Protocol of the Session on July 27, 2005

(Beifall bei der SPD – Abg. Fleischer CDU: Sie sa- gen die Unwahrheit!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beantragen zusammen mit der sozialdemokratischen Fraktion aus folgenden Gründen einen Untersuchungsausschuss:

Erstens: Die Landesregierung hat den Eindruck erweckt, sie sei an den Verhandlungen nicht beteiligt gewesen. Sie hat

sich sowohl in einer Landtagsdebatte als auch öffentlich quasi als Opfer dieser Vorgänge dargestellt.

(Abg. Fleischer CDU: Stimmt doch nicht!)

In Wirklichkeit ist es so, und das muss jetzt genau untersucht werden: Die Landesregierung hat nach unserer Auffassung nach Aktenlage bei der Abwerbung der Messe Sinsheim aktiv Regie geführt. Zwar war sie nicht selber auf der Bühne und bei den letzten Verhandlungen dabei, sie hat also nicht oben Theater gespielt. Aber sie hat hinter den Kulissen klar Regie geführt und diese Abwerbung aktiv betrieben. Sie, Herr Wirtschaftsminister, haben dagegen den Eindruck erweckt, als seien Sie an den Verhandlungen gar nicht beteiligt gewesen und hätten lediglich in der Aufsichtsratssitzung dem Ergebnis zustimmen müssen. Das ist der erste Punkt, den es zu klären gilt.

Zweitens: Der Landesregierung war jederzeit bewusst, welche landespolitische Bedeutung die Abwerbung der Messe Sinsheim hat und was die Abwerbung für den Standort Sinsheim bedeutet. Sie hat aber die Abwerbung ganz bewusst in Kauf genommen. Auch dies wird es im Untersuchungsausschuss zu belegen gelten.

Drittens: Die Landesregierung hat die alte Struktur der SMK genutzt, um über die Stadt Stuttgart diese landespolitisch strittige Angelegenheit nach Vorstellung der Landesregierung noch in der alten SMK erledigen zu lassen. Die Ausrede, dass das Land zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen nur stiller Gesellschafter der SMK gewesen sei und daher keinen Einfluss gehabt hätte, haben Sie erst erfunden, als die Situation schon brenzlig war.

Viertens wird die Rolle des Wirtschaftsministers zu klären sein. Nach dem, was wir bisher gesehen haben, hat sich das Wirtschaftsministerium als reine Staffage erwiesen. Es ist gar nicht wirklich aktiv beteiligt gewesen.

(Abg. Fleischer CDU: Was gilt jetzt? – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja was denn jetzt? Haben sie abge- worben oder nicht?)

Ja, die Landesregierung. Ich habe von der Landesregierung gesprochen, Herr Kollege Noll.

Auch unsere Forderung, dass das Wirtschaftsministerium gar keine wirklichen Kompetenzen und in einer so entscheidenden Frage gar nichts zu sagen hat

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ich denke, die Landesre- gierung soll sich heraushalten!)

und deswegen aufgelöst werden kann, wird zu bestätigen sein.

(Beifall bei den Grünen)

Fünftens ist zu klären, welche Rolle Ministerpräsident Oettinger spielte, was er wirklich wusste. Und wenn er es nicht wusste, was er ja in der Öffentlichkeit gesagt hat, sondern er erst während der Autofahrt von der „Katastrophe“ gelesen hat, dann muss man allerdings klären, welche Zustände im Staatsministerium herrschen.

(Abg. Fleischer CDU: Das hätten Sie schlicht und einfach im Wirtschaftsausschuss erfahren können! Ihr seid so Wahlkämpfer!)

Sechstens wird zu klären sein, dass die Landesregierung gegenüber dem Landeshaushaltsrecht eine laxe Einstellung gezeigt und öffentliche Gelder verschwendet hat. Das Land zahlt über seine hälftige Beteiligung an der SMK mindestens die Hälfte der Abwerbesumme von gut 7 Millionen € an Schall. Es erlässt zugleich der SMK 7,5 Millionen €, die dem Land nach den Rückforderungen wegen der Förderung des Killesbergs zustünden, also merkwürdigerweise dieselbe Summe.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Das ist also ein absurder Kreislauf.

