bringt, sondern die Regierungsfraktionen, und dass eine Anhörung der Betroffenen faktisch ausgeschlossen wird,
wenn Sie die Beratungen im September fortsetzen wollen. Sie bringen diesen Gesetzentwurf jetzt zu Beginn der Semesterferien ein. Die Gremien in den Hochschulen werden gar keine Möglichkeit haben, sich damit zu beschäftigen. Wenn Sie sagen, das liege an der Frist, erwidere ich: Sie haben bei den Selbstauswahlverfahren für die Studiengänge mit lokalem Numerus clausus den Hochschulen eine viel kürzere Frist zwischen Gesetzesverabschiedung und -einführung gelassen, als Sie das jetzt tun. Insofern ist das eine Ausrede, die ich nicht gelten lasse.
Ich schicke voraus, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen: Es ist eine Illusion, zu glauben – was Sie jetzt gerade hier beschworen haben –, das Auswahlrecht würde Hochschulen und Studieninteressierte besser zusammenführen und damit die Studienabbruchzahlen nachhaltig reduzieren. Unabdingbar ist vielmehr, dass vor jedem Auswahlverfahren Schulen und Berufsberatung Studierwillige besser informieren.
Wichtig ist auch, dass nach validen Auswahlverfahren Studienanfänger besser beraten und betreut werden müssen. Aber aufwendige und teure Auswahlverfahren nehmen den Hochschulen das Geld dafür, solche Dinge dann tatsächlich auch umzusetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP: Das kommt ja wieder rein! Das habe ich doch ganz deutlich ausgeführt! Das kommt ja wieder zurück! – Abg. Pfisterer CDU: Die sparen doch das Geld! Klar wird das gespart!)
Die ZVS wurde im Oktober 1972 durch einen Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen zwischen Bund und Ländern gegründet. Sie diente zur gerichtsfesten Bewältigung des Ansturms von Studierenden in Fächern mit bundesweitem Numerus clausus.
(Abg. Pfisterer CDU: Staatsbürokratie! – Gegenruf des Abg. Fischer SPD: Jetzt hör doch auf! Ihr wart doch lange dran! Ihr hättet das verhindern können! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)
Seit Rot-Grün die CDU/CSU-FDP-Regierung abgelöst hat, wird die Bundesregierung zunehmend mit einer ablehnenden Haltung der unionsregierten Länder konfrontiert. Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, Sie hatten ja 16 Jahre lang Zeit, im Bund einiges zustande zu bringen.
(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Caroli SPD: So ist es! 16 Jahre nichts getan! – Gegenruf des Abg. Pfisterer CDU: Wir haben doch viel gemacht in der Zeit! Es ging aufwärts!)
Sie haben weder die ZVS aufgelöst, noch haben Sie die Besoldungsstruktur geändert, noch haben Sie das Dienstrecht geändert. Das Einzige, was Sie in den 16 Jahren geschafft haben, ist, dass Sie den Bundeswissenschaftshaushalt als Sparbüchse verwendet haben und dass Sie das BAföG so zurückgefahren haben, dass Leute, deren Eltern keinen dicken Geldbeutel hatten, nicht mehr studieren konnten.
(Beifall bei der SPD – Abg. Pfisterer CDU: Das Land ist heute bankrott! Heute sind wir Schluss- licht! Das Schlusslicht Europas sind wir heute, nicht damals! Heute Schlusslicht, rote Laterne! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)
(Abg. Schmiedel SPD: Schlusslicht sind wir heute! Nichts gemacht! – Abg. Fischer SPD zur CDU: Ihr habt alle Gedächtnislücken!)
Der Widerstand gegen die Auflösung basierte nicht auf Behördenverliebtheit, sondern darauf, dass die die Auflösung ablehnenden Länder die zentrale Vergabe als Erleichterung für die Studierenden und die Hochschulen angesehen haben. Sie wollten vermeiden, dass Tausende von Studierenden durch die ganze Republik reisen, um sich an mindestens zwei Hochschulen dem Auswahlverfahren zu unterziehen oder eben doch – was man ja eigentlich gar nicht will – in den Hochschulen in Wohnortnähe. Sie fürchten, dass die Hochschulen trotz des immensen Aufwands eben nicht die Besten kriegen.
Machen wir es konkret: Es gibt 120 Studienplätze. Darauf bewerben sich 2 500 Studierwillige. Von denen werden 120 – angeblich – nach Bestenauswahl-Kriterien ausgewählt. Wenn nur 70 diesen Studienplatz annehmen, wird um 50 aufgefüllt. Das zeigt, dass das, von dem Sie glauben, dass es stattfinden wird, nicht funktionieren wird.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Es funktio- niert in vielen Ländern dieser Erde! Das werden auch wir hinkriegen!)
