Protocol of the Session on April 20, 2005

Hättest du die Rede gern gehalten?

Das Wort erhält Herr Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es schon bemerkenswert, Herr Kollege Kleinmann, dass Sie Formulierungen für eine Verfassung als „Absichtserklärungen“ einstufen.

Ich möchte einmal auf einige Argumente eingehen, die Sie vorgebracht haben. Erst einmal komme ich zum Kollegen Herrmann.

Sie haben gesagt, dass die Schuldenbremse, wie die Praxis in der Schweiz zeige, nicht zum Schuldenabbau eines strukturellen Defizits geeignet sei. Meine Antwort: Wir legen bei unserem Vorschlag ja mehr Wert auf die Nachhaltigkeitsplanung als auf den Ausgleich zwischen den Konjunkturzyklen, wie es der Schweizer Vorschlag vorsieht. Wir haben ihn also weiterentwickelt in Richtung Abbau von strukturellen Defiziten.

Zweitens haben Sie eingewandt, dass wir ja keine Möglichkeit hätten, die Einnahmeentwicklung zu beeinflussen. Antwort: Das stimmt genau, Herr Kollege. Deswegen orientiert sich die Schuldenbremse am prognostizierten Einnahmepfad und macht sich keine Illusion über die Erhöhung von Steuern. Das, was Sie gesagt haben, macht die Schuldenbremse gerade erforderlich.

Drittens haben Sie gesagt, dieser Gesetzentwurf käme zum falschen Zeitpunkt, man bräuchte dazu einen ausgeglichenen Haushalt. Das ist natürlich völlig abstrus, finde ich. Wenn es sich um eine nur langfristig machbare Konsolidierung des Haushalts handelt – darauf hat der Kollege Kleinmann gerade hingewiesen –, dann kann der Zeitpunkt nicht früh genug sein. Der Gesetzentwurf kommt nicht 20 Jahre zu früh, sondern 20 Jahre zu spät.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der FDP/DVP)

Allenfalls das könnte die Kritik sein. Herr Kollege Herrmann, wenn die Pensionslawine erst richtig losrollt –

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Die rollt ja schon!)

was, wie Sie wissen, der Fall ist –, kommt man nie zu einem ausgeglichenen Haushalt.

Kollege Nils Schmid, Sie haben gesagt, wir hätten schon Vorschriften wie diejenigen im Haushaltsgrundsätzegesetz. Aber das bietet gar keine Verbindlichkeit für eine Rückzahlungsplanung für aufgenommene Kredite, sondern es führte in der Vergangenheit immer nur zum Verweis auf die Wachstumshoffnungen. Aber genau das ist passé. Dieses Gesetz stammt ja aus der Zeit des blühenden Wachstums von 1969.

(Abg. Schmid SPD: § 51 a des Haushaltsgrundsät- zegesetzes ist vor einem Jahr eingeführt worden!)

Deswegen hat es nicht gegriffen. Das jetzt als Alternative auf irgendwelche Kommissionen zu verlegen hieße nun, das Haushaltsrecht zu beschneiden.

(Abg. Schmid SPD meldet sich zu einer Zwischen- frage.)

Ich lasse keine Zwischenfrage zu, denn ich habe nur noch zwei Minuten Redezeit.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Schmid SPD: Aber § 51 a ist 2004 in Kraft getre- ten!)

Dann hatten Sie gesagt, Sie würden das Kriterium bevorzugen, dass die Verschuldung des Landes nicht stärker wachsen solle als das Bruttosozialprodukt. Genau das würde einen prognostizierten Einnahmepfad zur Grundlage einer Nachhaltigkeitsplanung machen. Das steht also gar nicht in Widerspruch dazu. Aber das gehört in ein anderes Gesetz hinein und nicht in die Verfassung.

Drittens haben Sie gesagt, das Kreditlimit stehe schon in der Verfassung, werde aber formell umgangen durch den Verkauf von Landesvermögen. Auch hier besteht natürlich Handlungsbedarf. Das ist aber eine völlig andere Baustelle.

(Abg. Schmid SPD: Das betrifft aber auch die Lan- desverfassung!)

Wären die Bestimmungen zur Verfassungsmäßigkeit des Haushalts klarer gefasst, insbesondere dazu, dass der Verkauf von Vermögen eigentlich Minusinvestitionen darstellt, dann hätten Sie mit Ihren Haushaltsvorschlägen einen verfassungswidrigen Haushalt erzeugt. Das muss Ihnen klar sein.

Schließlich zum Kollegen Kleinmann: Herr Kollege Kleinmann, Sie haben gerade noch einmal wiederholt, unser Konzept könnte nur funktionieren, wenn innerhalb dieses Zeitraums das Ausgabenwachstum bei null läge. Das stimmt in der Tendenz; da haben Sie völlig Recht. Wir haben ausgerechnet, dass für eine Stabilisierung der Zins-Steuer-Quote auf dem heutigen Stand das Ausgabenwachstum nicht mehr als 0,7 % betragen darf. Es ist also schon noch etwas möglich, auch wenn es natürlich sehr eng würde.

