Protocol of the Session on July 27, 2005

Wir hatten von Anfang an Bedenken im Hinblick auf Artikel 3 des Grundgesetzes. Dies hängt mit dem bestehenden Rechtszustand zusammen. Wir haben schon jetzt unterschiedliche Regelungen, die historisch gewachsen sind, für die badischen und für die württembergischen Notare. Diese Zersplitterung der rechtlichen Regelungen findet ihre Fortsetzung im Gebührenrecht und wird uns wahrscheinlich auch in Zukunft weiter beschäftigen, zumal wir – Herr Dr. Schüle hat zu Recht darauf hingewiesen – noch nicht genau wissen, was im Hinblick auf das Europarecht noch auf uns zukommen kann. Wenn sich die Auffassung durchsetzt, dass allein die Gebührenerhebung durch Beamte schon problematisch sein könnte, werden uns noch gravierende Änderungen bevorstehen. Herr Justizminister, Sie haben ebenfalls darauf hingewiesen.

Gleichwohl ist natürlich eines zu beachten und aus unserer Sicht besonders problematisch: Die gebührenrechtlichen Regelungen lassen sich nicht von der grundsätzlichen Frage trennen, wohin die Reise im Notarwesen geht. Geht sie in Richtung Vollprivatisierung? Dies hat vor allem die FDP/ DVP vertreten. Ich erinnere an die Ausführungen von Frau Berroth beim letzten Württembergischen Notartag, wo sie sehr stark Akzente in diese Richtung gesetzt hat. In derselben Veranstaltung hat Herr Mack von der CDU-Fraktion sozusagen eine Bestandsgarantie für das württembergische Bezirksnotariat abgegeben.

(Abg. Dr. Birk CDU: Der weiß, wovon er spricht!)

Herr Dr. Birk, das mag ja so sein. Wir bewegen uns allerdings in diesem Spannungsfeld. Diese Gegensätzlichkeit setzt sich auch fort und wird besonders im Hinblick auf europäische Vorgaben problematisch. Wie man diesen gordischen Knoten lösen wird, wird sich zeigen. Das Justizministerium ist hier weiter gefordert.

Jetzt wurde ja die Bundesnotarordnung geändert, damit in Baden 25 freie Notarstellen geschaffen werden können. Das Gesetz selbst geht ja viel weiter. Es ermächtigt generell zur Privatisierung des Notariats in Baden in dieser Richtung. – Herr Mack, Sie schütteln den Kopf.

Die 25 Notariate beruhen ja auf einer Koalitionsvereinbarung. Der rechtliche Rahmen geht jedenfalls viel weiter. Die Koalition wird sich irgendwann einmal entscheiden müssen, was sie eigentlich will, ob sie voll in die Privatisierung gehen oder die bisherigen zersplitterten Rechtszustände aufrechterhalten will.

Ich muss dazu sagen: Dabei sind CDU und FDP/DVP noch so weit auseinander wie Nordpol und Südpol. Solange dies so ist, werden wir auch im Gebührenrecht die Probleme in absehbarer Zeit nicht dauerhaft und zuverlässig lösen können.

Vor diesem Hintergrund, wegen dieser Dimension des Notariatswesens und angesichts der Frage, wohin insgesamt die Reise geht, werden wir uns, auch wenn wir einzelne Regelungen in diesem Gesetz durchaus für notwendig und sinnvoll erachten, heute der Stimme enthalten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erhält Herr Abg. Theurer.

(Abg. Schmiedel SPD: Jetzt kommt der Nordpol! – Abg. Rückert CDU: Nord- und Südpol!)

Projekt Südwind.

(Abg. Mack CDU: Nordwind!)

Oder Nordwind, Herr Kollege Mack.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Projekt Mond!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verabschiedung des neuen Landesjustizkostengesetzes ist dringend überfällig. Wenn heute hier kein stringenter Gesetzentwurf verabschiedet werden kann, dann liegt dies – und das habe ich im Ständigen Ausschuss bereits für die FDP/DVP-Landtagsfraktion erläutert – an der Tatsache, dass wir in Baden-Württemberg immer noch ein zweigeteiltes Rechtsgebiet haben. Das Notarwesen ist in Baden anders als in Württemberg organisiert. Insgesamt unterscheiden wir uns mit diesen Regelungen von der gesamten Bundesrepublik Deutschland und mittlerweile auch von allen anderen europäischen Mitgliedsstaaten.

(Abg. Herrmann CDU: Es funktioniert aber trotz- dem!)

Wer dies beklagt, meine Damen und Herren, der hätte im Zuge der großen Justizreform die Chance gehabt, dies zu ändern.

(Zuruf des Abg. Mack CDU – Abg. Oelmayer GRÜNE: Was für eine große Justizreform?)

Hier gab es in allen Fraktionen des Hauses aus fiskalischen Gründen Bedenken, weil dann Einnahmen in Millionenhöhe für den Landeshaushalt verloren gegangen wären. Das sind Fakten, an denen man nicht so einfach vorbeikommt. Nun kommt über die europäische Ebene eine Regelung herein, die ebenfalls zu Einnahmeausfällen beim Land Baden-Württemberg führen wird.

