Protocol of the Session on December 8, 2004

Dasselbe gilt natürlich auch für die Notare. Auch die Leistung im Notariat kann frei erbracht und um etliche Aufgaben angereichert werden. Auch das wird also ein Schwerpunkt sein: Verlagerung von Aufgaben auf die Notariate.

Zum Schluss: Sie haben hier einen Antrag gestellt, der das Verwaltungsstruktur-Reformgesetz betrifft. Ich glaube aber, wir brauchen diesen Antrag wirklich nicht, weil ich erstens in Kürze mit einem Berliner Ergebnis auf diesem Gebiet rechne, wobei interessant ist, dass im Moment die Bundesregierung unseren Vorschlag dazu nicht unterschreibt. Dort wird also gebremst, aber gleichzeitig wird uns in der Föderalismuskommission – –

(Abg. Stickelberger SPD: Aus gutem Grund!)

Aus gutem Grund? Das Argument ist, man wolle keine weitere Zersplitterung. Übrigens sieht der Vorschlag gar keine Zersplitterung vor, sondern eine Vereinheitlichung. Wenn wir in Baden 25 freie Notare zulassen, bewegen wir uns ja in Richtung der Bundesnotarordnung. Aber man entdeckt dort noch ein paar Haare in der Suppe. Nur wird es

(Minister Dr. Goll)

vollends kurios, weil die Kollegin Zypries in Berlin uns gleichzeitig ernsthaft die Kompetenz für das Notariat anbietet. Es ist im Moment in der Diskussion, dass wir hier überhaupt die Gesetzgebungskompetenz bekommen.

In dieser Zeit hat, glaube ich, Ihr Antrag absolut keinen Sinn. Das Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit ist ohnehin nur deklaratorisch, und wir werden diesen Zustand, der dort beschrieben ist, nach meiner Überzeugung in Kürze haben. Darum würde ich eigentlich empfehlen, diesen Antrag gar nicht zu stellen, weil er in der jetzigen Situation nicht viel Sinn macht. Wenn er trotzdem aufrechterhalten wird, bitte ich darum, ihn abzulehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Theurer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mit einer Frage auf den Kollegen Oelmayer eingehen. Wir haben die Aktuelle Debatte mit dem Titel „Justizreform – Steigerung der Effizienz in den Kernaufgaben der baden-württembergischen Justiz“ aus gutem Grund beantragt, und es stellt sich hier die Frage, warum Ihre Anträge dazu gestellt werden. Sie passen eigentlich gar nicht so recht dazu.

Herr Kollege Stickelberger, Sie sagen, die Vorschläge, die die Justizministerkonferenz – –

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Sie reden lieber über Berlin! Das ist mir schon klar!)

Nein, es geht darum, die Effizienz in unserer Justiz zu steigern, und da brauchen wir eben auf Bundesebene gewisse Möglichkeiten – der Herr Minister hat es ja gerade ausgeführt –, zum Beispiel die Übertragung der Registerführung auf die Industrie- und Handelskammern. Das ist ein vernünftiger Vorschlag. Warum macht man es nicht? Warum reden wir jetzt nicht inhaltlich darüber, wie wir gemeinsam diese sinnvollen Vorschläge durchbekommen? Sie haben nur kurz gestreift, dass man darüber sprechen möchte.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Bei fünf Minuten Rede- zeit!)

Wir wollen darüber sprechen. Wir sprechen inhaltlich darüber. Deshalb haben wir auch diese heutige Debatte beantragt. Deshalb würde mich, Herr Kollege Stickelberger, schon interessieren, ob Sie jetzt den Vorschlag der FDP/ DVP-Fraktion und der von CDU und FDP/DVP geführten Landesregierung unterstützen, diese Registerführung auf die Industrie- und Handelskammern zu übertragen, und ob Sie auch bereit sind, Ihre Parteifreunde in Berlin davon zu überzeugen. Darum geht es doch. Sonst kommen wir in der Sache gar nicht weiter, meine Damen und Herren.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Deshalb haben wir diese Debatte hier beantragt.

