Protocol of the Session on October 5, 2005

(Abg. Heike Dederer CDU: Sie haben den Gesetz- entwurf nicht gelesen!)

Das ist so nicht hinnehmbar. Meine Fraktion stellt nachher den Antrag, die Kommunen uneingeschränkt in den Geltungsbereich des Gesetzes aufzunehmen. Es darf nämlich im öffentlichen Dienst im Land keine Frauenförderung erster und zweiter Klasse geben.

(Beifall bei der SPD)

Frau Dederer, Sie wissen, dass das, was bei den Kommunen passiert, zweiter Klasse ist.

Für die Frauenverbände ist es auch völlig unverständlich, dass Sie ausgerechnet in der jetzigen Situation immer noch nicht bereit sind, hier etwas zu ändern. Sie kennen doch selbst den Unwillen in Sachen Frauenförderung, vor allem bei den Kreisverwaltungen. Nach zehn Jahren gibt es immer noch genug Kreise, die keinen Frauenförderplan aufgestellt haben. Wenn Sie wissen, dass etwas zehn Jahre nicht funktioniert, woher nehmen Sie dann die Hoffnung, dass es in Zukunft klappt?

(Abg. Alfred Haas CDU: Bewusstseinsänderung!)

Entweder ist die Landesregierung hier schlicht lernunfähig, oder – schlimmer noch – sie will eben nicht, dass die Frauenförderung in der Kommunalverwaltung tatsächlich vorankommt.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist doch nicht wahr! – Abg. Heike Dederer CDU: Quatsch!)

Ein weiterer Kritikpunkt von unserer Seite ist, dass Sie den Zeitraum für die Gültigkeit eines Chancengleichheitsplans auf fünf Jahre verlängern wollen. Unserer Meinung nach ist eine vernünftige Planung so nicht möglich. Wir beantragen nachher, diesen Zeitraum auf zwei Jahre zu verkürzen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Ein Jahr wäre noch bes- ser!)

Vielleicht haben Sie Recht, Herr Haas.

(Abg. Heike Dederer CDU: Ja, genau! So viel zum Thema Bürokratieabbau!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einer der zentralen Kritikpunkte ist, dass die durch die Verwaltungsreform geschaffenen Strukturen nicht entsprechend berücksichtigt wurden. Die CDU-Frauenpolitikerinnen haben ja seinerzeit selber erhebliche Nachteile für die Frauen festgestellt. Allerdings sucht man jetzt vergeblich eine Verbesserung im Gesetz. Deshalb ist es unserer Meinung nach dringend notwendig, zumindest für die eingegliederten Sonderbereiche Polizei und Schule eine Nachbesserung vorzunehmen

(Abg. Alfred Haas CDU: Schule, Schule!)

und die Rechte der neu geschaffenen Beraterinnen – wenn man schon diesen Bereichen keine eigenen Chancengleichheitsbeauftragten zugesteht – auszuweiten.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Es ist für uns wirklich ein Treppenwitz, dass, wie im Entwurf vorgesehen, die Zielvorgaben nur bei Einstellung und nicht auch bei Beförderung gelten. Frau Lichy, Sie wissen ja auch, dass eine Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen nur möglich ist, wenn man bei den Beförderungen ansetzt. Was nützen Zielvorgaben bei Einstellungen, wenn es in den nächsten Jahren kaum Einstellungen geben wird? Deshalb muss meiner Meinung nach diese halbherzige Formulierung heute vom Tisch.

(Beifall bei der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Das ist gut, ja! – Abg. Heike Dederer CDU: Machen Sie das einmal an konkreten Beispielen fest!)

Ich fasse zusammen: Der Gesetzentwurf bringt keinen Fortschritt. Baden-Württemberg zementiert mit ihm lediglich seine Schlusslichtposition in der Frauenpolitik.

(Abg. Alfred Haas CDU: Oje!)

Dieser Gesetzentwurf dokumentiert die politische Schwäche und die Einflusslosigkeit der CDU-Frauenpolitikerinnen, denen es nicht gelungen ist, ihrer Kritik wirklich Taten folgen zu lassen.

(Abg. Braun SPD: So ist es!)

Meine Fraktion wird deshalb in der Schlussabstimmung diesen Entwurf ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Zurufe der Abg. Heike Dederer und Pauli CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Götting.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Durch das Chancengleichheitsgesetz werden die Chancen für Frauen im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg und die positive Entwicklung der vergangenen Jahre weiter unterstützt und gefördert.

Um an ein Ziel zu kommen, muss man sich auf den Weg machen. Ich bin der Meinung, dass wir auf einem guten Weg sind. Dies belegt auch der zweite Bilanzbericht der Landesregierung zum Landesgleichstellungsgesetz. Die vorgelegten Zahlen zeigen ganz deutlich, dass der Frauenanteil im öffentlichen Dienst, gerade auch im gehobenen und höheren Dienst, kontinuierlich gestiegen ist. Dies ist erfreulich, wenn auch eine gleiche Teilhabe an Führungspositionen noch nicht erreicht ist.

Vor allem dort, wo es ein Defizit an Frauen in Führungspositionen gibt, müssen – da sind wir uns alle einig – Frauen auch in Zukunft weiter gefördert werden. Das Chancengleichheitsgesetz bietet hierfür die rechtliche Grundlage.