Die Frage ist einfach, ob in Zukunft möglicherweise der für den Landeshaushalt negative Fall eintreten wird, dass die Gebühren ganz ausfallen werden – da war man sich einig, dass man das nicht will –, ohne dass wir die bisher beamteten, die bisher beim Staat angestellten Notare in ein freies Notariat überführen können. Diese Problematik kann mit diesem hier vorliegenden Gesetzentwurf natürlich nicht gelöst werden. Dazu hätte man im Zuge der großen Justizreform einen anderen Weg gehen müssen, der zumindest kurzfristig zu Millionenausfällen im Gebührenbereich ge

führt hätte, der aber andererseits mittelfristig, langfristig eine Entlastung der Pensionsleistungen des Landes mit sich gebracht hätte, wenn man die Notare nach bayerischem oder rheinland-pfälzischem Modell in eine Notarkasse überführt hätte. Dies hat man nicht getan. Also bleibt die Spaltung in ein badisches und ein württembergisches Rechtsgebiet.

In beiden Landesteilen leisten – mir ist wichtig, dies für die FDP/DVP-Landtagsfraktion zu unterstreichen – die Notare sehr gute Arbeit. Im badischen Landesteil besteht eine Unterversorgung. Diese soll durch die Zulassung von 25 NurNotaren beendet werden, sodass der „Notartourismus“ aufhört.

Wir nehmen mit diesen Regelungen nun eine Veränderung vor, die die gebührenrechtliche Seite europarechtlich absichert. Wir hoffen, dass das dann auch die nächsten Jahre halten wird. Dies wird zu einer Verbesserung der durchschnittlichen Gebühreneinnahmen der badischen Notare von heute rund 27 000 € auf dann im Durchschnitt über 40 000 € führen. Das heißt, die badischen Notare dürften oder müssten eigentlich nach der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs jubeln.

Auch die Einnahmen der württembergischen Amtsnotare, Bezirksnotare werden sich von rund 24 000 € auf dann etwa rund 28 000 €, also nicht so stark wie bei den badischen Notaren, verbessern. Man sieht auch die Diskrepanz. Das hängt auch mit dem Aufgabenspektrum der Notare zusammen, das ja im württembergischen Landesteil anders ist als im badischen Landesteil.

Trotzdem werden wir vermutlich erleben, dass es vonseiten der Notarverbände keine ungeteilte Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf gibt. Wir wissen, dass vor allem der Badische Notarverein gern den Übergang in ein freiberufliches Notariatswesen hätte. Der Württembergische Notarverein möchte sich dem nicht gänzlich verschließen. Aber dort gibt es auch viele Notare, die an der bisherigen Regelung festhalten wollen.

Wir haben als Landesgesetzgeber das Problem, meine Damen und Herren, dass wir diese Zweiteilung des Rechtsgebiets bisher nicht aufheben konnten, obwohl auch Rechtspolitiker der CDU-Fraktion in diesem Haus – ich erinnere an die Ausführungen des damaligen Fraktionsvorsitzenden Oettinger beim Rechtstag der CDU – eigentlich einer Meinung sind: dass in Zukunft – jedenfalls langfristig gesehen – der Übergang zu einem freien Notariatswesen wahrscheinlich der richtige Weg sein wird.

Hier können wir das nicht lösen, meine Damen und Herren. Das heißt also, es wird im System versucht, die europarechtliche Vorgabe umzusetzen. Das führt dann zu einer relativ komplizierten Regelung. Sie ist trotzdem dringend erforderlich.

Wir hoffen auch, dass jetzt das neue Landesjustizkostengesetz verabschiedet wird. Denn in jedem Monat, in dem es noch nicht in Kraft getreten ist, entstehen Mindereinnahmen beim Land von etwa 400 000 €. Das ist etwas, was wir uns angesichts der schlechten Haushaltslage im Grunde genommen schon lange nicht mehr leisten können.

Abschließend bemerkt, sind wir froh, dass es uns gelungen ist, durch den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP die Gebührenfreiheit für die Kirchen und auch für die Städte und Gemeinden wieder im Landesjustizkostengesetz zu verankern.

Die FDP/DVP-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Oelmayer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz zur Änderung des Landesjustizkostengesetzes und des Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit ist eine selten komplexe Materie, die durch den umfangreichen und aus rechtlicher Sicht sicherlich erforderlichen Änderungsantrag zu den Beratungen im Ständigen Ausschuss nicht einfacher geworden ist. Allein die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens zeigt uns, dass wir es im Bereich des Notariatswesens in Baden-Württemberg mit einer komplexen Materie zu tun haben.

Ich darf aus unserer Sicht kurz noch zwei Punkte benennen.

Zunächst geht es um die Einführung der Gebührengläubigerschaft. Hier wurde das Notwendige schon gesagt. Da kann ich mich im Prinzip den Ausführungen des Kollegen Stickelberger anschließen. Auch das ist aber letztendlich eher ein Nebenschauplatz.

