile be rufstätig. Aber auch damit ist eine große Belastung verbun den, vor allem für die Frauen in den Familien.

Deshalb müssen wir uns wirklich Gedanken darüber machen, was für eine Gesellschaft wir wollen, in der wir alle leben. Wir dürfen die Gesellschaft nicht nur so organisieren, dass die Bedürfnisse der Erwachsenen befriedigt werden, sondern wir müssen unsere Gesellschaft auch so organisieren, dass auch die Bedürfnisse der Kinder befriedigt werden.

Kinder – dabei spreche ich auch Sie auf der Tribüne an, mei ne Damen und Herren – brauchen Liebe und Zuwendung. Sie brauchen außerdem Zeit. Sie brauchen nicht nur Zuwendung von Mama, sondern auch Zuwendung von Papa.

Wenn wir uns das klarmachen, dann wird sich unsere Gesell schaft weiter zum Positiven verändern. Auch der Wohlstand unserer Gesellschaft wird größer werden; denn Wohlstand be deutet nicht nur ein ständig wachsendes Wirtschaftswachs tum, sondern Wohlstand hat viele Komponenten. Das sollten wir uns an dieser Stelle einmal klarmachen, meine Damen und Herren. Er beinhaltet aus meiner Sicht auch, dass möglichst viele Familien in unserem Land ein glückliches Familienle ben führen können.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Was brauchen sie da zu?)

Entsprechend müssen wir unsere Lebensmaßstäbe einrichten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich der Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, Frau Professorin Dr. Schick.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her ren! Gestatten Sie mir, dass ich mich zunächst Ihnen zuwen

de und Ihnen Zuwendung und Zuneigung zukommen lasse, Herr Mentrup. Ich möchte das sehr gern aufnehmen.

(Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Sie haben vorhin gefragt, warum wir das Thema eigentlich heute diskutieren. Manchmal empfiehlt sich ein Blick in die Tagesordnung des Plenums. Im Titel der Debatte ist nämlich nicht von der Generierung, sondern von der Stärkung des Fachkräftenachwuchses die Rede. Zur Generierung sind wir ebenfalls alle angehalten – auch wenn wir hier dafür zum Teil schon zu alt sind; das müssen dann eben andere erledigen –, aber hier geht es um die Stärkung des Fachkräftenachwuch ses. Selbstverständlich gilt noch meine Aussage aus der De batte im Mai, in der ich gesagt habe: Eine rein quantitative Betrachtung ist nicht zielführend.

Wer Fachkräfte für dieses Land entwickeln will, der muss na türlich auch über die Inhalte, über die Qualität und über die Profile reden und nicht nur über die schnöden Zahlen. Des wegen habe ich meiner Aussage von damals nichts entgegen zusetzen. Ich will sie heute aber auch nicht toppen, sondern ich will gemeinsam mit Ihnen die Strategie erörtern. Auch da von ist im Titel der heutigen Debatte die Rede. Es geht nicht um Einzelmaßnahmen, sondern um eine bildungspolitische Strategie.

Meine Damen und Herren, wie haben wir uns strategisch auf gestellt, um unserem Land den Fachkräftenachwuchs in der richtigen Qualifikation zur Verfügung zu stellen und damit den Wohlstand zu sichern? Ich möchte ein paar Punkte anspre chen, die die Strategie deutlich machen.

An erster Stelle steht die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das ist ein strategischer Handlungsimpuls, den wir durch vie le Maßnahmen der vergangenen Jahre umgesetzt haben und weiter umsetzen werden.

Ein zweiter strategischer Punkt betrifft die Tatsache, dass man Fachkräftenachwuchs nur entwickeln kann, wenn man sich im Bildungsbereich in engster Abstimmung mit der Wirtschaft bewegt. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass voraussichtlich Ende dieses Jahres zwei Drittel aller allgemeinbildenden Schulen eine Bildungspartnerschaft mit Unternehmen einge gangen sein werden. Sie erkennen auch unmittelbar, dass in diesen Bildungspartnerschaften darüber gesprochen wird, wel che Fachkräfte man braucht und welche Inhalte zu vermitteln sind.

Das bedeutet Strategie. Es reicht nicht aus, einen gesetzlichen Anspruch auf eine Bildungspartnerschaft oder Ähnliches zu formulieren. Ich weiß, dass Sie das noch nicht vorgeschlagen haben. Ich erwarte aber in den nächsten Wochen und Mona ten eine entsprechende Gesetzesinitiative. Das, was ich dar gelegt habe, muss man tun. Aber man muss nicht Rechtsan sprüche einfordern.

Dritter strategischer Punkt: Wir arbeiten seit der Einführung der Bildungspläne daran – das haben wir auch zuvor schon getan –, dass in unseren Schulen, und zwar in den allgemein

bildenden Schulen ebenso wie in den beruflichen Schulen, das Stichwort Berufsorientierung nicht etwa nur am Rande oder zusätzlich auftaucht, sondern eine Kernaufgabe bezeichnet. Das gilt ebenso für das Gymnasium wie für die Realschule. An all diesen Schularten wird heute Berufsorientierung durch geführt. Auch das ist Stärkung des Fachkräftenachwuchses. Die jungen Menschen müssen die Berufe überhaupt erst ein mal kennenlernen, die es im MINT-Bereich, aber auch in an deren Bereichen braucht, um den Wohlstand zu erhalten.

