Ich möchte nämlich einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Gebührenrechts einbringen. Gestatten Sie mir, diesen Gesetzentwurf zu begründen.
Zur Ausgangslage: Mit unserem Gesetzentwurf novellieren wir im Wesentlichen das Landesgebührengesetz, wie es seit dem Jahr 1961 bestanden hat. Damals wurden die in Baden, Württemberg und Hohenzollern geltenden Regelungen zu einem einheitlichen Gebührenrecht des Landes BadenWürttemberg zusammengefasst.
In den vergangenen mehr als 40 Jahren haben sich die Verwaltungsstrukturen, die Handlungsformen der Verwaltung und die rechtlichen Rahmenbedingungen ganz entscheidend geändert. Das war für uns der Anlass, das Gebührenrecht des Landes auf den Prüfstand zu stellen und grundlegend zu überarbeiten. Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf übernimmt die Regelungen, die sich bewährt haben, und stellt sie in ein neues, zukunftsfähiges gebührenrechtliches Gesamtkonzept.
Einer der wesentlichen Punkte ist die Dezentralisierung unseres Gebührenrechts. Mit der Verwaltungsstrukturreform haben wir die unteren Verwaltungsebenen nachhaltig gestärkt; mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir diese Stärkung konsequent fort. Die Landratsämter, Verwaltungsgemeinschaften und Gemeinden können künftig als untere Verwaltungsbehörden ihre Gebührensätze selbst festsetzen. Die Kosten der Verwaltung vor Ort werden für den Bürger unmittelbar transparent. Er kann das Preis-Leistungs-Verhältnis gleichartiger öffentlicher Leistungen vergleichen und einen günstigeren Preis anmahnen.
Das erhöht die Motivation der Verwaltung, wirtschaftlich zu handeln. Gleichzeitig wird das Kostenbewusstsein der Verwaltung und des Bürgers gestärkt.
Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass in Zukunft die Gemeinden und für viele dieser Gebühren die Landratsämter zuständig sind und dass natürlich der Vergleich unter den Gemeinden durchaus dazu führen kann, dass in den Gemeinderäten darüber diskutiert wird, wieso eine Gebühr in der eigenen Gemeinde höher als in einer anderen Gemeinde ist, ob das an der ineffizienten Erfüllung der Aufgabe liege oder ob falsch kalkuliert worden sei. Wir alle sind Anhänger der kommunalen Selbstverwaltung, und deswegen ist dies, glaube ich, der richtige Schritt.
Der nächste Punkt: Es sollen betriebswirtschaftliche Grundsätze eingeführt werden, vor allem ein Kostendeckungsgebot.
Der Gesetzentwurf berücksichtigt betriebswirtschaftliche Leitgedanken und knüpft damit auch an die Fortentwicklung unseres Haushaltsrechts aus dem Jahr 1998 an. Wir haben damals das Haushaltsrecht modernisiert und um betriebswirtschaftliche Elemente wie zum Beispiel die Kosten- und Leistungsrechnung erweitert. Durch den Einsatz der Neuen Steuerungsinstrumente in der Haushaltswirtschaft haben wir die Grundlagen für eine betriebswirtschaftliche Kostenkalkulation entscheidend verbessert.
Um auch da ganz praktische Beispiele zu nennen: Wir werden in Zukunft in der Lage sein, in jedem Fall Abschreibungen, auch kalkulatorische Abschreibungen, in die Kostengebühren einzusetzen, bis hin zur kalkulatorischen Verzinsung von Eigenkapital. Selbstverständlich werden wir neben dieser Kostendeckung immer auch noch die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der sozialen Gerechtigkeit berücksichtigen. Aber der Normalfall wird natürlich die Kostendeckung einer Gebühr sein müssen.
Drittens: Entbürokratisierung und Deregulierung. Der Gesetzentwurf trägt auch den Entbürokratisierungs- und Deregulierungsbestrebungen des Landes Rechnung. Wir wollen überholte Spezialregelungen, zum Beispiel Gebührenmarken, abschaffen. Wir wollen Zustimmungsvorbehalte für die einzelnen Regelungen aufgeben, zum Beispiel den Zustimmungsvorbehalt des Finanzministeriums.
