Protocol of the Session on December 9, 2004

(Minister Rech)

Zunächst einmal will ich Ihnen sagen, dass der Gesetzentwurf weit gediehen ist. Er befindet sich gegenwärtig, würde ich sagen, in der Feinabstimmung zwischen den Koalitionspartnern.

(Abg. Drexler SPD: Oh, schön!)

Es war in der Tat – darauf haben Sie zu Recht hingewiesen – auch in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen, dass in dieser Legislaturperiode ein Entwurf vorgelegt wird, und das wird in dieser Legislaturperiode auch geschehen. Natürlich hätten wir uns alle gewünscht, dass das zeitlich ein bisschen vorgezogen werden könnte.

(Abg. Birzele SPD: Ja, warum haben Sie es dann nicht gemacht? – Abg. Drexler SPD: Sie sind doch dafür verantwortlich!)

Herr Kollege Birzele,

(Abg. Birzele SPD: Das sind doch alles ganz einfa- che Fragen!)

es mögen in Ihren Augen einfache Fragen sein. Aber wir müssen schon darauf achten, dass wir die Selbstverwaltung unserer Kommunen nicht aushöhlen.

(Abg. Kübler CDU: Sehr gut!)

Ich habe in der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass die Selbstverwaltung unserer Kommunen, ihre Selbstverwaltungskraft und ihr Selbstverwaltungsrecht das Land zu dem gemacht haben, was es ist. Dies dürfen wir durch plebiszitäre Elemente nicht aushöhlen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wieso sollen dann die Bürger eingeschränkt werden? Sind die nicht „die Kommunen“? – Abg. Drexler SPD: Sie strei- chen doch die Mittel zusammen! Das ist doch eine Einschränkung der Selbstverwaltung! – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Das will ich Ihnen sagen. Ich gehe davon aus, dass der Entwurf in Kürze vorliegen wird.

(Abg. Birzele SPD: Was ist „in Kürze“?)

Herr Kollege Birzele, Fakt ist – Sie haben es ja selber zitiert –, in der Koalitionsvereinbarung steht: in dieser Legislaturperiode.

(Abg. Kübler CDU: Die geht noch bis 2006! – Abg. Birzele SPD: Armer Kollege Scheuermann, Sie müssen sich noch lange schämen!)

Verlassen Sie sich darauf; etwas anderes bleibt Ihnen auch nicht übrig. In der Koalitionsvereinbarung ist das Richtige gesagt.

(Abg. Drexler SPD: Es hat doch schon andere Aus- sagen der Regierungsfraktionen gegeben!)

Ich habe Ihnen gesagt, wir befinden uns in der Feinabstimmung. Gehen Sie davon aus, dass diese in Kürze abgeschlossen sein wird.

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Drexler: Gibt es auch noch eine Grobabstimmung?)

Ich will Ihnen aber zu einem Punkt, ohne dem, was die Koalitionsfraktionen letztlich vereinbaren, vorgreifen zu wollen – das ist ja in erster Linie Sache des Parlaments –, sagen, dass ich, was Bürgerentscheide auf Landkreisebene anbelangt, sehr skeptisch bin. Auf Landkreisebene bestehen meines Erachtens wenige sachgerechte Anwendungsmöglichkeiten.

(Abg. Kübler CDU: Ja!)

Sie suchen immer wieder den Vergleich mit Bayern. Dort haben die Kreise ganz andere Flächen als in Baden-Württemberg,

(Abg. Kübler CDU: Richtig!)

sie sind viel kleiner.

(Zuruf von der SPD: Es kommt doch nicht auf die Flächen, sondern auf die Themen an!)

Ich sage es Ihnen gleich. – Bezogen auf einen Gesamtkreis, bestehen hier schon Akzeptanzprobleme, weil die Entscheidungen, wenn sie sich nur auf Teile des Kreisgebiets auswirken, eben in der Gesamtheit nicht akzeptiert werden.

Solche Entscheidungen, eine Mitwirkung der Kreiseinwohner zu fördern, fordern die Wahrnehmung von Partikularinteressen geradezu heraus. Es besteht jedenfalls die Gefahr, dass die Gesamtinteressen des Kreises nicht ausreichend zur Geltung kommen.

Es ist meines Erachtens immer noch Aufgabe des Hauptorgans des Kreises, also des Kreistags, bei den Entscheidungen über Kreisangelegenheiten die Interessen des Gesamtkreises zugrunde zu legen und sich gegebenenfalls auch über einzelne gemeindliche Interessen und Partikularinteressen hinwegzusetzen. Dies muss man im Auge haben, wenn man Bürgerentscheide auf Landkreisebene fordert.

