(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Qualität kann man nicht herbeidiskutieren, die muss man produ- zieren!)
Wir wollen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiterhin seine Qualität behält. Dazu muss man ihn finanziell aber auch entsprechend ausstatten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Walter fordert uns auf, Frieden zu schließen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das tun wir natürlich nicht, weil wir ihm nie den Krieg erklärt haben. Es gibt kein Problem.
(Abg. Stickelberger SPD: Sie können auch ohne Erklärung Krieg führen! – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)
Meine Damen und Herren, der Staatsvertrag hat im Prinzip drei Elemente: erstens die Gebührenerhöhung, zweitens einige Strukturfragen, drittens das Gebührenerhebungsrecht mit Reformen auf diesem Gebiet und Möglichkeiten der Befreiung.
Wir haben in der Tat erstmals den Tatbestand, dass von einer Empfehlung der KEF abgewichen worden ist. Insofern hat es eine kontroverse Diskussion gegeben. Die Privaten waren der Meinung, es sei zu wenig abgewichen worden, und die Öffentlich-Rechtlichen haben natürlich eine andere Auffassung vertreten. Wir bewegen uns insofern schon auf neuem Terrain. Insofern ist auch nicht verwunderlich, wenn die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer solchen Abweichung gestellt wird.
Diese Frage kann man stellen. Der Juristische Dienst des Sächsischen Landtags hat diese Frage erörtert. Ich glaube, dass er im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken geschildert hat. Immerhin hat auch der Sächsische Landtag trotz des Gutachtens anschließend dem Staatsvertrag doch zugestimmt.
Ich bin auch der Auffassung, dass die Rundfunkanstalten mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest aus einem ganz pragmatischen Grund nicht klagen werden: Sie sagen sich ganz einfach, sie wollen lieber jetzt 88 Cent als die Hoffnung, eines Tages, viel später, vielleicht 1,09 € zu erhalten.
Insofern kann man davon ausgehen, dass der Staatsvertrag Bestand haben wird – mit, wie gesagt, einem unterschiedlichen Maß an Zufriedenheit.
Wir haben bei der Frage, wie hoch die Gebührenerhöhung ausfallen solle, nicht zu den „Scharfmachern“ gehört. Die Motive, unter 1,09 € zu bleiben, sind eher von anderen Bundesländern vorgetragen worden. Deswegen stimmt übrigens auch die simple Schlachtordnung, die Union sei sozusagen immer auf der Seite der Privaten, während SPD oder Grüne immer auf der Seite der öffentlich-rechtlichen Anstalten stünden, nicht. Ich glaube, dass wir beide Anhänger und Befürworter des dualen Systems sind.
Es waren die Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern, die besonders auf das Abweichen von der Empfehlung der KEF gedrungen haben. Wir haben uns dabei eher zurückgehalten, wohl auch wissend um die Verantwortung, die wir gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben.
Wenn man aber abweicht, darf man nicht nur auf die Pfennige schauen. Man könnte in der Tat natürlich fragen: Was
sind schon 21 Cent pro Monat bei einem Haushalt? Das ist aber nicht die Frage. Wenn das die Frage wäre, könnte man auch sagen: „Die Gebühr kann ruhig um 2 € steigen. Denn was sind schon 2 € pro Monat?“
Es geht aber erstens um die Frage, wie hoch die Steigerung relativ ist, nicht nur absolut. Die absoluten Steigerungsbeträge sind relativ bescheiden. Die Frage ist, ob sie relativ im Verhältnis zu dem gerechtfertigt sind, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk bislang zur Verfügung hatte.
Die zweite Frage, die dahinter steht – der werden wir uns in Zukunft besonders zuwenden müssen –, ist, ob die jeweilige Gebührenhöhe, gemessen am Programmauftrag, angemessen ist. Ich sage das im Hinblick auf die Fragen, die die Europäische Union mittlerweile in Bezug auf das deutsche Rundfunksystem hat. Das heißt: Ist die Gebührenerhöhung durch den öffentlich-rechtlichen Auftrag gedeckt? Das ist die Messlatte. Weniger sind es sozialpolitische Überlegungen. Wie gesagt, bei 21 Cent sollte man mit der Sozialpolitik ein wenig vorsichtig sein. Aber die Frage, ob die Erhöhung durch den öffentlich-rechtlichen Auftrag gedeckt ist, wird uns in Zukunft noch weiter beschäftigen.