Auch und gerade – und das ist uns besonders wichtig – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer ist ein zentrales Anliegen des Gesetzes, dem durch verbesserte Rahmenbedingungen für Mütter und Väter, etwa durch Teilzeit- und Telearbeitsplätze, Rechnung getragen

wird. So wird ermöglicht, Familie und Beruf zu verbinden, ohne einen Karriereknick hinnehmen zu müssen.

Gerade auch Männern bietet dieses Gesetz die Chance, sich mehr in die Familie einzubringen und am Heranwachsen der eigenen Kinder teilzuhaben. Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Männer ist im Erhebungszeitraum des Bilanzberichts um 25 % gestiegen. Ich finde, das ist eine erfreuliche Entwicklung. Das Gesetz ermöglicht Frauen und Männern eine Lebensplanung, in der die Familie und die berufliche Weiterentwicklung gleichermaßen ihren Platz haben. Dazu trägt bei, dass Teilzeitbeschäftigten die gleichen Aufstiegschancen wie Vollzeitbeschäftigten eingeräumt werden. Meine Damen und Herren, das halte ich für extrem wichtig. Wir sind auch dabei, das durchzuziehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Die Umsetzung des Verfassungsauftrags nach Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes, gleiche berufliche Chancen für Männer und Frauen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gleiche Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen sind Ziele, die durch das neue Chancengleichheitsgesetz gefördert und vorangetrieben werden. Es bildet eine gute Basis, um diese bedeutenden gesellschaftspolitischen und frauenpolitischen Forderungen zu realisieren.

Die FDP/DVP-Fraktion stimmt dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf daher zu.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Lösch.

(Abg. Heike Dederer CDU: Erinnert mich irgend- wie an Rezzo Schlauch: Frauenpolitik interessiert keine Sau!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter Lesung das neue Chancengleichheitsgesetz. Im Sozialausschuss hat die CDU-Fraktion zwei Änderungsanträge gestellt, denen wir zugestimmt haben.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: CDU und FDP/DVP! Das waren gemeinsame Anträge!)

Trotzdem werden wir dem Chancengleichheitsgesetz insgesamt nicht zustimmen.

Die Änderungsanträge der CDU brachten zwar eine geringfügige Verbesserung, gehen aber an zentralen Punkten, an denen Nachbesserungsbedarf besteht, komplett vorbei. Der Ergänzung von § 3 Abs. 1 Nr. 5 – „den Südwestrundfunk dem Sinne nach“ – konnten wir zustimmen, da dies bedeutet, dass der SWR nach wie vor in eigener Verantwortung seinen eigenen Frauenförderplan umsetzen kann. Dieser sieht übrigens vor, den Chancengleichheitsplan alle vier Jahre und nicht, wie künftig im Gesetz vorgeschrieben ist, alle fünf Jahre fortzuschreiben.

Der zweite Änderungsantrag der CDU-Fraktion war identisch mit einem Änderungsantrag der Grünen, den wir im

Sozialausschuss eingebracht haben. Sie erinnern sich, dass ich schon bei der ersten Lesung folgenden Halbsatz als eine der größten Skurrilitäten im Gesetzentwurf beschrieben habe: „und soweit an der Personalauswahlentscheidung nicht mindestens eine weibliche Person beteiligt ist“. Dieser Halbsatz ist Gott sei Dank gestrichen worden. Dies wäre eine Entwertung der Fachkompetenz der Chancengleichheitsbeauftragten gewesen, da Geschlecht allein noch keine Qualifikation darstellt.

(Abg. Röhm CDU: Nein?)

Es ist erfreulich, dass die CDU die Kritik der Frauenvertreterinnen an diesem Punkt aufgenommen hat. Unverständlich ist jedoch, dass sie die seit Jahren von Frauenvertreterinnen geäußerte Kritik an eigentlich zentralen Punkten nicht beachtet hat.

Punkt 1: Nach wie vor ist der eingeengte Geltungsbereich des Chancengleichheitsgesetzes einer der größten Schwachpunkte des Gesetzes. Im Bundesvergleich liegt der Ausnahmenkatalog mit seinem Umfang an der Spitze. Es ist nicht einzusehen, warum für bundesweit agierende Krankenkassen und Rentenversicherungsträger das Bundesgleichstellungsgesetz gilt, rein landesweit tätige Kassen und Rentenversicherungsträger in Baden-Württemberg aber zu keiner aktiven Frauenförderung verpflichtet sind.

Auch die Einbeziehung des kommunalen Bereichs ist halbherzig. Die Kommunen werden zwar in § 23 verpflichtet, ihre Aufgabe der verfassungsrechtlich gebotenen Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern wahrzunehmen, die Erstellung von Chancengleichheitsplänen der Kommunen bleibt nach dem Gesetzentwurf jedoch weiterhin eine Sollaufgabe und keine Pflichtaufgabe.

(Abg. Heike Dederer CDU: Kommunale Selbstver- waltung!)

Ich habe bei der ersten Lesung die Zahlen genannt: Nur ein Drittel der Gemeinden und lediglich 18 Landkreise haben bisher diese freiwillige Leistung erfüllt. Wenn Kommunen die freiwilligen Leistungen nicht erfüllen, egal ob beim Kindergartengesetz oder bei der Frauenförderung, dann kann das Land daraus auch eine Pflichtaufgabe machen.