(Abg. Schmiedel SPD: Der Zug ist abgefahren, Herr Kollege!)

Wir scheuen uns nicht vor einer weiteren Strukturanpassung in diesem Land Baden-Württemberg, aber sie muss sinnvoll und vernünftig sein. Sie wissen, dass wir bei den Notariaten mehr wollten. Wir werden am Ende des Prozesses auch dort angekommen sein, dass wir im freiberuflichen Notariat sind. Wir haben die Arbeits- und die Verwaltungsgerichtsbarkeit zusammengeführt und damit einen ersten Schritt zur Zusammenführung der Fachgerichtsbarkeiten getan, der auch im Katalog der Justizministerkonferenz enthalten ist.

Der dritte Punkt ist: Bei der Frage der Gerichtsstandorte stellen Sie sich hin und sagen, kleine Gerichte seien nicht wirtschaftlich. Das stimmt doch mit dem statistischen Material, das man uns vorlegt und das der Kollege Schüle erwähnt hat, überhaupt nicht überein.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das sagte doch der Rechnungshof schon vor zehn Jahren, Herr Kollege Theurer!)

Baden-Württemberg hat die geringste Richterdichte pro Einwohner, aber die kürzesten Verfahrenszeiten. Da zeigt sich doch ganz deutlich, dass große Mammutgerichte eben nicht wirtschaftlicher sind, sondern dass eine kleine und wohnortnahe Gerichtsstruktur mit zum Rechtsfrieden in diesem Land Baden-Württemberg beiträgt. Ich bin nicht bereit, gesunde Strukturen mit dem Argument zu zerschlagen, man könne dadurch Geld sparen. Nachher stellt sich unter dem Strich heraus, dass dem gar nicht so ist. Deshalb hat ja die FDP/DVP-CDU-Landesregierung auch bei der Verwaltungsstrukturreform den Weg gewählt, Aufgaben von oben nach unten zu delegieren, die Entscheidungswege zu verkürzen und die Dinge näher zum Bürger zu bringen.

Insofern bitte ich Sie noch einmal, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Gerichtsstandorte allein unsere Probleme nicht lösen können.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das hat ja keiner be- hauptet! Aber das ist e i n e Maßnahme, Herr Kollege Theurer!)

Das sind gar nicht unsere Probleme, sondern wir haben sehr leistungsfähige Amtsgerichte. Sicherlich wird man über Kleinstgerichte mit einer halben Richterstelle sprechen können,

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

aber ich bin der Meinung, dass schon ein Amtsgericht mit zwei oder drei Richterstellen sehr gut arbeiten kann, weil die Richter eine geringere Krankheitsrate aufweisen, weil sie enger eingebunden sind, weil sie die Bürgerinnen und Bürger kennen, weil sie die Verhältnisse vor Ort kennen und weil dadurch auch die eine oder andere Berufung ausbleibt, weil die Bürgerinnen und Bürger mit dem Gerichtsurteil zufrieden sind.

Abschließend, meine Damen und Herren: Der Minister hat ja angedeutet, dass es bei der SPD und den Grünen immer wieder einen Vorbehalt gegenüber Privatisierungen gibt. Da stellt man sich dann hin und sagt, das könne man nicht machen, das betreffe den Kernbereich des Staates. Da muss man doch sagen: Es ist zu prüfen, was der Staat tun kann und was der Staat tun muss. Wir Liberale sind der Meinung,

dass Private vieles gleich gut oder besser machen können als der Staat. Wir sind davon überzeugt. Wir sind aus Überzeugung für Privatisierungen.

Wenn Sie irgendwann einmal zu der Einsicht kommen, dass Privatisierungen sinnvoll sind, weil in den staatlichen Kassen einfach kein Geld mehr ist, dann ist mir das vom Ergebnis her egal. Denn schon ein Blick auf das Gesundheitswesen zeigt, dass es im medizinischen Bereich hervorragende Freiberufler, nämlich unsere Ärzte, gibt. Ich habe den Eindruck, dass in unserem Freiberufler-System auch weltweit hervorragende Gesundheitsleistungen erbracht werden, und da kommt auch niemand auf die Idee, dieses Gebiet verstaatlichen zu wollen. Dort, wo man es verstaatlicht, funktioniert es auch nicht mehr.

