Zu entscheiden ist jetzt noch, wie mit dem Antrag Drucksache 13/4361 verfahren werden soll. Welche Anträge werden dazu gestellt?
Dann ist eine Abstimmung vorzunehmen. Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag auf Überweisung des Antrags Drucksache 13/4361 an den Sozialausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Ersteres war die Mehrheit. Der Antrag ist an den Sozialausschuss überwiesen.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften – Drucksache 13/4263
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten pro Fraktion.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Grundgesetz geht – darauf wurde in vielen Reden zum 8. Mai, dem Tag der Kapitulation des Nazireichs, dem Tag der Befreiung, hingewiesen – von dem freien und mündigen Bürger aus. Bundespräsident Köhler hat in seiner Rede im Deutschen Bundestag formuliert – ich zitiere –:
Wenn wir heute auf die vergangenen 60 Jahre zurückblicken, empfinden wir Dankbarkeit allen gegenüber, die uns beim Aufbau der Bundesrepublik Deutschland geholfen haben. Wir haben aber auch die Gewissheit, dass wir Deutschen den Weg zu unserer freien und demokratischen Gesellschaft aus eigener Begabung zur Freiheit gegangen sind.
Freiheit bedeutet für uns, meine Damen und Herren, nicht nur, dass die Bürgerinnen und Bürger zur Bundestagswahl, zur Landtagswahl und zu den Kommunalwahlen gehen können, sich also in fünf Jahren drei Mal demokratisch beteiligen können, wie es leider vorwiegende Auffassung bei den regierungstragenden Fraktionen ist.
In diesem Zusammenhang empfehle ich Ihnen, meine Damen und Herren Kollegen von CDU und FDP/DVP, die Ausstellung mit Werken des Ulmer Künstlers Geyer, die derzeit bei uns im Haus der Abgeordneten zu sehen ist. Dort finden Sie nämlich ein schönes Bild mit der Schrift: „Die schwierigste Aufgabe der Politiker wird sein, die Wähler zur Urne zu bringen.“
Das ist nicht das Menschenbild, das wir haben. Wir sind der Meinung, dass Demokratie – wie es Max Frisch formuliert hat – die Freiheit bedeutet, „sich in seine eigenen Angelegenheiten einzumischen“.
Deshalb haben wir dieses Thema in dieser Legislaturperiode schon verschiedentlich zum Gegenstand von Beratungen in diesem hohen Hause gemacht. Ich will in aller Kürze darauf verweisen, dass in der Koalitionsvereinbarung vom 10. April 2001 einiges in Aussicht gestellt wurde.
Der Gemeindetag hat im März 2002 einen Gesetzentwurf vorgelegt. Fußend auf diesem Gesetzentwurf haben wir – weil die Regierungskoalition noch immer nicht zu Potte gekommen war – im August 2002 einen Gesetzentwurf mit den Inhalten des Entwurfs des Gemeindetags eingebracht und hier zur Abstimmung gestellt.
Damals hat die FDP/DVP erklärt, dass es eine Fülle kommunaler Probleme gebe – Volkswahl Landrat, Bürgermeister in Kreistagen, Quoren – und dass diese in einem Guss in e i n e m Gesetzentwurf gelöst werden sollten. Im nächsten Jahr – also 2003 – werde es so weit sein. Das Ergebnis war leider, dass im Januar 2003 dieser Gesetzentwurf abgelehnt wurde. Aber gleich darauf hat die FDP/DVP wieder verkündet, noch in diesem Quartal, also im ersten Quartal 2003, werde der Gesetzentwurf endlich kommen. Im November 2003 wiederum große Ankündigungen seitens der FDP/DVP, auf dem Landesparteitag im Januar 2004 wiederum große Ankündigungen, was Bürgerbegehren betrifft – leider jeweils ohne Konsequenz.
Wir haben deshalb im März 2004 erneut einen Gesetzentwurf eingebracht. Bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs hat der Kollege Scheuermann gesagt: „Ich gehe davon aus, dass Sie in einem Jahr nicht erneut einen solchen Gesetzentwurf einreichen müssen.“ Herr Kollege Scheuermann hat gerade den Saal betreten. Er wird sich darüber freuen, dass ich ihn zitiert habe. Er hat sich geirrt. Ich zitiere Sie gleich noch einmal, Herr Kollege. Bei der Zweiten Beratung im Mai, bei der der Gesetzentwurf erneut abgelehnt wurde, haben Sie gesagt, dass noch in diesem Jahr der Gesetzentwurf eingebracht werde. Und jetzt wörtlich: „Ich würde mir außerordentlich schäbig vorkommen, wenn wir diese Zusage nicht einhalten würden.“ Herr Kollege Scheuermann, ich weiß, dass es nicht an Ihnen liegt, aber Sie müssen sich leider schäbig vorkommen.