Dort, wo es möglich ist, übernimmt das neue Gebührenrecht inhaltlich die Regelungen der Abgabenordnung oder lehnt sich an diese an. Mit der Abgabenordnung hat jeder Steuerzahler zu tun, und deswegen sind diese Regelungen vielleicht nicht unbedingt populärer, aber doch zumindest bekannter.
Dieser zuletzt von mir genannte Punkt führt auch zu einer höheren Rechtssicherheit für den Gebührenschuldner. Insbesondere kann bei Streitigkeiten auf die Auslegungskriterien des allgemeinen Abgabenrechts Bezug genommen werden.
Der Gesetzentwurf greift den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Begriff der „öffentlichen Leistung“ auf. Bisher waren Begriffe wie „Amtshandlung“ und „(Be-)Nutzung“ üblich. Wir wollen hier aber ganz bewusst den Begriff „öffentliche Leistung“ einführen. Unter dem neuen umfassenden Begriff der „öffentlichen Leistung“ lassen sich heute alle praktizierten Handlungsformen der Verwaltung zusammenfassen. Der weite Begriff erleichtert auch die Einbeziehung neuer Rechtsentwicklungen bei den Formen des Verwaltungshandelns.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass das Land Baden-Württemberg ein Vorreiter ist. Der Bund ebenso wie auch andere Bundesländer versuchen seit vielen Jahren, ihr Gebührenrecht zu novellieren. Wir werden die Ersten sein, die ein solches modernes, flexibles und zukunftsfähiges Gebührenrecht haben, wenn der Landtag entsprechend zustimmt.
Wir gehen also mit unserer Gesetzesvorlage den Weg der Modernisierung unserer gesamten Landesverwaltung konsequent weiter, und ich möchte Sie um Ihre Unterstützung bitten. Einzelheiten werden wir wie gewohnt im Finanzausschuss diskutieren, und ich hoffe, dass wir eine breite Zustimmung zu diesem Gesetz finden werden.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion begrüßt den Entwurf zur Neuregelung des Landesgebührenrechts, weil damit das über 40 Jahre alte Landesgebührenrecht in großem Umfang modernisiert und die Eigenverantwortung vor allem der kommunalen Ebene gestärkt wird. Darüber hinaus wird auf zwischenzeitlich überflüssig gewordene Vorschriften verzichtet.
Ich möchte insbesondere hervorheben, dass die Einführung der dezentralen Gebührenfestsetzung durch die unteren Verwaltungsbehörden, die in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, den Landratsämtern, Verwaltungsgemeinschaften und Gemeinden erstmals die Möglichkeit gibt, Gebühren – genauer gesagt, die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebührensätze – eigenständig festzulegen. Diese Zuständigkeit lag bisher bei der Landesregierung, und man konnte individuelle Verhältnisse vor Ort nicht entsprechend berücksichtigen.
Das bedeutet aber auch, dass wir in den verschiedenen Landkreisen oder Verwaltungsgemeinschaften unterschiedliche Gebühren bekommen. Aber die Gebühren können dann stärker auf betriebswirtschaftliche Prinzipien hin ausgerichtet werden, weil sie explizit auf der Basis einer betriebswirtschaftlichen Kostenkalkulation errechnet werden und weil die Verwaltungskosten dann nach den betriebswirtschaftlich ansatzfähigen Kosten wie Personal-, Sachund Gemeinkosten im jeweiligen Gebiet ermittelt werden.
Das kann – das will ich auch deutlich sagen – in dem einen oder anderen Fall zu Gebührenerhöhungen führen; es kann aber auch zu Gebührensenkungen führen, da zwischen den einzelnen Ebenen dann auch eine unmittelbare Vergleichbarkeit gegeben ist. Das Kostenbewusstsein und der Druck zu wirtschaftlichem Verwaltungshandeln werden dadurch erhöht, und das ist sicher im Sinne von uns allen.
Es werden auch Sonderregelungen in allgemeinen Bereichen wie zum Beispiel bei Stundung oder Erlass gestrichen, und es erfolgen Anpassungen an das allgemeine Abgabenrecht. Das dient der Rechts- und damit auch der Verwaltungsvereinfachung.