Deshalb, meine Damen und Herren, öffnen wir uns auch im Bereich der Justiz der Idee der Privatisierung und der Idee der Deregulierung, wie es die Justizminister jetzt angepackt haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Oelmayer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie gestatten mir eine kurze Erwiderung auf Ihre Ausführungen zur Bürgernähe. Ich habe den Eindruck, dass wir da nie zueinander kommen, weil Sie gar nicht verstehen, worum es mir geht. Mir geht es doch nicht darum, den Bürgern die Gerichte zu entziehen, und mir geht es auch nicht nur darum, aus ökonomischer Sicht die Effizienz zu steigern. Vielmehr wird es auch von der Qualität der Rechtsprechung her einfacher sein, wenn Richterinnen und Richter zu mehreren zusammengefasst in einem Gericht tätig sind, weil sie dann einen gegenseitigen Austausch betreiben können – ganz anders, als es an EinMann- oder Eine-Frau-Amtsgerichten möglich ist.

Die Bürgernähe definieren Sie, Herr Minister, immer geografisch. Vergegenwärtigen Sie sich einmal Folgendes – und ich habe mir einmal die Mühe gemacht; vielleicht könnten Sie Ihr Haus einmal beauftragen, das nachzurechnen –: Jeder Mensch in Baden-Württemberg – egal, wie alt, wie groß oder wie klein, ob männlich, ob weiblich, ob Kind, ob Erwachsener – sucht durchschnittlich einmal in seinem Leben ein Amtsgericht auf. Die Bürgernähe, die Sie meinen, kann allenfalls die Bürgernähe für Gewerbetreibende, für Unternehmen sein. Aber die werden in aller Regel – Gott sei Dank ist das so – von Anwälten vertreten, für die es keine große Zumutung darstellt, einmal 40 km bis zum nächsten Gericht zu fahren, sondern für die das in unserer heutigen Dienstleistungsgesellschaft eine Selbstverständlichkeit ist. Deswegen bitte ich Sie, einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass es mir nicht um die Bürgernähe per se geht; die steigern Sie mit anderen Maßnahmen: etwa durch einen Tag der offenen Tür oder ähnliche Initiativen, die Sie von Ihrem Haus aus ja durchaus schon eingeleitet haben, aber nicht durch die Zahl der Gerichtsstandorte.

(Beifall bei den Grünen)

Ich möchte aber doch noch auf die jetzt wieder angedachte, andiskutierte und von der Justizministerkonferenz ja wohl auch beschlossene große Justizreform eingehen, weil Sie von der Fraktion der FDP/DVP diese ja auch heute zum Thema gemacht haben. Es gibt drei Zielsetzungen –

(Abg. Theurer FDP/DVP: Vier!)

wenn ich das Papier, das dort beschlossen worden ist, richtig kenne –, die mit dieser Reform verfolgt werden. Erstens soll das Rechtswesen für die Bürger verständlicher gemacht werden – das kann ich voll mittragen –, zweitens soll die Klageflut, die stetig zugenommen hat, eingedämmt werden, und drittens sollen Kosten gespart werden.

Wenn man diese Zielsetzungen so sieht und in das Zentrum des Papiers und des Reformvorhabens stellt, haben wir, muss ich sagen, keine Einwände. Man muss jetzt aber die einzelnen Reformvorhaben, die Sie vortragen und die dort wohl ja auch mehrheitlich beschlossen worden sind, im Einzelfall untersuchen.