Meine Damen und Herren, bei diesem unerfreulichen Ablauf ist es außerordentlich erfreulich, dass sich ein Aktionsbündnis für mehr Demokratie in Baden-Württemberg gebildet hat, bestehend aus dem NABU, dem DGB und „Mehr Demokratie e. V.“.
Dieses Bündnis hat einen Gesetzentwurf ausgearbeitet und im Februar 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Wesentlicher Inhalt dieses Gesetzentwurfs ist: Wegfall des Positivkatalogs, Einschränkung des Negativkatalogs. Zum Beispiel sollen Bürgerentscheide auch bezüglich Bauleitplänen, bezüglich Kommunalabgaben, bezüglich Tarifen und Entgelten möglich sein. Es sollen die Quoren gesenkt und andere Dinge vereinfacht werden.
hat die Regierungsfraktionen leider nicht dazu veranlasst, ihrerseits tätig zu werden. Sie haben einen Anhörungsentwurf im Umlauf, einen Entwurf, bei dem man nur sagen kann: Er erfüllt bei weitem nicht das, was angekündigt wurde. Deshalb haben sich SPD und Grüne entschlossen, den Gesetzentwurf des Bündnisses hier im Landtag als Gesetzentwurf einzubringen.
Nun kommen Sie bitte nicht mit der Argumentation, dies sei kein realisierbarer Gesetzentwurf. Denn er ist im Wesentlichen der bayerischen Regelung nachgebildet, und in Bayern ist die Welt, seit diese Regelung gilt, nicht untergegangen, sondern in Bayern sind durchaus respektable Bürgerbegehren und Bürgerentscheide durchgeführt worden.
Nun ist natürlich klar, Herr Schneider: Manches gefällt einem nicht, manches hält man für falsch, was in einem Bürgerbegehren beantragt oder in einem Bürgerentscheid entschieden wird. Bei manchem ist man froh, dass es so entschieden wird. Aber das geht einem mit Gemeinderatsbeschlüssen ganz genauso.
Deshalb ist es wichtig, endlich die entscheidenden Schritte zu unternehmen, um für mehr unmittelbare Gestaltungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen.
Meine Damen und Herren – hier spreche ich insbesondere die CDU an –, Sie sollten nicht immer für Unterschriftenaktionen sein, für unverbindliche Äußerungen, für Referenden, die keine unmittelbare Wirkung haben. Sie sollten auch nicht nur Befragungen innerhalb der eigenen Partei machen, die der Landtagspräsident und der frühere Landtagsdirektor als CDU-Mitglieder sogar für verfassungsrechtlich höchst bedenklich gehalten haben. Nein, Sie sollten den Bürgerinnen und Bürgern Entscheidungsmöglichkeiten einräumen. Deshalb unser Appell: Packen Sie Ihren Anhörungsentwurf ein. Nehmen Sie unseren Gesetzentwurf, den wir gemeinsam mit den Grünen eingebracht haben
und der auf der Basis des breiten Bündnisses für mehr Demokratie erarbeitet wurde. Geben Sie endlich den Bürgerinnen und Bürgern die Chance, sich wirklich in ihre kommunalen Angelegenheiten einzumischen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Thema „Kommunale Demokratie und deren Stärkung“ steht ja gewiss nicht zum ersten Mal auf der Tagesordnung des Plenums dieses hohen Hauses. Kollege Schneider, trotz mehrfacher Intervention aus diesem hohen Hause haben Sie sich bisher nicht dazu durchgerungen, diese kommunale Demokratie zu stärken.
Ich will, bevor ich ein paar Takte zum Gesetzentwurf sage, drei grundlegende Gedanken vorwegschicken, die vielleicht auch Sie, meine Damen und Herren insbesondere von der CDU – die FDP/DVP hat ja mehrfach verlautbart, sie stehe für mehr kommunale Demokratie –, angehen.
Erster Punkt: Direkte Demokratie macht demokratische Prozesse erfahrbar, und zwar dort, wo die Menschen direkt davon betroffen sind, nämlich auf kommunaler Ebene. Als Keimzelle unserer Demokratie ist die Selbstverwaltungsebene in unseren Kommunen unmittelbar erfahrbar, was demokratische Entscheidungsprozesse anbelangt. Deswegen sagen wir: Um auch die Identifikation mit unserem demokratischen Gemeinwesen zu stärken, müssen wir die Partizipationsmöglichkeiten der Menschen in unserem Land über das hinaus stärken, was bisher der Fall ist.
Zweiter Gedanke: Es gibt ja zahlreiche Länder um uns herum – das erfahren wir gerade in diesen Tagen, auch heute wieder, selbst wenn uns vielleicht die Entscheidungen, wie es der Kollege Birzele ausgeführt hat, im Einzelfall nicht gefallen –, die auch auf bundesstaatlicher Ebene Partizipationsmöglichkeiten haben.
Kollege Schneider, solche Debatten führen wir nicht. Wir wollen nicht Debatten führen, für die wir nicht zuständig sind;