Ihre Aussage zeigt genau, dass man mit der Lösung des Problems nicht zuwarten kann. Das, was Sie jetzt vorgetragen haben, zeigt, was auch die Haltung aller anderen ist: „Wir machen nichts, weil wir es sowieso nicht schaffen.“ Das ist das Credo, das Sie hier vorgetragen haben. Ihr Credo heißt also Resignation: Wir machen nichts, weil wir das eh nicht schaffen können.

(Abg. Herrmann CDU: Wir machen es nicht in der Verfassung! – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Wenn Sie das noch einmal unter Berücksichtigung der steigenden Pensionslasten sehen – heute betragen diese 2,7 Milliarden €; im Jahr 2030 werden es bereits 8,5 Milliarden € sein –, dann können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, wenn wir jetzt nicht auf die Schuldenbremse treten und hierfür keinen verfassungsmäßigen Rahmen geben. Wir werden überhaupt nicht mehr in der Lage sein, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen – mit Blick auf die demografische Entwicklung und die Pensionslasten schon gar nicht.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das ist schon wahr!)

Wenn Sie also schon jetzt resignieren und sagen, der jetzige Zeitpunkt sei nicht der richtige, dann werden Sie es mit

hundertprozentiger Sicherheit in Zukunft erst recht nicht schaffen.

Bei diesem resignativen Programm machen wir nicht mit. Wir sind der vollen Überzeugung: Wenn wir uns nicht ernsthaft bemühen, zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen, werden wir die Politik an den Rand der Handlungsunfähigkeit bringen. Da wir das nicht wollen, haben wir diesen Gesetzentwurf eingebracht. Ich bin gespannt, was Sie, die Sie diesem Ansatz nicht folgen konnten, nun in den nächsten Monaten als Alternative vorlegen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Finanzminister Stratthaus.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kretschmann, Sie haben einen Beitrag geleistet, wie er derzeit zu Tausenden geleistet wird. Sie haben die Situation richtig beschrieben.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Wie wir sie allerdings in Ordnung bringen sollen, haben Sie uns auch nicht gesagt.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Ich bin überzeugt, dass Ihre Vorschläge einfach nicht geeignet sind. Jeder, der glaubt, es gäbe irgendeinen rechtlichen Mechanismus, der uns brutaler Entscheidungen enthebt, der täuscht sich.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja! So ist es!)

Denn letzten Endes ist das, was Sie und was wir hier wollen – ich sage das jetzt selbstkritisch an uns alle; denn es herrscht hier ein Klima, in dem man sich die Dinge nicht noch gegenseitig an den Kopf hauen muss –,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

eigentlich ein Schutz vor unserer eigenen Mutlosigkeit.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Wir meinen nicht, es gäbe irgendeinen Mechanismus, der dies könnte.

Lassen Sie mich deswegen auch einige wenige Gedanken dazu sagen. Zunächst einmal: Dass unsere Verschuldung zu hoch ist,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das wissen wir!)

dass die Verschuldung, wenn wir die weiteren Belastungen durch die gesamten Umlagesysteme in der Zukunft noch hinzunehmen, noch viel, viel höher ist, das, glaube ich, wissen wir alle. Wir wissen auch, dass das heute besonders gefährlich ist. Früher war die Verschuldung deswegen nicht so gefährlich, weil man in einer schnell wachsenden Wirtschaft immer hoffen konnte, ein Teil der Verschuldung würde durch die gnädige Inflation und ein anderer Teil

(Minister Stratthaus)

durch das Wirtschaftswachstum weggefressen werden. Beides haben wir in der Zwischenzeit nicht mehr. Die Verschuldung ist zu hoch; das ist keine Frage.

Der Vorschlag, den die Grünen gemacht haben, ist, glaube ich, nicht geeignet. Er ist gut gemeint, aber er ist nicht geeignet. Sie haben einige Male darauf hingewiesen, jetzt müsse man anfangen. Das ist überhaupt keine Frage. Im Übrigen haben wir während der letzten Jahre ja auch gespart. Ich habe schon einige Male darauf hingewiesen: Wir haben im Jahr 2000

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Mehr Schulden ge- macht als je zuvor!)

die Nettonullneuverschuldung beschlossen. Wir sind damals von bestimmten Einnahmeschätzungen ausgegangen und haben in der mittelfristigen Finanzplanung auf dieser Grundlage unsere Ausgaben festgelegt. Wenn die damals erwarteten Einnahmen gekommen wären, würden wir in diesem Jahr sogar einen Überschuss erzielen. Das heißt, wir haben in der Tat gespart, aber die Einnahmen sind uns weggebrochen. Das nützt uns allerdings auch nichts. Diese Argumentation hat keinen Wert. Sie ist zugegebenermaßen auch nur eine Beschreibung.