Jetzt sprechen Sie davon, die Rechtswege verständlicher zu machen. Das wollen Sie offensichtlich auch dadurch erreichen, dass man die Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger quasi auf zwei Instanzen beschränkt. Wir lehnen dies nicht fundamental ab – nicht, dass Sie mich falsch verstehen –, aber für jeden Anwalt und für jede Anwältin wird es in Zukunft bei einer Klage in der ersten Instanz so sein, dass dann, wenn es keine weitere Tatsacheninstanz gibt, all das, was an Prozessmaterial eingebracht werden kann, natürlich in diese erste Instanz auch eingebracht werden muss. In der Regel wird dies das Amtsgericht sein, oftmals vielleicht auch das Landgericht. Aber die Flut dessen, was dann in der ersten Instanz auf die Gerichte zukommt, hat nichts mit Einsparungen und meines Erachtens auch noch gar nichts mit besserer Verständlichkeit zu tun – vor allem dann nicht, Herr Minister, wenn Sie, wie Sie gerade jetzt hier angekündigt haben, von dem Wahlrecht des Rechtsmittels ausgehen. Glauben Sie denn ernsthaft, dass die Menschen draußen im Land verstehen, welche Wahlrechtsmöglichkeiten sie haben, um Tatsachenentscheidungen überprüfen zu lassen? Dieses Reformvorhaben unter das Motto „Transparenter und verständlicher“ zu stellen, kann ich so nicht ganz nachvollziehen.

Mir ist auch noch nicht ganz klar, Herr Minister – dazu sollten Sie vielleicht auch noch etwas sagen –, wie dadurch die Klageflut eingedämmt werden kann. Die Menschen klagen doch nicht einfach aus Jux und Tollerei.

(Abg. Röhm CDU: Manchmal schon!)

Das kann man niemandem unterstellen. Es gibt vielleicht verschiedene Ursachen, warum jemand klagt, und es gibt immer irgendwelche Menschen, die Querulantentum betreiben, keine Frage.

(Abg. Röhm CDU: So ist es!)

Aber in aller Regel verfolgen die Menschen ihren Rechtsanspruch zu Recht. Das haben Sie ja auch gar nicht in Abrede gestellt. Deswegen ist meine Frage an Sie: Wie wollen Sie denn die Klageflut eindämmen?

Das letzte Thema ist die Kostenersparnis. Vorhin habe ich eingefordert, Strukturentscheidungen bei dem Reformvorhaben auch hier im Land zu treffen, um Kosten zu sparen. Eine Antwort auf die Frage, wie hoch die Kosten sind, die eingespart werden könnten, ist das Finanzministerium – von dem jetzt niemand mehr anwesend ist – schuldig geblieben. Auch in Ihrer Antwort – das haben Sie ja schon eingeräumt – stehen die Kosteneinsparungen durch die Sparmaßnahmen nicht drin.

Die Frage, die sich in Bezug auf das Reformvorhaben der Justizministerkonferenz aber an dieser Stelle stellt, ist: Wo sollen denn dort die Kostenersparnisse entstehen? Das Vorhaben führt – nach einer ersten oberflächlichen Prüfung; mehr war ja bis heute gar nicht möglich – erst einmal zu einem Abbau von Rechtswegen. Als wir vor vier Jahren diese Debatte schon einmal hier im Landtag geführt haben, war dies Ihr zentrales Argument gegen die damals angedachte große Justizreform der inzwischen ausgeschiedenen SPDBundesjustizministerin. „Rechtswegeabbau“, „Abbau des Rechtsstaats“ und ähnliche Floskeln sind hier gefallen.

Deswegen glaube ich, dass wir hierüber diskutieren müssen. Das ist keine Frage, und wir sind als grüne Fraktion auch bereit, die Themen, die dort genannt worden sind, von der Prozessordnung über die Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeit bis hin zur Frage, was die Notare übernehmen können, zu diskutieren. Das diskutieren wir gerne mit Ihnen, aber nicht auf der derzeitigen Grundlage. In dieser ersten Aktuellen Debatte hierzu können wir jedenfalls noch keine Entscheidungen treffen. Wir werden aber interessiert, gespannt und auch engagiert die Debatte mit Ihnen hier im Hause führen. Wenn Sie Ihrerseits auch bereit sind, Debatten zu führen, die die Justiz im Land betreffen, sind wir umso engagierter dabei.

Vielen Dank.