Wir müssen sehen: Weltweit deckt die Atomkraft etwa 2,5 % des gesamten Energieverbrauchs. Der Forderung, die Atomenergie zum Zwecke des Klimaschutzes auszubauen,
ist entgegenzuhalten, dass es auf der anderen Seite riesige Einsparpotenziale gibt. Die Enquetekommission des Bundestags spricht von einem Einsparpotenzial von 30 bis 40 % in der Bundesrepublik. In anderen Ländern ist das Einsparpotenzial teilweise erheblich höher. Wenn man diese Einsparpotenziale mit Atomkraft decken wollte, müsste man die Atomkraft wahnsinnig stark ausbauen, …
… um eine vergleichbare Einsparung zu erreichen, wie sie durch Effizienzgewinne zu erzielen ist. Das geht ja nun nicht. Die Terrorgefahr, der Missbrauch von Atomenergie für Bomben würde ansteigen. Die Uranvorräte wären in wenigen Jahrzehnten aufgebraucht. Das heißt, diese Strategie führt in die Irre.
Wenn wir wirklich Klimaschutz betreiben wollen, müssen wir unsere Wirtschaft auf einen Effizienzpfad bringen. Da ist es richtig, die Energie etwas knapper zu machen. Dann werden die Innovationen in Richtung Effizienz vorankommen. Auf diese Weise werden wir Energie effizienter einsetzen, und dann werden wir nach einer Übergangszeit mehr CO2 einsparen können, als dies durch die Nutzung der Atomkraft möglich war. Deshalb ist der Atomausstieg langfristig die nachhaltige Strategie.
Oberstes Ziel jeder Energiepolitik, auch in der Zukunft, muss sein, eine Energie zu haben, die erstens sicher verfügbar ist, die zweitens wirtschaftlich ist, auch unter Kostengesichtspunkten, und die drittens umweltverträglich ist. Wenn ich diese Messlatte anlege, will ich Zweifel anmelden, ob diese Ziele erreichbar sind, falls der in Berlin beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie so käme.
Mein Vorwurf an die Bundesregierung in Berlin ist, dass ein Ausstieg beschlossen wurde, ohne dass auch nur annäherungsweise in genügendem Umfang Konzepte vorgelegt worden wären, die aufzeigen, wie dies alles zu kompensieren wäre.
Dies gilt natürlich für Baden-Württemberg in besonderem Maße. Es ist kein Wunder, dass gerade in Baden-Württemberg und in Bayern der Anteil der Kernenergie an der Stromproduktion seit Jahrzehnten besonders hoch ist. Das
ist kein Zufall. Das hängt nicht mit der Politik in BadenWürttemberg oder Bayern zusammen, sondern das hängt damit zusammen, dass wir revierferne Länder sind,
die natürlich unter ganz anderen Umständen zu ihrer Stromproduktion kommen müssen als NRW oder ein Küstenstaat. Deshalb ist dieser Ausstiegsbeschluss für Baden-Württemberg tatsächlich besonders dramatisch.
Niemand hat mir in dieser ganzen Diskussion auch nur annäherungsweise erklären können, wie ein Kernenergieanteil von 60 % an der Stromproduktion mittel- oder zumindest langfristig ersetzt werden könnte.
(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP – Zuruf des Abg. Fleischer CDU – Abg. Zimmermann CDU: Nicht mit 10 000 Windrädern schaffen die das!)
Es kommt dazu: In einer Situation, in der wir verzweifelt schauen, dass Arbeitsplätze geschaffen werden,
stellt eine solche Entscheidung für Baden-Württemberg ein Riesenproblem dar; das ist klar. Aber ich will an dieser Stelle schon einmal feststellen: Dieses Problem haben wir uns in Baden-Württemberg nicht selbst geschaffen, sondern dieses Problem hat uns Rot-Grün geschaffen und sonst niemand anders, meine Damen und Herren.
Wir sollten vielleicht einmal überlegen, worüber wir eigentlich sprechen. Bis über das Jahr 2030 hinaus wird es so sein, dass Sie, wenn Sie alles zusammennehmen – ich glaube, Kollege Hofer hat schon darauf hingewiesen –, allein in Baden-Württemberg eine Größenordnung von 7 500 Megawatt Leistung ersetzen müssen, wenn wir den Status quo wieder erreichen wollen.
(Abg. Zimmermann CDU: Da bräuchten wir rech- nerisch 80 000 Windräder! Rechnerisch! – Abg. Fleischer CDU: 80 000 Windräder!)
Jetzt komme ich insbesondere auf Sie zurück, Kollege Schmiedel. Jetzt will ich einfach einmal versuchen, die Möglichkeiten, die wir in Baden-Württemberg haben, ein bisschen durchzuspielen. Ich warne vor der Illusion, dass
man gewissermaßen durch Knopfumdrehen als Ersatz für das Atomkraftwerk Obrigheim ein Gaskraftwerk da hinstellen könnte.
Es ist jedenfalls eine alte Forderung von grüner Seite – daher kenne ich das –, dass in Obrigheim als Ersatz für dieses Atomkraftwerk, dessen Betrieb ja mit Sicherheit jetzt Ende Mai auslaufen wird, ein Gaskraftwerk erstellt werden könnte.
Jetzt will ich nur davor warnen, dass man meint, dies gewissermaßen durch Knopfumlegen erreichen zu können.
Dieser Landtag von Baden-Württemberg baut kein Gaskraftwerk, und auch die Grünen bauen kein Gaskraftwerk. Auch der Wirtschaftsminister baut kein Gaskraftwerk.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber wir sind doch auf Augenhöhe in der EnBW! – Abg. Drexler SPD: Wir sind auf Augenhöhe!)
Langsam, langsam! – Wenn jemand ein Gaskraftwerk baut, dann baut es die Wirtschaft, ein Energieversorgungsunternehmen.
(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Die EnBW und die Stadtwerke! – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)
Was ist die Voraussetzung dafür, dass irgendein Wirtschaftsunternehmen in Obrigheim ein Gaskraftwerk baut? Voraussetzung ist, dass eine entsprechende Erdgasleitung vorhanden ist. Diese Erdgasleitung ist, wie Sie wissen, bis zur Stunde noch nicht vorhanden.
Geplant ist sie. Hoffentlich wird sie gebaut, Herr Kollege. Aber auch dies ist eine Entscheidung, die nicht der Landtag von Baden-Württemberg treffen wird, sondern die Ruhrgas und Wingas treffen werden. Das sind die beiden Träger einer solchen Erdgasleitung. Sie warten im Augenblick übrigens noch das Energiewirtschaftsgesetz ab, denn das Energiewirtschaftsgesetz ist im Strombereich jetzt in Ordnung, soweit ich das sehe, aber im Gasbereich ist die Energiewirtschaft nach diesem Gesetz noch nicht in Ordnung. Das geht aus dem Energiewirtschaftsbericht hervor.