Wenn wir für das bürgerschaftliche Engagement nach neuen Kräften suchen, dann sollten wir wegen der demografischen Entwicklung auch nicht unsere vielen rüstigen, zum Teil hoch qualifizierten Rentner und Pensionäre vergessen. Sie können sich in Zukunft sehr wohl in vielen Bereichen noch mehr einbringen.
(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Christoph Palmer CDU: Sehr richtig! – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Das tun sie auch!)
Was wir nicht glauben dürfen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, dass wir ehrenamtliches Engagement von Berlin und Stuttgart aus steuern könnten. Ehrenamtliches Engagement muss vor Ort stattfinden, nämlich dort, wo es gewachsen ist: in der Kommune, in den Kirchen, in den Vereinen. Wichtig ist aber auch – der Antrag der Kollegen von der Fraktion GRÜNE ist in diesem Zusammenhang lobenswert, und auch Kollege Dr. Döring hat bereits darauf hingewiesen –, dass wir in Zukunft auch die Betriebe in das ehrenamtliche Engagement mit einbinden.
Lieber Herr Kollege Dr. Döring, mir ging es vorhin mit diesen Begrifflichkeiten genauso wie Ihnen. Ich kann voll unterstreichen, was Sie gesagt haben. Aber ich habe einmal in der Drucksache geblättert und festgestellt, dass es noch der Wirtschaftsminister Dr. Döring war, der die Stellungnahme zu diesem Antrag unterschrieben hat.
Ich sage das nur, weil er gesagt hat, das hätte das Wirtschaftsministerium anders beschreiben müssen.
Wir verstehen unter bürgerschaftlichem Engagement der Wirtschaft aber nicht nur Sponsoring, sondern wir verstehen darunter auch, dass die Wirtschaft ihre Kompetenzen, aber auch die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter der Gesellschaft zur Verfügung stellt. Es gibt aus der Vergangenheit genügend gute Beispiele. Das bürgerschaftliche Engagement, das von der Wirtschaft ausging, war allerdings schon einmal besser, und ich denke, wir müssen auch wieder an das Management der Firmen appellieren, hier wieder vorbildhaft tätig zu sein.
Was wir nicht brauchen, meine Damen und Herren, sind wieder neue runde Tische, an denen alles wieder diskutiert und zerredet wird.
(Beifall der Abg. Heiderose Berroth und Beate Fauser FDP/DVP sowie Hauk CDU – Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr gut!)
Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass das bürgerschaftliche Engagement auch in Zukunft auf allen Ebenen unbürokratisch stattfinden kann.
(Abg. Capezzuto SPD: Ich? Nein! Frau Queitsch! – Abg. Fischer SPD: Frau Queitsch! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Los, Mario, ihr müsst jetzt ran! – Unru- he)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weiß zwar nicht, wie es zu dieser Verwechslung kommt, aber selbstverständlich werde ich zu diesem Thema reden.
Herr Döring, ich habe Ihren wenigen Sätzen sehr interessiert zugehört und habe mir dann überlegt, ob Sie die Aktuelle Debatte zu diesem Thema deswegen auf die heutige Tagesordnung gesetzt haben, damit Sie die Möglichkeit haben, die Streichliste im freiwilligen Bereich, die ja bei den Beratungen zum Doppelhaushalt ansteht, zu begründen,
indem Sie vom „Rückzug des Staates“ sprechen. Ich finde, es ist im Grunde genommen schon eine Unverschämtheit, einen solchen Tagesordnungspunkt mit dieser Argumentation auf die Tagesordnung zu setzen
und dann noch zu fordern, der Staat solle sich aus seinen Aufgaben zurückziehen. Diesen Rückzug erleben wir am laufenden Band.
Aber, meine Damen und Herren, bundesweit engagiert sich wirklich jeder Dritte freiwillig ehrenamtlich. Ich denke, das ist etwas, was wir auch zu würdigen wissen. Bundesweit sind dies 22 Millionen Menschen; in Baden-Württemberg sind es über 4 Millionen. Wenn man sich diese Zahlen genauer anschaut, erkennt man, dass im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements gerade der Anteil der Menschen ab 55 Jahren zunimmt. Ich denke, das ist für uns auch ein Ansporn, dafür zu sorgen, dass die Leute in ihrem bürgerschaftlichen Engagement nicht allein gelassen werden. Deswegen habe ich schon meine Probleme damit, heute über den Rückzug des Staates zu diskutieren, aber gleichzeitig zu wissen, wie die Streichliste draußen im Land ankommt.