Man kann speziell dem Südwestrundfunk gerne bescheinigen, dass er schon in der Vergangenheit bemerkenswerte Sparmaßnahmen ergriffen hat. Er hat viele Personalstellen abgebaut und sich auch um andere Sparmaßnahmen bemüht. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass natürlich die Erhöhung um „nur“ 88 Cent zu weiteren Sparmaßnahmen führt. Ich werde mich aus der Diskussion, wo gespart wird, was richtigerweise gespart wird oder nicht, heraushalten. Ich möchte das weder kommentieren noch anschließend, wenn irgendwelche Entscheidungen gefallen sind, kritisieren. Das ist Sache der Rundfunkgremien. Die Politik kann nicht auf der einen Seite „88 Cent“ sagen, aber auf der anderen Seite anschließend bei jeder Sparmaßnahme protestieren. Das passt nicht zusammen. Das ist Sache der Rundfunkgremien. Wir werden die Entscheidungen der Gremien zu respektieren haben.
Interessanterweise hat es ja Sparankündigungen seitens der Rundfunkanstalten gegeben. Das war einer der Gründe, weshalb die Politik gesagt hat: Weil diese Sparankündigungen und Sparanstrengungen noch nicht in die KEF-Berechnungen eingegangen waren, können wir offensichtlich etwas von der Empfehlung zur Erhöhung um 1,09 € nach unten abweichen. Insofern haben wir damit auch eine zusätzliche Legitimation, der KEF-Empfehlung nicht gefolgt zu sein.
Zweite Bemerkung: Komplex Strukturreform. Da will ich zunächst einmal eine südwestdeutsche Spezialität voranstellen, nämlich das Thema, wer der deutsche Partner bei 3sat ist. Wir setzen uns dafür ein, dass das ZDF und die ARD und innerhalb der ARD stellvertretend der Südwestrundfunk Partner des österreichischen und des Schweizer Fernsehens sind.
Die Ministerpräsidenten haben sich, mit Ausnahme von Baden-Württemberg, dafür ausgesprochen, dass dies nur noch das ZDF sein soll. Das enttäuscht mich schon etwas, und das sollte uns eigentlich alle etwas enttäuschen, weil der SWR eine Zweiländeranstalt ist. Wenn der rheinland-pfälzische Ministerpräsident sozusagen sein Herz eher beim ZDF
als beim SWR hat, finde ich das nicht so besonders toll. Das muss ich wirklich sagen. Der SWR sollte wissen, wo seine wahren Freunde sitzen, nämlich hier in Stuttgart. Baden-Württemberg hat als einziges Land eine Protokollerklärung dagegen abgegeben, und Sie wissen, dass die Spielregeln so sind, dass ohne und gegen uns auf diesem Gebiet nichts geht. Insofern herrscht da Ruhe an der Front. Aber die Bemühungen, dem SWR eine Betätigung auf dem internationalen Parkett wegzunehmen, die es da gegeben hat, sind schon bemerkenswert.
Zweite Bemerkung: Deckelung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots. Der Staatsvertrag hat zum Gegenstand, dass in Zukunft die Zahl der Programme nicht mehr erhöht wird. Ich glaube, dass das angemessen ist. Es gibt mittlerweile wirklich eine bemerkenswerte Anzahl von Rundfunkund Fernsehangeboten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland. Dass man das nicht mehr ausweitet, ist okay. Was geschehen soll, ist den Gremien der Rundfunkanstalten selber überlassen. Nur, mehr darf es nicht mehr sein. Man kann austauschen. Man wird auch darauf achten müssen, dass man mit dem Geld auskommt. Aber innerhalb dieses Rahmens besteht natürlich nach wie vor notwendigerweise Rundfunkfreiheit.
Ich halte diese Deckelung für angemessen und erforderlich, denn – das kann man schon sagen – im europaweiten Vergleich ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland schon recht stark. Ich möchte einmal ganz pauschal sagen: Das, was jetzt durch die Europäische Union an Kritik oder kritischen Fragen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem in Deutschland vorgebracht worden ist, ist eigentlich wichtiger als das, was wir im Moment hier im Zusammenhang mit dem Rundfunkstaatsvertrag erörtern. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Stärke in Deutschland dann behält, wenn er auch seine Grenzen kennt, wenn er die Grenzen exakt entlang dem öffentlichrechtlichen Auftrag auf der einen und der kommerziellen Betätigung auf der anderen Seite zieht. Das wird in Zukunft eine wichtige Fragestellung sein.
Vor diesem Hintergrund würde ich einem Gedanken von Ihnen, Herr Kollege Walter, nicht näher treten: dass wir im Prinzip „Politikfreiheit“ haben sollten.
