Jugend- und Medienschutz ist in aller Munde. Wir haben gemeinsam den Staatsvertrag dahin gehend geändert, dass man zunächst einmal die Rahmenbedingungen für eine Medienkontrolle effizienter und transparenter macht. Wir haben die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Trägermedien und für die Onlinemedien zusammengefasst und vereinheitlicht, wohl wissend, dass das heute nicht mehr nur das Fernsehen betrifft. Es gibt Medienträger in einer ganz, ganz großen Vielzahl, nicht mehr nur das Fernsehen, sondern – Kollege Walter hat es aufgezählt – alles, was da mitspielt.
Ich denke, man sollte all das, was an Möglichkeiten der Selbstkontrolle geschaffen ist, und die Selbstkontrolle der Inhalteanbieter wirklich kritisch weiter beobachten.
Ich will im Moment noch nicht zu einer abschließenden Bewertung kommen, aber ich denke, das Zusammenspiel könnte noch besser werden. Wir müssen in jedem Fall evaluieren, was da möglich ist, was der Staatsvertrag will, was die Politik vorgibt und was die Wirklichkeit dann daraus macht, ob die Inhalteanbieter wirklich das umsetzen, was
Es gibt im Übrigen viele Baustellen, wo wir dieses Thema behandeln müssen. Es ist das Stichwort von der Fernsehrichtlinie der Europäischen Union gefallen. Das, was dort im Mittelpunkt des Streits steht, nämlich ob Werbung künftig im Grunde mit den Inhalten verbunden werden darf, hat in der Tat mit der Frage zu tun, ob ich wiederum ein Tor aufmache und damit noch weitere unkontrollierte Sendeinhalte zulasse. Wir haben uns positioniert. Wir sagen: Werbung muss von den übrigen Sendungen sauber getrennt sein. Selbst den neuen Vorschlag, der von den Ländern auf den Tisch gekommen ist, dass man Werbung zumindest von Informationssendungen getrennt hält und bei Unterhaltungssendungen vielleicht zulässt, würde ich kritisch hinterfragen. Ich kann mich dazu noch nicht durchringen.
Man könnte noch zig solcher Baustellen anführen, aber immer wieder – der Kollege Theurer hat es angesprochen – stellt sich die Frage: Wie weit darf staatliche Fernsehkontrolle gehen? Wir dürfen da keinen Sand in die Augen streuen. Wir leben in einer freiheitlichen Gesellschaft. Deswegen soll man die anderen Bereiche aufzeigen, die noch möglich wären.
Ganz wichtig ist natürlich, dass wir mit denen zusammenarbeiten, die Einfluss auf Kinder nehmen können. Das sind die Eltern, die Schule und dann die Medien selbst. Die Schule kann zunächst einmal das vermitteln, was in der heutigen Medienvielfalt wichtig ist: Wissen, Kultur, Techniken. Dann kann man im Unterricht über das aufklären, was Medien im Inhalt bedeuten. Man kann Einsatz und Behandlung der Medien im Unterricht erklären. Man kann sicherlich zeigen, dass informationstechnische Grundbildung wichtig ist, dass man Computer für Fachliches nutzen und damit Wertvolles tun kann. Man kann aber gleichzeitig zeigen, wo Medien schaden. Man kann etwa im Gemeinschaftskundeunterricht einfach zeigen, was Medienkompetenz bedeutet, und dann Punkt für Punkt die Medienkompetenz bei den Kindern wachsen lassen.
Ich rede gerne von der Rolle der Eltern. Wenn man selbst Kinder hat, weiß man, wie schwierig diese Elternrolle wahrzunehmen ist. Deswegen bin ich der Letzte, der gleich mit der Elternrolle beginnt, denn es ist ganz schwer, das umzusetzen.
Empirische Untersuchungen sagen: Fangt damit an, dass ihr dem Kind nicht gleich einen Fernsehapparat ins Zimmer stellt. Da kann ich Löbliches berichten. Meine Kinder hatten kein Fernsehgerät im Zimmer. Es wäre wirklich ein dringender Appell, dass alle Eltern den Rat berücksichtigen, Kindern kein eigenes Fernsehgerät ins Zimmer zu stellen.
Darüber hinaus können die Eltern begleiten. Elterliche Kontrolle muss eingefordert werden. Das geht gar nicht anders. Eltern haben Einfluss, und Eltern sollten diesen Einfluss auch bei der Medienfrage nutzen. Man kann Medienkonsum durchaus kontrollieren. Man ist da den Wünschen der Kinder nicht hilflos ausgeliefert. Auf der anderen Seite muss man – das wurde vom Kollegen Walter auch angesprochen – immer dazu ermuntern, andere Freizeitangebote
anzunehmen. Je mehr die Kreativität nachlässt, desto mehr geht es hinüber zum Medienkonsum mit all den bitteren Folgen, die beschrieben worden sind.
Ich kann nur an die Eltern appellieren, dass sie die Elternabende, die von den Schulen angeboten werden, auch wirklich schultern und sich das aneignen, was notwendig ist, um zu Hause Medienerziehung durchführen zu können.
Das Land Baden-Württemberg hat insbesondere dort angesetzt, wo unser Haupteinflussbereich ist, nämlich bei der Schule. Über 50 Millionen € sind in die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte geflossen. Ich sage ausdrücklich: Man kann nicht alles auf die Schulen abladen, aber in der Tat können die Lehrkräfte im Unterricht natürlich in vielfältigster Weise auf die Kinder einwirken.
