Protocol of the Session on October 28, 2010

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Der Wirtschaftsminister ist be reits auf einiges von dem eingegangen, was Kollegin Sitz mann und Kollege Hofelich angesprochen haben, z. B. auf das Thema Kreativwirtschaft.

Ein Thema allerdings, Frau Kollegin Sitzmann, möchte ich kurz streifen: Es hätte mich wirklich gewundert, wenn es Ih nen nicht gelungen wäre, auch das Thema Dienstleistungen so zu interpretieren, dass Sie auf die Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke zu sprechen kommen können.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das liegt einfach auf der Hand!)

Vor diesem Hintergrund kann man vielleicht darüber streiten, ob der Handwerker, der die Solarzellen auf das Dach mon tiert, der klassische Dienstleister ist. Aber sei’s drum. Eines ist, glaube ich, jedenfalls deutlich, nämlich dass dieser Hand werker und auch andere, die im Bereich der erneuerbaren Energien tätig sind, durchaus im Blickpunkt der Landespoli tik liegen. Denn nicht zuletzt Baden-Württemberg hat mit da

für gesorgt, dass das notwendige Abschmelzen der Subventi onierungen dieses Bereichs mit Maß und auch mit den ent sprechenden zeitlichen Vorläufen stattgefunden hat.

Im Übrigen hoffe ich, dass Sie mit uns darin einig sind, dass wir uns, wenn die Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwer ke schon kommt, gemeinsam dafür einsetzen sollten, dass die se ca. 30 Milliarden € an Abschöpfungen, die für die erneuer baren Energien vorgesehen sind, dann tatsächlich fließen und dass auch das Land Baden-Württemberg seinen Anteil davon bekommt, damit das Geld in genau diese Zukunftsbranchen fließen kann. Ich hoffe, wir können uns zumindest darüber verständigen.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Wir setzen uns dafür ein, dass die Laufzeitverlängerung nicht kommt!)

Herr Kollege Hofelich, wir sind uns auch mit dem Wirt schaftsminister – das ist, glaube ich, deutlich geworden – völ lig einig, dass wir nicht Dienstleistungen gegen Produktion setzen wollen, sondern dass dies, wie es der Wirtschaftsmi nister gesagt hat, zwei Seiten einer Medaille sind. Im Übrigen gibt es einen „Hybridbereich“, also einen Bereich, in dem das eine in das andere hineingreift.

Ich kann durchaus das von Ihnen angeführte Zitat von Hen kel bekräftigen, wonach die Dienstleistung das Produkt ist. Zumindest ist das, was bei Dienstleistungen erwirtschaftet wird, gleichwertig mit den Produkten des verarbeitenden Ge werbes. Wir haben auch keinen Dissens, wenn es darum geht, Dienstleistungen, auch einfache Dienstleistungen, anständig zu bezahlen.

Der Bundeswirtschaftsminister hat höhere Löhne als ange messen bezeichnet. Diejenigen, die beispielsweise Oskar La fontaine immer um den Hals fallen, wenn er so etwas fordert, entdecken jetzt jedoch plötzlich die Tarifautonomie und sa gen, die Politik habe sich da herauszuhalten, die Politik habe keine höheren Löhne zu fordern. Das ist zum Teil schon eine etwas eigenartige Debatte.

Ich bekenne mich durchaus dazu: Es soll ordentlich bezahlt werden. Ich glaube, wir haben auch das gleiche Ziel – Herr Hofelich, Sie haben es ausgeführt –: Wir müssen den gerin ger Qualifizierten in der Gesellschaft Arbeit bieten. Der Dienstleistungssektor bietet sich an. Dissens haben wir bei der Frage, ob Mindestlöhne hilfreich sind, wenn es darum geht, dass diese Leute Arbeitsplätze finden und anständig bezahlt werden, so, wie es unserer Überzeugung entspricht.

Ich halte es wie Sie in der Tat für etwas unglücklich, wenn das Verhältnis etwa von Tourismus zum verarbeitenden Gewerbe so dargestellt wird, als sollte der Tourismus das ausgleichen, was beim Gewerbe wegfällt. Das kann natürlich nicht das Ziel sein; das ist völlig klar. Wir brauchen das verarbeitende Ge werbe weiterhin, aber wir brauchen natürlich auch einen pro sperierenden Tourismus. Das Land Baden-Württemberg bie tet sich dafür an.