Lassen Sie mich noch einen Einzelfall aus dem Gesetzentwurf ansprechen, zu dem wir im Finanzausschuss einen Änderungsantrag stellen werden. Es handelt sich hier um die fleischhygienerechtlichen Gebühren. Nach dem derzeitigen Entwurf gibt es zwei gebührenrechtliche Rückwirkungstatbestände in diesem Bereich. Einmal können bis zum 31. Dezember 2003 die Kreise die ihnen entstandenen Kosten für die Trichinenuntersuchungen und für die bakteriolo
gischen Untersuchungen erheben, die aufgrund einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2002 nicht mehr erhoben werden dürfen. Diese Gebühren können die Kreise bis 31. Dezember 2003 so erheben, wie es nach der alten Gebührenverordnung möglich war. Das bedeutet also keine Mehrbelastung des Gebührenschuldners.
Jetzt kommt der entscheidende Knackpunkt. Ab 1. Januar 2004 sollen die Kreise rückwirkend insgesamt kostendeckende Fleischhygienegebühren auf der Grundlage eigener Gebührensatzungen erheben. Wir haben jetzt Oktober. Wir werden das Gesetz im November endgültig verabschieden. Das hieße dann rückwirkend möglicherweise erhöhte Gebühren für elf Monate. Das halten wir nicht für richtig. Wir wollen einen Änderungsantrag dahin gehend einbringen, dass die ungedeckelten Gebühren nicht ab 1. Januar 2004, sondern erst mit Inkrafttreten des Gesetzes ab 1. Januar 2005 erhoben werden können. Das dient einfach auch dazu, dass die Gebührenschuldner gleich behandelt werden und wir keine rückwirkend erhöhten Gebühren erheben.
Diese Änderungswünsche sind uns von verschiedenen Bereichen, insbesondere aus dem Kreis der Landwirte und Schlachtbetriebe, mitgeteilt worden.
Wir halten das für überzeugend. Deshalb wird ein entsprechender Änderungsantrag in der zweiten Lesung kommen. Weitere Details können wir noch im Ausschuss besprechen. Ansonsten stimmen wir dem Gesetz im Grundsatz zu.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat zu Recht angedeutet, dass dieses Gesetz keinen Anlass zu ideologischen Grabenkämpfen gibt. Gestatten Sie mir gleichwohl einige Bemerkungen.
Wir begrüßen natürlich die Anpassung des Gebührenrechts an das moderne Verwaltungshandeln insgesamt. Wir halten es für richtig, hier den Leistungsbegriff einzuführen, um dem Tätigwerden der modernen Verwaltung in seiner Breite Rechnung zu tragen. Das ist sicher der richtige Weg. Wir begrüßen auch die Festlegung des Kostendeckungsprinzips und des Äquivalenzprinzips in einfacher gesetzlicher Regelung. Diese Vorgaben haben wir schon bisher aufgrund der Rechtsprechung grundsätzlich im Gebühren- und Abgabenrecht, aber es erfolgt jetzt eine Klarstellung, die sicher auch Rechtsklarheit für die Gebührenschuldner bringt.
Mit dem Gesetz wird auch das Ziel erreicht, dass das Gebührenhoheitsrecht, wenn man es einmal so sagen darf, der Aufgabe folgt. Insoweit ist die jetzige Gesamtregelung sicher auch konsequent im Hinblick auf die Zuständigkeitsveränderungen nach dem Verwaltungsstruktur-Reformgesetz. Die Gebühr folgt der Aufgabe, also derjenige, der die
Verwaltungsleistung erbringt, soll auch die Hoheit haben, die Gebühr festzusetzen. Das ist sicher ein richtiger Weg, auch wenn wir natürlich – das wurde vom Kollegen Herrmann angedeutet – in den Landkreisen, in den unteren Verwaltungsbehörden zu unterschiedlichen Gebührensätzen kommen werden. Das mag im einen oder anderen Fall zu Beschwerden seitens der Gebührenschuldner führen, es mag aber auch Erleichterungen geben.
