Protocol of the Session on October 28, 2010

Deshalb werben wir dafür und haben einen konkreten Vor schlag gemacht, wie mit einer Volksabstimmung eine zusätz liche demokratische Legitimation für die Vollendung dieses Bauvorhabens gewonnen werden kann.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Oh!)

Wir wollen eine Debatte austragen, die jetzt durch das Schlich tungsverfahren eingeleitet wird und in der Pro und Kontra auf den Tisch kommen, in der die Kosten – übrigens auch die Aus stiegskosten – auf den Tisch kommen,

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Die liegen auf dem Tisch!)

und wollen dann die Bürgerinnen und Bürger entscheiden las sen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist ein transeu ropäisches Netz, da müssen Sie Europa fragen! – Ge genruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wenn wir jetzt sagen, wir wollen uns und auch den Argumen ten der Gegner Gehör verschaffen, wenn wir diesen Auftrag des Schlichtungsverfahrens ernst nehmen, dann haben die Bürger des Landes Baden-Württemberg – die diese Debatten womöglich tagelang am Bildschirm mitverfolgen – nicht nur den Anspruch und auch das Bedürfnis, dies anzuschauen und anzuhören, sondern auch den Anspruch, das letzte Wort zu ha ben. Dafür treten wir als SPD ein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Übrigens schließt das an unsere Überzeugung an, dass die re präsentative Demokratie durch mehr direktdemokratische Ele mente ergänzt – nicht ersetzt – werden sollte. Gemeinsame Anträge mit den Grünen liegen vor. Deshalb sage ich: Wir wollen über den Einzelfall hinaus die Bürgerinnen und Bür ger in Sachfragen stärker beteiligen, deshalb die Quoren sen ken und insgesamt Referenden im Land Baden-Württemberg erleichtern. Das ist einer Gesellschaft mündiger Bürger wür dig, und es ist eines Landes würdig, das das modernste Land in der Republik ist und deshalb auch die modernste Demokra tie braucht.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Machen Sie einmal eine Abstimmung zu der Frage, wer das Land in diese Situation ge bracht hat!)

Deshalb fordere ich Sie auf: Übernehmen Sie auch in dieser Frage Führungsverantwortung. Was Sie an juristischen Ein wänden vorgetragen haben, was Ihnen Ihre Gutachter vorge setzt haben, das ist alles nur vorgeschoben.

(Widerspruch bei der CDU)

Ich will jetzt nicht ein Oberseminar in Verfassungsrecht ab halten. Es sind letztlich politische Fragen, ob Sie die Men schen mitnehmen, ob Sie die Menschen in dieser Frage ent scheiden lassen oder ob Sie sich hinter Gutachten verschan zen, die schon längst widerlegt sind.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Was macht denn die SPD?)

Sie haben es in der Hand, die Menschen neu zu überzeugen. Sie müssen heute politisch entscheiden, ob Sie den Menschen das letzte Wort geben oder ob Sie dieses Großprojekt weiter hin mit der Brechstange, mit Wasserwerfern und mit Pfeffer spray durchhauen wollen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Jetzt hört es auf! – Unruhe)

Ich sage Ihnen, Herr Mappus, meine Herren von der CDU und der FDP/DVP: Wer gute Argumente hat, der braucht sich vor dem Volk nicht zu fürchten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie fürchten sich doch vor dem Volk!)

Ich biete Ihnen ein Aktionsbündnis für mehr Demokratie und für eine gute Verkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg an. Dafür steht die SPD, und dafür bitte ich um Ihre Unterstüt zung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, unter diesem Tagesordnungspunkt ist auch der Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/7099, mit aufgerufen.

In der Aussprache erteile ich Herrn Abg. Herrmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Schmid, die Diskussion über Stuttgart 21 spaltet nicht die Gesellschaft in diesem Land, son dern sie spaltet die SPD in diesem Land.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wir sind die Ge sellschaft! – Weitere Zurufe von der SPD)

Offenbar regen Sie sich über diese Aussage sehr auf, weil sie stimmt.

Es ist schon interessant, dass Sie im August dieses Jahres den Vorschlag gemacht haben, einen Volksentscheid herbeizufüh ren, einen Vorschlag, den Ihr Vordenker, Erhard Eppler, als Erster einbrachte.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Er hat wenigstens ei nen!)

Immer, wenn Eppler etwas eingebracht hat, hat die SPD deut lich Stimmen verloren. Das muss man auch sehen.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Wir haben Ihren Vorschlag ausgiebig prüfen lassen. Er ist ver fassungsrechtlich strittig und aus unserer Sicht verfassungs rechtlich unzulässig. Man muss sich einmal vergegenwärti gen, was Ihr Gutachter vorschlägt. Er schlägt vor: Die Lan desregierung bringt einen Gesetzentwurf im Landtag ein, der vorsieht: Baden-Württemberg steigt aus Stuttgart 21 aus.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein, aus den Verträ gen! Kostenverträgen!)

Das heißt, die Landesregierung muss einen Gesetzentwurf ein bringen, der etwas beinhaltet, was sie eigentlich nicht will.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja, das ist richtig!)

Das ist der Aufruf zum Rechtsmissbrauch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was?)

Artikel 60 Abs. 3 der Landesverfassung sieht dann die Mög lichkeit für eine Volksabstimmung vor, wenn es zu einem Konflikt zwischen der Landesregierung und der Landtags mehrheit kommt. Dieser Konflikt ist hier nicht gegeben.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Sehr richtig!)

Über Stuttgart 21 gibt es zahlreiche Falschmeldungen und wird teilweise einseitig berichtet. In einer solchen Situation würde doch von einigen Projektgegnern bewusst verbreitet,

(Oh-Rufe von der SPD)

die Landesregierung sei gegen das Projekt, sie habe ja ein Ausstiegsgesetz vorgelegt. Das muss man auch einmal deut lich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Zuruf des Abg. Jür gen Walter GRÜNE)

Zwei Gutachten – zum einen das des ehemaligen Bundesver fassungsrichters Professor Dr. Paul Kirchhof und zum ande ren das der beiden renommierten Rechtsanwälte Dr. KlausPeter Dolde und Dr. Winfried Porsch – kommen zu dem Er gebnis, dass eine Volksabstimmung zu diesem Thema in die sem Stadium und auf die von der SPD vorgeschlagene rechts missbräuchliche Weise unzulässig ist.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Lassen Sie mich neben dieser rechtlichen Beurteilung noch einige weitere Argumente anführen, die in dieser Frage und zu diesem Zeitpunkt gegen einen Volksentscheid sprechen.

Wir sind zum Vertrauensschutz gegenüber den Bauherren ver pflichtet. Diese haben auch einen Rechtsanspruch auf den Vollzug einer Baugenehmigung. Was für ein Signal gäben wir, wenn man bei Bauvorhaben nach der Genehmigung und nach zahlreichen Gerichtsentscheidungen alles wieder infrage stel len wollte? Andere würden sich darauf berufen. Das würde den Staat beschädigen, der 60 Jahre erfolgreich war, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wir sollten den Bürgern auch nicht Sand in die Augen streu en. Mit einem Volksentscheid erweckt man den Eindruck, ein Ausstieg sei machbar.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Ist er auch!)

Die SPD schreibt in ihrem Antrag, man müsse deutlich sagen,

dass ein Ausstieg mit erheblichen Kosten