Ein weiterer Punkt, der jetzt mit dem Gesetzentwurf erreicht werden soll, ist die strukturelle und inhaltliche Neugestaltung – das wird im Gesetzentwurf auch als wesentlicher Inhalt angeführt – der infolge der Übertragung der Gebührengläubigerschaft von den Notaren im Landesdienst an das Land abzuführenden Gebührenanteile. Das sind aus europarechtlicher Sicht und aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sicherlich Punkte, die wir im Land jetzt zwingend umsetzen müssen. Sie dokumentieren aber auch – das wurde auch schon von meinen Vorrednern angeführt –, dass wir hier jetzt natürlich nur das umsetzen, was wir aus rechtlicher Sicht umsetzen müssen, dass wir aber auf mittlere Sicht um eine grundsätzliche Reform im Notariatswesen nicht herumkommen.

Ich will gar nicht erwähnen, dass mich das Thema, seit ich dem Landtag angehöre – das sind jetzt neun Jahre –, doch mehr oder weniger ständig beschäftigt. Bisher hat es jedenfalls noch keinen umfassenden und grundlegenden und hier im Haus auch mehrheitlich zustimmungsfähigen Entwurf aus dem Justizministerium gegeben. Das führt dann natürlich zu solchen Ergebnissen, wie wir sie mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf umsetzen müssen. Das heißt, die große Aufgabe im Bereich des Notariatswesens steht uns erst bevor.

Da kann man natürlich einen weiteren Punkt benennen. Den haben wir als Grünen-Fraktion immer benannt, und der spielt auch hier schon eine Rolle. Es geht um die Einnahmesituation für das Land. Wenn wir jetzt von heute auf morgen oder mit einer relativ großen Geschwindigkeit in die vollständige Privatisierung gehen, dann wäre es natürlich

auch schön, Kollege Theurer, wenn Sie dem Landtag und uns einmal dartun würden, wie wir den Einnahmeausfall im Justizbereich kompensieren sollen.

(Abg. Hoffmann CDU: Sehr gut! – Abg. Herrmann CDU: Eben!)

Wir haben bisher noch keine Vorschläge von Ihnen dazu gehört.

(Abg. Herrmann CDU: Sehr richtig!)

Ich bin auch auf die Ausführungen des Herrn Justizministers zu der Frage gespannt, wie die Einnahmeausfälle, die schon mit dieser Maßnahme entstehen – ca. 14 Millionen € für den Zeitraum ab 2002, wenn diese Größenordnung denn zutrifft –, im Bereich des Justizministeriums kompensiert werden sollen. Es kann sicher nicht so sein, dass wir jetzt aufgrund einer grundlegenden Reform im Notariatswesen einen weiteren Personalabbau in Kauf nehmen.

Trotz aller Bedenken sagen wir als Grünen-Fraktion ein Lob an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums dafür, dass sie es trotz aller Schwierigkeiten bei der technischen Erarbeitung des Gesetzentwurfs geschafft haben, diesen Gesetzentwurf auf unsere Tische zu bringen. Wenn es einmal jemanden gibt – im Wesentlichen sind ja die Notare die Betroffenen, aber natürlich sind das auch die Bürgerinnen und Bürger –, der sich gegen diese oder jene Gebührenentscheidung zur Wehr setzt, wird sich noch zeigen, ob dieser Gesetzentwurf letztendlich auch gerichtsbeständig ist.

Ich möchte zum Schluss noch zwei Punkte nennen, zu denen ich auch gern noch Ausführungen des Ministers hören würde. Mir wurden, insbesondere vom Badischen Notarverein, zumindest geringe handwerkliche Fehler benannt; sie bestehen auch aus meiner Sicht. Das soll jetzt keine Konterkarierung des ausgesprochenen Lobes sein und ist es auch nicht, aber das soll einfach bekannt sein, wenn wir in die abschließende Beratung und vielleicht auch in die Verabschiedung des Gesetzentwurfs eintreten.

Ich will nur einmal einen dieser handwerklichen Fehler nennen: In § 12 Abs. 7 Buchst. b sind als privilegierte Geschäfte auch Vereinbarungen über den vorzeitigen Erbausgleich vorgesehen. Nachdem aber die nichtehelichen Kinder den ehelichen Kindern gleichgestellt sind, gibt es diese Beurkundungen nicht mehr. Insofern ist diese Regelung aus unserer Sicht eigentlich überflüssig.

(Zuruf des Abg. Herrmann CDU)

Es gibt zwei oder drei weitere Regelungen, für die das auch gilt, zum Beispiel die Gleichstellung von Eheverträgen mit Partnerschaftsverträgen. Auch hier sind wir der Auffassung, dass der Einwand des Badischen Notarvereins zutreffend ist. Insofern kann uns der Justizminister vielleicht noch einmal dartun, wie man diese drei Einwände, die der Notarverein hierzu sehr kurzfristig eingebracht hat – mir jedenfalls sind sie sehr kurzfristig zugegangen –, ausräumen kann, um den Gesetzentwurf auch gerichtsfest zu machen.

Alles in allem bleibt uns gar nichts anderes übrig, auch um europäische Rechtsvorgaben in Baden-Württemberg umzu