Deswegen, meine Damen und Herren: Weil man mit der Verfassung generell, aber insbesondere auch mit der Kommunalverfassung in der Tat sehr sorgsam umgehen muss, wenn man nicht Gefahr laufen will, sie dem Zeitgeist zu opfern, werden wir diese Beratungen zu Ende bringen und den Gesetzentwurf in Kürze vorlegen. Dann können wir über Einzelheiten Ihrer Eckpunkte diskutieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich glaube, dass in Ihren Ausführungen nicht alles ganz logisch war:

Erstens: Sie haben ja das zuständige Organ in Ihrer Partei genannt, das letztlich die Entscheidung über den Spitzenkandidaten trifft. Es ist natürlich auch uns bekannt, dass der Ministerpräsident vom Landtag gewählt wird. Es stellt sich noch einmal die Frage: Warum haben Sie dann eine Mit

gliederbefragung durchgeführt? Sie ging doch darauf zurück, dass ein anderes Verfahren – die Entscheidung nur auf einem Parteitag zu treffen – Ihre Partei in Schwierigkeiten gebracht hätte. Es war genau die Intention – sie war teilweise natürlich taktisch motiviert –, die Frage nach dem Nachfolger des Ministerpräsidenten durch eine Mitgliederbefragung auf einer breiten Grundlage vorzuentscheiden.

Es ist genau richtig und entspricht dem Gedanken der direkten Demokratie, dass in strittigen Fragen die Bürgerschaft entweder selbst die Initiative ergreift oder man ihr ein Initiativrecht einräumt. Bei Fragen, in denen das nicht der Fall ist, wird man das nicht tun. Dafür gibt es ja gar keinen Grund.

Das ist genau das Instrument der direkten Demokratie, wie Sie es in Ihrer Partei richtigerweise auch angewandt haben. Natürlich haben wir uns darüber gefreut. Schließlich sind wir ja die Erfinder der Basisdemokratie.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Jetzt aber! – Abg. Kübler CDU: Oi! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP/DVP)

Wenn ihr das nach 25 Jahren endlich macht, ist das doch einfach gut. Dass bei euch alles ein bisschen länger dauert, wissen wir auch. Das macht letztlich aber nichts aus.

(Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Zweitens: Sie haben gesagt: „Wir dürfen die Selbstverwaltung der Kommunen nicht aushöhlen.“ Es kann doch keine bessere Selbstverwaltung der Kommunen geben, als wenn die Bürgerinnen und Bürger direkt entscheiden. Selbstverwaltung der Kommune heißt, dass die Kommune ein Selbstverwaltungsrecht hat. Aber es ist doch nicht die Frage, wer dieses Recht in der Kommune ausübt – sei es der Bürgermeister, der Gemeinderat oder die Bürgerschaft selbst. Egal, wer von ihnen es ausübt, es handelt sich immer um Selbstverwaltung der Kommune. Und wenn die Bürgerschaft selbst eine Entscheidung trifft, ist das die höchste Form der Selbstverwaltung, die man sich für eine Kommune überhaupt denken kann.

(Beifall bei den Grünen)

Des Weiteren kann die Frage der Fläche überhaupt kein Argument sein. Wir sind sogar der Meinung, dass über die Europäische Verfassung in ganz Europa einheitlich abgestimmt werden sollte. Das wäre, glaube ich, der richtige Weg. Die Fläche kann überhaupt kein Kriterium sein. Ein Kriterium kann sein, ob ein Thema von denen, die das machen, als sinnvoll erachtet wird. Die Fläche selbst ist doch überhaupt kein Kriterium. Wir leben ja in einer mobilen Informationsgesellschaft, in der man nicht mit der Postkutsche herumfahren muss, um die Bürger zu informieren. Die Fläche ist doch ein völlig absurdes Argument.

Deswegen glaube ich, dass es jetzt an der Zeit ist, das, was wir gefordert haben, umzusetzen. Sie müssen jetzt einfach einmal springen. Herr Kollege Kübler, Sie wurden jetzt irgendwie von Angst und Bedenken gepackt, und deshalb reden Sie schon wieder von Verwaltungsaufwand und was weiß ich alles. Der Verwaltungsaufwand zur Klärung einer

solch wichtigen Frage wie der nach dem Spitzenkandidaten war doch in Ihrer Partei minimal.

(Abg. Kübler CDU: Das können Sie doch gar nicht beurteilen! – Abg. Birzele SPD: Aber leider gab es einige Betrugsfälle!)

Wenn man in wichtigen Fragen die Bürgerschaft entscheiden lässt, dann ist das immer noch das Allerbilligste, weil es politischen Frieden schafft – das haben Sie doch in Ihrem eigenen Laden gemerkt –

(Abg. Kübler CDU: Partei, nicht „Laden“!)

und weil es Interesse und Engagement für politische Themen fördert. Genau das ist es, was eine lebendige Demokratie braucht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)