Letzte Bemerkung: Selbstverständlich – auch da sind wir ei nig – können wir nicht die großen politischen Entscheidun gen für den Dienstleistungssektor treffen. Das ist auch nicht unser Ansatz, sondern klar ist: Die Wirtschaft wird im We sentlichen durch die Wirtschaft selbst gemacht. Aber an der

einen oder anderen Stelle können wir mit geeigneten Rahmen bedingungen hilfreich sein, auch im Dienstleistungsbereich. Es war auch ein Ziel dieser Debatte, über die Möglichkeiten, die die Politik hierbei hat, zu reden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, mit die ser Aussprache ist die Große Anfrage der Fraktion der FDP/ DVP und damit auch Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Vermessungsgesetzes – Druck sache 14/7075

Die Begründung erfolgt durch die Regierung. Für die Aus sprache ist eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion fest gelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Minister Köber le.

Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Etwa 80 % aller Entschei dungen in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft haben einen Raumbezug. Von verlässlichen Planungsgrund lagen hängt der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg ab. Es gibt eigentlich keine Infrastrukturmaßnahme, die ohne raumbezogene Daten auskommt. Die Vermessungsverwaltung liefert hierfür die Basisinformationen. Darauf bauen alle an deren Verwaltungen auf. Auch die Wirtschaft und die For schung profitieren ganz entscheidend davon. Das Vermes sungswesen und die Vermessungsverwaltung haben also eine große Bedeutung.

Die technologische Entwicklung wurde im amtlichen Vermes sungswesen stark vorangetrieben. Die besten Beispiele hier für sind der Satellitenpositionierungsdienst und das Amtliche Liegenschaftskataster-Informationssystem ALKIS. ALKIS steht kurz vor der Einführung im ganzen Land.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, vor diesem Hintergrund soll unser Landesvermessungsgesetz weiterentwickelt wer den. Überholte und nicht mehr zeitgemäße Vorgaben sollen entfallen. Wir wollen das Gesetz vereinfachen. Außerdem soll sich die staatliche Vermessungsverwaltung größtenteils dort aus dem operativen Vermessungsgeschäft zurückziehen, wo Private – in diesem Fall öffentlich bestellte Vermessungsin genieure – die Aufgabe ebenso gut erledigen können.

(Beifall der Abg. Dr. Ulrich Noll und Friedhelm Ernst FDP/DVP)

Dabei soll der Anteil der öffentlich bestellten Vermessungs ingenieure an Liegenschaftsvermessungen mittelfristig auf 80 % steigen.

Wir haben heute einen Gesetzentwurf in der Form eines Arti kelgesetzes eingebracht, der folgende Ziele verfolgt:

Erstens: Wir weisen bestimmte Teile von hoheitlichen Aufga ben den öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren als be liehene Unternehmer gesetzlich zu. In zwei zeitlich getrenn ten Stufen wird das angestrebte Privatisierungsziel von 80 % erreicht.

Zweitens: Wir stärken die Eigenverantwortung der Bürgerin nen und Bürger, indem wir auf die öffentlich-rechtliche Ab markungspflicht verzichten. Flurgrundstücksgrenzen werden künftig nur noch auf Antrag abgemarkt. Dies erspart Aufwand und Kosten.

Drittens: Wir stellen eine landesweit flächendeckende Versor gung mit hoheitlichen Vermessungsdienstleistungen sicher. Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure können landes weit tätig werden. Gleichzeitig verpflichten wir sie, die nach gefragten Vermessungsleistungen zeitnah zu erbringen.

Viertens: Wir erhöhen die Aktualität des Liegenschaftskatas ters. Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure erhalten die Befugnis, Gebäude von Amts wegen für das Liegenschafts kataster aufzunehmen.

Fünftens und letztens: Darüber hinaus regeln wir klar die Zu ständigkeit der Vermessungsbehörden und leisten Beiträge zum Bürokratieabbau.

Die Lösungen sind insgesamt ausgewogen und sowohl für das Land als auch für unsere Bürgerinnen und Bürger kostenneu tral.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, mit dem Gesetzentwurf bringen wir unser Land auf dem Weg zu einem modernen Staat und Dienstleister ein gutes Stück voran. Dies ist zum Vorteil für die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württem berg, für unsere Wirtschaft, unsere Wissenschaft und unsere Verwaltung.