Ich gehe einmal davon aus, dass wir eine Phase bekommen werden, in der die Gebühren dann auch einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen – wie auch bisher schon – und dann an den Grundsätzen des Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzips gemessen werden. Ich halte diese unterschiedliche Gebührenfestsetzung vor diesem Hintergrund auch für vertretbar.
Im Übrigen ist da ja auch der Wettbewerbsgedanke von Bedeutung. Den darf man nicht unterschätzen. Ich glaube, dass hier durchaus ein sinnvoller Wettbewerb im Verwaltungshandeln eintreten kann.
Sie, Herr Finanzminister, und auch der Kollege Herrmann haben auf einige Einzelheiten verwiesen. Darüber wird dann sicher noch im Ausschuss zu diskutieren sein. Wir haben einige Bedenken dagegen, dass wir in den Fällen, in denen keine tatbestandliche Regelung vorliegt, eine Gebühr von bis zu 10 000 € bekommen können. Wir haben Zweifel daran, dass dies dem Bestimmtheitsgebot entspricht. Es gibt auch die Gebührenregelung, dass, wenn etwa Genehmigungsfiktionen eintreten, genau so eine Gebühr ausgelöst wird wie beim eigentlichen Verwaltungshandeln selbst. Auch das ist möglicherweise nicht ganz unproblematisch. Aber darauf können wir im Ausschuss noch im Einzelnen eingehen.
Für nicht problematisch halten wir die Anregung des Landkreistags, die Sie in Ihrer Vorlage auch behandelt haben, bei der Erhebung von Gebühren durch die Landratsämter im kommunalen und staatlichen Bereich auf das Gebührengesetz zu verzichten und stattdessen das KAG generell zur Anwendung zu bringen. Dazu wird – meines Erachtens konsequent – ausgeführt, dass man zwischen den staatlichen Aufgaben, die die Kommunen wahrnehmen, und ihren Selbstverwaltungsaufgaben trennen muss und dass diese Unterscheidung verwischt würde, wenn man hier das KAG anwendete. Allerdings ist es für den Bürger zunächst einmal wenig transparent, dass ein Organ in dieser Gesellschaft einmal nach den gebührenrechtlichen Vorschriften handelt und im anderen Fall die Gebühren nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes festsetzt. Das scheint mir aber im Ergebnis nicht ganz so bedeutsam zu sein; denn der Bürger wird die Gebühr in erster Linie danach beurteilen, wie hoch sie ist, und nicht danach, auf welcher gesetzlichen Grundlage sie festgesetzt wird. Gleichwohl ist diese systematische Präzision sicher strukturkonform, wenn man davon ausgeht, dass man die Gebührenhoheit der Aufgabe folgen lässt.
Klarstellungen sind auch im Bereich der persönlichen Gebührenfreiheit erfolgt. Dabei beschränkt man sich in be
Einen brisanten Punkt, der besonders auch die Verbände interessiert, haben Sie angesprochen, Kollege Herrmann. Es geht um die Rückwirkung in Bezug auf Leistungen, die aufgrund des Fleischhygienegesetzes erbracht werden. Ich darf auf die entsprechenden Veröffentlichungen, etwa vorgestern in der „Stuttgarter Zeitung“, verweisen. Ich gehe davon aus, dass diese Rückwirkungswirkung aufgrund des angekündigten Änderungsantrags abgemildert wird; denn sie führte sicher dazu, dass die fleischverarbeitenden Betriebe da in Schwierigkeiten kommen würden.
Sie sind ohnehin einem starken Wettbewerb ausgesetzt und können oder werden das möglicherweise bei ihren Kunden ihrerseits nicht mehr rückerheben.
Im Übrigen sind wir wahrscheinlich damit konfrontiert, dass aufgrund europarechtlicher und verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ohnehin wegen der neuen Gebührensicht auch Gebührenerhöhungen in diesem Bereich zu erwarten sind. Insofern glaube ich, dass man mit diesem Antrag, den Sie angekündigt haben, dann auch die entsprechenden Folgen abmildern kann. Insoweit warten wir die Beratungen im Ausschuss ab.