Dies alles muss ein Paket sein. Ich warne allerdings – weil ich diese Überschrift auch kenne – davor, allein mit der sicherlich interessanten Headline „Fernsehen und Computerspiele machen Kinder dick, krank, dumm und traurig“ anzutreten. Damit wird man der Medienwelt an sich nicht mehr gerecht. Das ist schon überholt. Man muss da viel differenzierter herangehen.
Also kurzum, es ist eine Herausforderung, die nicht mit dieser Debatte endet. Sie muss laufend fortgesetzt werden. Da ist es gut, wenn sich das Parlament regelmäßig damit beschäftigt.
(Abg. Walter GRÜNE: Jetzt, wo es um die Medien geht, redet Herr Pauli nicht! – Gegenruf des Abg. Herrmann CDU: Wir haben noch mehr Abgeordne- te!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Von allen Rednern ist gesagt worden, dies sei eine notwendige Debatte. Sie ist erstens deswegen notwendig, weil wir es mit einem massiven Problem zu tun haben und weil die Politik selbst dann, wenn sie noch nicht die Rezepte zum Handeln hat, jedenfalls die Aufgabe der Thematisierung hat. Das leisten wir hier.
Das sollten wir ganz nüchtern sehen, und wir sollten all denjenigen in der wissenschaftlichen Forschung dankbar sein, die uns zur Diagnose befähigen. Vieles von dem, was gesagt worden ist, muss man nicht wiederholen. Die Ausführungen von Herrn Professor Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut in Niedersachsen, die Herr Bayer vorgetragen hat, kann ich nur unterstreichen. Die Ergebnisse sind so, wie sie Kollege Bayer wiedergegeben hat, und wir werden auf diesem Gebiet noch weitere Forschungen anstellen müssen.
Gleichzeitig müssen wir aber auch sagen: Wir haben eine gewisse Hilflosigkeit, eine gewisse Hilflosigkeit deswegen, weil es sich um ein Problem in den Wohnzimmern und Kinderzimmern unserer Familien handelt.
An diesen Bereich können bzw. wollen wir nur bedingt herankommen, aber in dieser Frage muss zu gleicher Zeit etwas geschehen. Das ist das Dilemma, vor dem wir stehen.
Die Debatte ist auch deswegen sinnvoll, weil sie in einer erfreulichen Weise praktisch eine Übereinstimmung unter allen vier Fraktionen gezeigt hat. Dieses Thema eignet sich nicht zur parteipolitischen Profilierung. Ich kann eigentlich auch alles unterstreichen, was die Vertreter der Oppositionsparteien, Herr Kollege Walter und Herr Kollege Bayer, gesagt haben, vielleicht mit zwei kleinen Ausnahmen.
Die erste Ausnahme bezieht sich auf die Aussage, dass wir für die Kommerzialisierung des Fernsehens verantwortlich wären. Dazu will ich nur sagen: Das ist, ob man es begrüßt oder nicht, ein weltweiter technischer und unter freiheitlichen Gesichtspunkten einheitlicher medienpolitischer Prozess, den wir natürlich nicht hätten aufhalten können.
Zweitens: Den Gedanken, dass die Ganztagsschule – über die ich mich im Übrigen jetzt hier nicht äußern will – für das hier angesprochene Problem eine Lösung wäre,
Denn wir müssen eines feststellen: Es geht nicht um die Frage, was in der Schulzeit passiert, und nicht darum, dass wir sozusagen deswegen, weil wir ein Problem mit der Zeit außerhalb der Schule haben, die Schulzeit ständig verlängern müssten. Vielmehr geht es darum, dass das, was zu Hause passiert, anders werden muss, als wir es bisher erleben.
Meine Damen und Herren, ich will – weil das vielleicht noch nicht in der Ausführlichkeit behandelt worden ist, die es verdient hat – in der Diagnose noch einmal – –
(Abg. Bayer SPD meldet sich zu einer Zwischen- frage. – Abg. Ursula Haußmann SPD: Er meldet sich! – Heiterkeit – Glocke des Präsidenten)
Herr Kollege Müller, wären Sie so freundlich, mir Ihre Einschätzung zu folgendem Zitat mitzuteilen, das aus einem Interview mit Herrn Professor Pfeiffer stammt – ich glaube, vom November letzten Jahres –, in dem er diese Studie vorgestellt hat:
14 Uhr, niemand zu Hause. Die machen sich das Essen warm und setzen sich vor ihre Playstation. Dieses Leben würde ja schon vermieden werden, wenn der Staat endlich seine Verantwortung wahrnimmt und auf die moderne Zeit reagiert, indem er nachmittags die Kinder voll versorgt mit tollen, faszinierenden Angeboten, was ihrer Bewegungsarmut entgegenwirkt, was ihnen soziale Kompetenz vermittelt und Spielfreude fördert. Dann wird es dieses Übergewicht des Computerspielens nicht mehr geben. Ich
setze daher in erster Linie darauf, dass der Staat auf diese moderne Kinder- und Jugendwelt reagiert, indem er Ganztagsschulen für alle flächendeckend organisiert.
Herr Kollege Bayer, ich nehme ein Zitat vorweg als Antwort auf das Zitat, das Sie angeführt haben. Ich zitiere den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfamilienministerium aus dem Jahr 2002, also aus der Zeit eines Bundesfamilienministeriums unter Führung der SPD.