Ich bitte das Hohe Haus, diesem Gesetzentwurf in Zweiter Beratung im Plenum – nach den Beratungen im Ausschuss – zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Klein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Landtag liegt heute in der Ersten Beratung der Gesetzentwurf zur Änderung des Vermessungsgesetzes vor. Wie bereits von Herrn Minister Köberle dazu grundsätzlich ausgeführt wur de, werden damit auch die Vorgaben zum Vermessungsbereich aus der Koalitionsvereinbarung und dem Verwaltungsstruk tur-Reformgesetz umgesetzt.

Der derzeitige Anteil der öffentlich bestellten Vermessungs ingenieure an öffentlichen Vermessungsleistungen und die Entwicklung zeigen deutlich auf, dass eine gesetzlich gere gelte Zuweisung von Aufgabenteilen erforderlich wird. Das Ziel, den Anteil der öffentlich bestellten Vermessungsingeni eure an den öffentlichen Liegenschaftsvermessungen in unse

rem Land mittel- bzw. langfristig auf ca. 80 % zu erhöhen, ist mit anderweitigen Maßnahmen leider nicht zu erreichen und auch nicht zu gewährleisten.

Die vorgesehene zeitlich gestaffelte Zuweisung von Aufga benteilen an öffentlich bestellte Vermessungsingenieure er folgt dabei aus der Gesamtsicht des Landes Baden-Württem berg unter Berücksichtigung der personellen und der wirt schaftlichen Gegebenheiten bei den unteren Vermessungsbe hörden. Sowohl die Belange der unteren Vermessungsbehör den als auch die Belange der öffentlich bestellten Vermes sungsingenieure wurden dabei berücksichtigt.

Vor dem Hintergrund der Lage öffentlicher Haushaltskassen begrüße ich natürlich ausdrücklich, dass diese Lösung insge samt kostenneutral und ausgewogen erfolgt. Den öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren kommt mit diesen Aufga ben eine größere Bedeutung zu. Sie übernehmen zukünftig mehr Verantwortung. Im Bereich des Vermessungswesens in Baden-Württemberg werden, wie schon ausgeführt, die Kata stervermessungen übertragen, und auch die Gebäudeaufnah men können durch sie von Amts wegen stattfinden.

Im Gegenzug bekommen die öffentlich bestellten Vermes sungsingenieure aber auch Verpflichtungen auferlegt. Sie kön nen künftig nur noch zu den amtlichen Gebührensätzen tätig werden, sie müssen alle Anträge innerhalb des Landes BadenWürttemberg annehmen und diese auch innerhalb einer ange messenen Zeit von sechs Monaten bearbeiten.

Für die Antragsteller – das sind in der Regel natürlich unsere Bürgerinnen und Bürger und vor allem auch die Kommunen – sind die Regelungen daher kostenneutral. Zudem ist eine flächendeckende Versorgung mit hoheitlichen Vermessungs leistungen auch weiterhin gewährleistet.

Abschließend darf ich feststellen, dass die Modernisierung des Vermessungsgesetzes das amtliche Vermessungswesen auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet und die ent sprechenden Grundlagen schafft. Deshalb wird die CDU-Frak tion diesem Gesetzentwurf nach der zweiten Lesung zustim men.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! Bril lante Rede!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Buschle das Wort.

Herr Präsident, meine lieben Kol leginnen und Kollegen! Auch die SPD-Fraktion ist im Grund satz mit der Novellierung dieses Gesetzes einverstanden. Die Novellierung ist notwendig, weil sich auch die technischen Voraussetzungen sehr verändert haben. Es ist aber auch kein neues Thema. Seit 15 Jahren beschäftigen wir uns mit der Re form des Vermessungswesens, und die öffentlich bestellten Vermessungsingenieure haben sich zu Recht auf die Zusage verlassen, dass ihr Anteil an den Liegenschaftsvermessungen auf 80 % erhöht wird. Das ist für sie eine wirtschaftliche Fra ge, eine existenzielle Frage, es ist eine Frage von Arbeitsplät zen.

Andererseits – auch das haben Sie, Herr Kollege Klein, er wähnt – gilt es natürlich, die öffentliche Verwaltung personell entsprechend auszustatten. Den Landkreisen entsteht hier durchaus ein Problem, weil es in den 15 Jahren durch die teu felsche Verwaltungsreform nicht so ganz gelungen ist, dieses Personal entsprechend umzusetzen. Der Teufel steckt hier al so noch immer im Detail. Es gilt hier, die gegensätzlichen In teressenlagen zu berücksichtigen.