Zugleich zeigt der Fall Sinsheim die Verschwendung der ganzen Spirale der Subventionspolitik auf. Wir werden zu klären haben, wie diese Geschäfte gelaufen sind und wie sie weiter verlaufen. Es stehen ja gegenüber dem Unternehmen Layher wohl noch Forderungen in zweistelliger Millionenhöhe zur Debatte.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Seitens der Firma höchstens, nicht gegenüber!)

Es wird zu klären sein, wie die Landesregierung in dieser Angelegenheit operiert hat.

Schließlich hat sich die Landesregierung bisher durch nichts darauf festgelegt, dass ein Messeraub zugunsten Stuttgarts in Zukunft unterbunden wird und unterbunden werden kann.

(Abg. Seimetz CDU: Was soll dieser Begriff? – Abg. Fleischer CDU: Wissen Sie, dass Sie gerade einen strafrechtlich relevanten Begriff verwandt ha- ben?)

Auch das wird zu klären sein.

Insgesamt ist wohl klar: Die Behauptungen, die wir aufgestellt haben, können wir, wenn wir korrekt verfahren – die Akteneinsicht erfolgte ja vertraulich –, überhaupt nur verifizieren, wenn wir zum Instrument des Untersuchungsausschusses greifen, um damit der Öffentlichkeit klar machen zu können – durch die vom Untersuchungsausschuss vorgesehenen Verfahren –, was in Wirklichkeit gelaufen ist, ob unsere Behauptungen stimmen oder nicht.

(Abg. Fleischer CDU: Genau das stimmt nicht! Das wäre einfacher möglich gewesen!)

Deswegen sind wir gezwungen, zu diesem Instrument des Untersuchungsausschusses zu greifen. Sie haben in einer zentralen Forderung das Parlament in die Irre geführt oder dies zumindest versucht. Sie haben nämlich versucht, sich als Opfer und nicht als Täter darzustellen. In Wirklichkeit haben Sie beim Plattmachen einer Regionalmesse Regie geführt. Ich glaube, dass es sich dabei um einen bedeutsamen landespolitischen Vorgang handelt,

(Abg. Dr. Birk CDU: Sie haben eine Fata Morga- na!)

der genau untersucht werden muss.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Birk CDU: Sommerfieber, das der hat!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Mappus.

(Abg. Walter GRÜNE: Kaum im Amt und schon einen Untersuchungsausschuss!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine gute parlamentarische Tradition, die sich aus der geschichtlichen Entwicklung Deutschlands ergibt,

(Abg. Zeller SPD: Keine Geschichtsklitterung!)

dass die Opposition Minderheitenrechte hat, dass sie mit Minderheit einen Untersuchungsausschuss einsetzen kann. Das ist auch gut so. Es ist aber auch eine parlamentarische Tradition, dass man parlamentarische Rechte, insbesondere parlamentarische Minderheitsrechte, nicht missbraucht.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Da kennen Sie sich ja aus!)

Wir haben in der letzten Woche einen interfraktionellen Antrag mitgetragen – wahrscheinlich für Sie so überraschend, dass Sie zunächst einmal gar nicht wussten, wie Ihnen geschah.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: So ist es!)

Wir wollten von Anfang an die Aufklärung. Wir haben deshalb die ursprünglich für morgen geplante Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses vorgezogen, damit heute in der Mittagspause der Plenarsitzung die Fakten offen auf den Tisch gelegt werden sollten.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Sehr wahr! – Abg. Schmid SPD: In nichtöffentlicher Sitzung!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich ein Stück weit bereits vorab verraten haben, dann doch dadurch, dass Sie einen Tag, bevor diese Ausschusssitzung überhaupt stattfinden sollte, bereits einen Untersuchungsausschuss beantragt haben, weil Sie gesagt haben: Wir wollen gar nicht wissen, was am Mittwoch in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses herauskommt, weil dann im Zweifel gar kein Grund mehr besteht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Das ist doch Ihr Problem.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Ab und zu, Herr Kollege Drexler, sollte man einmal Fakten zu Wort kommen lassen. Im Übrigen – dies gilt umso mehr für einen ehemaligen Amtsanwalt – sollten Begriffe wie „Messeraub“,

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Raub der Sabi- nerinnen!)

„Komplize“, „Anstifter“ – also eine glatte Vorverurteilung –

(Abg. Fleischer CDU: Pfui Teufel!)

nicht in einen Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses aufgenommen werden.