Den Rand könnten wir noch dazunehmen. – Die drei Elemente, die wir im öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, heißen: öffentlich-rechtlicher Programmauftrag, öffentlichrechtliche Finanzierung – also Gebührenfinanzierung; das eine bedingt logischerweise das andere – und öffentlichrechtliche Gesamtverantwortung, natürlich unter Wahrung der Rundfunkfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes. Insofern besteht auch eine Mitverantwortung für Grundkonstruktionen, die sich auch dahin gehend äußert, dass Politiker in Aufsichtsgremien vertreten sein können.
Insofern glaube ich, dass wir die Stärke des öffentlichrechtlichen Rundfunks nicht ohne seine Legitimationsvoraussetzungen sichern können. Diese drei Elemente gehören zusammen. So viel zu den Strukturfragen.
Abschließend noch etwas zu den Gebührenfragen: Ich muss Ihnen sagen – ich selbst habe die Verhandlungen nicht geführt; sie fanden außerhalb der Zeit statt, in der ich in diesem Amt bin –, dass ich nicht geglaubt hätte, dass wir es schaffen, das Hotelprivileg einigermaßen zu sichern, das heißt für mittelständische Hotels bis 50 Betten vollständig zu sichern. Zunächst standen wir mit unserer Position praktisch allein auf weiter Flur. Sie wissen, es herrscht das Einstimmigkeitsprinzip. Wir mussten das also gegen viele Länder, die zunächst einmal von einer ganz anderen Position her abgeholt werden mussten, erreichen. Ich bin schon ein bisschen stolz darauf, dass uns das in dieser Frage gelungen ist – zwar nicht zu 100 %, aber immerhin. Die deutsche Gastronomie, die mittelständische Gastronomie darf sich speziell bei der Verhandlungsführung des Landes BadenWürttemberg hinsichtlich dieser Frage – die vielleicht nicht die größte aller Fragen für diese Branche ist, aber immerhin – bedanken.
Die zweite Bemerkung, die ich äußern will: Das Befreiungsrecht ist nun wirklich deutlich vereinfacht worden. In Zukunft werden die Kommunen nicht mehr rund 200 000 Befreiungsverfahren mit genauen Einkommens- und Vermögensberechnungen durchzuführen haben. Dies kann vielmehr die Rundfunkanstalt in Zukunft anhand von einfach darzulegenden Unterlagen wie einem BAföG-Bescheid, einem Sozialhilfebescheid, einem Rentenbescheid und dergleichen selbst entscheiden. Das ist eine große Erleichterung nicht nur für die Kommunen, sondern vor allem auch für den einzelnen Bürger, und das ist, glaube ich, erfreulich.
Zum Schluss, meine Damen und Herren – ich habe es im Ausschuss schon gesagt –: Wir sind das letzte Parlament in der Bundesrepublik, das dem Staatsvertrag noch zuzustimmen hat. Ich formuliere das ganz bewusst so, quasi als eine moralische politische Verpflichtung. Es ist immer unbefriedigend, wenn man einer Sache im Prinzip nur vollständig zustimmen kann, weil man andernfalls das ganze Vorhaben gefährden würde. Wir können noch nicht einmal Variationen, Abweichungen beschließen, sondern nur nach dem Motto vorgehen: „Friss, Vogel, oder stirb!“ Es ist nicht sonderlich angenehm, wenn man nur Ja oder Nein sagen kann.
Auf der anderen Seite ist das Einstimmigkeitsprinzip, das dem zugrunde liegt, auch eine Voraussetzung dafür, politische Kompromisse rechtzeitig zu schließen. Insofern hatten wir hier auch eine relativ konsensorientierte Debatte. Es muss nicht das Schlechteste sein, wenn uns so etwas im Landtag von Baden-Württemberg gelegentlich auch einmal gelingt.
Ich bedanke mich vielmals dafür, dass eine Mehrheit schon absehbar ist, und würde mich freuen, wenn wir auch im letzten der 16 Landesparlamente heute einen breiten Konsens zustande brächten und der Staatsvertrag damit in Kraft treten kann.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 13/3784.
Der Ständige Ausschuss schlägt Ihnen in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 13/4125 vor, dem Gesetzentwurf der Landesregierung unverändert zuzustimmen.
Wer diesem Artikel zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Bei vier Enthaltungen so beschlossen.
Wer diesem Artikel zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Ohne Gegenstimmen bei vier Enthaltungen so beschlossen.