Baden-Württemberg ist beispielhaft, was die Berufsorientie rung auch an den allgemeinbildenden Schulen betrifft. Das ist Stärkung des Fachkräftenachwuchses. Es reicht eben nicht aus, die Situation quantitativ zu betrachten und lediglich ab zuzählen, ob genügend Fachkräfte vorhanden sind.

Ein vierter strategischer Punkt, meine Damen und Herren: Stärkung des Fachkräftenachwuchses erfordert das klare Be kenntnis zur Erhöhung des Qualifikationsniveaus in unserem Land. Dazu hat die Landesregierung zwei Maßnahmen auf den Weg gebracht, die ebenfalls eine strategische Perspekti ve haben – auch wenn Sie von der Opposition die strategische Perspektive manchmal anscheinend nicht abwarten können, sondern den Erfolg gern schon am nächsten Tag sehen wür den.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ulla, ganz ruhig! – Ge genruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Das fällt mir aber schwer! – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Man muss es lernen!)

Eine strategische Maßnahme zur Erhöhung des Qualifikati onsniveaus in unserem Land, meine Damen und Herren, ist die Einführung der Werkrealschule.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Norbert Zeller SPD: Oje!)

Denn dies ist eine ganz klare Ansage und eine klare Aussage, dass die anzustrebende Qualifikation eines jungen Menschen, der bei uns an den Start seiner Bildungskarriere gehen will, die mittlere Reife ist. Diese mittlere Reife bringen wir mit der Werkrealschule in die Fläche des Landes. Das ist Strategie – das ist nicht etwa Aktionismus, sondern das ist Strategie –, und dafür nehmen wir auch Diskussionen in Kauf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Strategisch gut!)

Selbstverständlich ist der weitere, verstärkte und beschleunig te Ausbau der beruflichen Gymnasien ebenfalls unter dieser Überschrift zu subsumieren.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Für diese Einsicht haben Sie aber lange gebraucht!)

Erhöhung des Qualifikationsniveaus: Wir starten auch hier be reits – das macht es uns im Land immer so schwer – von ei ner Poleposition. Baden-Württemberg ist heute unter den al ten Flächenländern der Bundesrepublik Deutschland das Flä chenland, das die höchste Quote beim allgemeinen Abitur hat. Hierzu leisten die beruflichen Gymnasien einen wesentlichen Anteil. Aber wir wollen noch besser werden, und wir wollen noch mehr Perspektiven eröffnen.

Strategie – ich komme zu einem letzten Punkt – bedeutet im Sinne der Stärkung des Fachkräftenachwuchses auch, dass wir die von Ihnen so titulierten Übergangssysteme nutzen und aus bauen und dass wir sie ausschließlich in der Richtung ausbau en, dass dort Abschlüsse nachgeholt werden können, die bis lang nicht hatten erreicht werden können. Diese Systeme sind eben keine Parksysteme, es sind keine Warteschleifen,

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

sondern hier werden Abschlüsse vermittelt. Es wäre schön, wenn Sie dies doch einmal zur gefälligen Kenntnis nehmen würden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje!)

Meine Damen und Herren, das sind strategische Punkte, ent lang derer wir bereits unterwegs sind.

Vor uns liegen weitere strategische Handlungsfelder. Auch hier haben wir die Ampeln bereits auf Grün gestellt.

(Lachen bei den Grünen – Abg. Brigitte Lösch GRÜ NE: Grün! Sehr gut! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wir wollen keine Ampel!)

Der Expertenrat „Herkunft und Bildungserfolg“ wird im Ja nuar seine Empfehlungen vorlegen. Ich sage Ihnen hier von dieser Stelle aus, dass wir bereit sind, diesen Empfehlungen so weit wie irgend möglich zu folgen. Das wird der nächste Punkt sein.

Wir werden uns mit einer Perspektive für die nächsten fünf Jahre selbstverständlich zudem vornehmen, für die jungen Menschen, die heute in der Berufstätigkeit sind, aber keinen Berufsabschluss haben – das ist eine der Gruppen, auf die wir in den nächsten Jahren intensiv schauen müssen –, weitere In itiativen zu erarbeiten.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da müssen Sie sich aber früher um diese Jugendlichen kümmern! – Ge genruf des Abg. Jörg Döpper CDU: Ulla, die Küm merin! – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

In nächster Zukunft werden wir selbstverständlich das, was uns die Enquetekommission „Fit fürs Leben“ vorschlagen wird, umsetzen, und zwar so schnell, zügig und konsequent wie irgend möglich. Deswegen haben wir beim Ausbau der beruflichen Gymnasien jetzt auch auf die Feinfestlegung der Profile verzichtet und warten auf das, was der Landtag uns mit seiner Enquetekommission sagen wird. Wir folgen gern ihren Empfehlungen. Ich freue mich darauf.

Damit haben wir einen weiteren Punkt der Strategie, die uns dazu führt, Baden-Württemberg mit genügend Fachkräften und vor allem mit den richtig qualifizierten Kräften auszustat ten, um den Wohlstand dieses Landes zu sichern. Wir machen so erfolgreich weiter, wie wir bisher unterwegs waren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Mentrup.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Frau Ministerin. Jetzt haben Sie einige Einzelmaßnahmen genannt, die man in einem gewis sen Rahmen durchaus in eine Strategie packen kann. Lassen Sie mich aber drei, vier Punkte zu dem nachtragen, was an sonsten noch erwähnt wurde.