Sie alle wissen: Natürlich gibt es das bürgerschaftliche Engagement nicht zum Nulltarif. Das ist völlig klar. Das bürgerschaftliche Engagement kann auch keine „Feuerwehrlöschfunktionen“ übernehmen
nun gut, das ist eine Anleihe bei Ihnen –, und es kann im Grunde genommen auch nicht das Sparschwein sein. Bürgerschaftliches Engagement erwartet auch Aktivitäten des Staates.
Ich kann Ergebnisse aus einer Umfrage zitieren, wonach die Hauptwünsche derer, die sich in unserem Land bürgerschaftlich engagieren, folgende sind: erstens bessere Finanzierung der Projekte, zweitens Bereitstellung der erforderlichen Räume, drittens Weiterbildungsmöglichkeiten und fachliche Unterstützung; dazu käme dann noch der Versicherungsschutz. Ich denke, meine Damen und Herren, mit den Wünschen derer, die sich Tag für Tag in unserem Land vor Ort bürgerschaftlich engagieren, müssen wir entsprechend ernsthaft umgehen und können nicht nur von einem Rückzug des Staates reden.
Ich habe das Gefühl, es werden immer wieder sehr viele Sonntagsreden gehalten, aber gleichzeitig ist eine sehr kritische Tendenz erkennbar, indem die freiwilligen Leistungen im Grunde zurückgefahren werden.
Es geht um die Übungsleiterpauschale, es geht aber auch noch weit darüber hinaus. Sie alle werden jeden Tag damit konfrontiert. Die Opposition, aber, ich hoffe, genauso die Regierungsfraktionen werden von den Gruppierungen der Freiwilligen ständig angegangen, welche einfach darauf hinweisen. Was von der Sparliste bis jetzt bekannt ist, das wird manches bürgerschaftliche Engagement zu Tode reiten. Man wird das einfach nicht überstehen können.
Ich wünsche mir, dass auch Sie diese Gespräche führen, und ich wünsche mir, dass die Regierungsfraktionen – es ist zwar selten, dass sie den Mut aufbringen, etwas gegen die Landesregierung zu sagen; meistens sind sie ja im Grunde bloß – –
Ja, genau, aber so deutlich wollte ich es nicht sagen. Sie führen aber im Grunde genommen das aus, was die Landesregierung vorgibt.
Ich wünsche mir, dass Sie die Diskussion mit den Gruppierungen ganz offen führen und dann das eine oder andere nachbessern. Uns haben Sie auf jeden Fall an Ihrer Seite.
Natürlich hat auch die Landesregierung eine Vorbildfunktion, auch gegenüber ihren eigenen Bediensteten, vom Lehrer bis zum Ministerialdirigenten oder bis zu sonst wem, um darauf hinzuwirken, dass sich mehr Leute ehrenamtlich engagieren.
Sie haben – das muss ich leider sagen – jetzt eine ganz große Chance verpasst. Sie hätten nämlich die Möglichkeit gehabt, eine Vorbildfunktion zu übernehmen. Wir haben in der letzten Zeit sehr viel über ehemalige Minister gesprochen. Was wäre denn so schlimm daran gewesen, wenn diese ehrenamtlichen Minister, statt Bier zu zapfen, statt Lotto zu spielen, statt irgendwelche Küchen anzuschauen, sich einfach ehrenamtlich engagierten? Wäre das denn so schlecht gewesen? Wäre das nicht eine Vorbildfunktion gewesen?
Es mag ja sein, dass Sie das als saudumm empfinden. Ich will jetzt nicht sagen, was ich zu Ihren Funktionen und zu Ihren Tätigkeiten sagen würde, wenn ich sie noch einmal reflektieren würde.
Ich bin ja nicht so weit gegangen, gleich zu sagen, Sie bräuchten eine Selbsthilfegruppe für ehemalige Minister. So weit wollte ich gar nicht gehen.
Wenn Sie mich jetzt schon so herausfordern: Man könnte natürlich auch sagen: Wenn diese Regierung in den nächsten Monaten so weitermacht, dann reicht die Zahl der ehemaligen Minister fast zur Anmeldung eines Vereins. Nur damit Sie wissen, wo Sie so langsam landen.
(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sie sind dem Thema aber nicht gerecht geworden, Frau Kollegin! – Abg. Capezzuto SPD: Minister a. D. e. V.! Eingetragener Verein!)