Aus diesem Grund haben auch die Hochschulen, die schon seit 2002 diese Möglichkeit gehabt hätten, dieses Angebot nur zögerlich wahrgenommen. Nur 31 von 225 Fakultäten in der Bundesrepublik haben zu diesem Auswahlverfahren gegriffen. Wenn die Hochschulen der Meinung wären, dass dies das Nonplusultra ist, um zu garantieren, dass kein Studienabbruch erfolgt, hätten sie das sicher gemacht.
Selbstauswahl soll kein Selbstzweck sein. Ziel dieses hohen Aufwands – so auch die Begründung Ihres Gesetzentwurfs – soll die nachhaltige Reduzierung der Abbrecherquote sein. Heute wie bei den vergangenen Beratungen zu dieser Fragestellung sehen wir die Prioritäten in anderen Feldern. Vermehrte Anstrengungen sind notwendig, damit Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Berufsberatung besser über Hochschulen und Studienangebote informiert sind. Notwendig sind genauere Informationen
über die von den Hochschulen angebotenen Studiengänge. Notwendig ist, dass junge Menschen besser wissen, welche Fähigkeiten und Interessen sie mitbringen und wie das zu den Studienangeboten passt.
Noch ein Wort zu den Kosten. Lapidar steht im Gesetzentwurf, dass die Hochschulen den Mehraufwand tragen. Sie reden gerade davon, durch die niedrigere Studienabbrecherquote werde erreicht, dass die Hochschulen viel Geld übrig haben werden.
Dies wird durch das Auswahlverfahren allein nicht erreicht werden. Die Hochschulen werden auf den Kosten sitzen bleiben. Dass das so ist, hat der Minister in seinem Gesetzentwurf zur Novellierung des Hochschulgesetzes ja schon vorweggenommen, indem er den Hochschulen zugesteht, für das Auswahlverfahren Gebühren zu erheben. Wenn sie so viel Geld einsparen würden, müsste er den Hochschulen diese Möglichkeit gar nicht eröffnen.
Auf die Studierenden und Studierwilligen kommen zusätzliche Kosten zu – immerhin wird das in dem Gesetzentwurf zugegeben –, und zwar für Fahrtkosten, für Übernachtungskosten, die unter Umständen mehrfach und in nicht unerheblichem Umfang anfallen. Und wenn Gebühren ermöglicht werden, gibt es zusätzlich noch Gebühren. Dabei stellt sich schon die Frage, wo die Chancengleichheit bleibt.
Dem heute vorgelegten Gesetzentwurf werden wir nach den Beratungen im Ausschuss zustimmen, wenn auch mit kritischem Realismus und der Forderung nach Evaluation, ob das, was Sie mit diesem Gesetzentwurf wollen, tatsächlich auch in den Hochschulen eintritt. Den Gebühren – das kündige ich heute hiermit schon an – werden wir jedoch nicht zustimmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Reform, die jetzt im Bundestag und im Bundesrat auf den Weg gebracht wurde, erweitert die Möglichkeiten des direkten Hochschulzugangs. Das ist gut, das Ziel ist richtig: Selbstauswahlrechte der Hochschulen und im gleichen Maße der Studierenden sind zu stärken. Allerdings ist die Umsetzung, die hier im Land vorgenommen wird, das Problem.
Der vorliegende Gesetzentwurf, über den wir heute in erster Lesung beraten, ist ja im Wesentlichen eine technische Novelle, eine technische Anpassung dessen, dass die Fächer mit bundesweitem Numerus clausus, die bislang über die ZVS verteilt wurden, jetzt in das Verfahren integriert werden, das im Land für die Fächer gilt, die einem lokalen Numerus clausus unterliegen.
Verwundert hat uns – ebenso, wie das die Kollegin Bregenzer ausgeführt hat – die große Eile, mit der dieses Gesetz auf den Weg gebracht wird. Ich habe den Eindruck, die gro
ße Hast und das Zusammentreffen mit den Semesterferien haben etwas damit zu tun, dass man schnell auf die Debatte einen Deckel draufmachen will, bevor zu viele Leute auf die Idee kommen, die Gelegenheit zu nutzen, um einmal Bilanz zu ziehen, wie in diesem Land die Selbstauswahlverfahren funktionieren. Es wäre ja eine prima Gelegenheit, einmal zu schauen – wir haben jetzt zwei Jahre Erfahrungen gesammelt –, was geklappt hat und was nicht und gegebenenfalls welche Korrekturen wir in eine solchen Novelle aufnehmen. Die Hast scheint aber sehr groß zu sein. Ich vermute, Sie haben Grund dazu.
Im Wesentlichen sind in diesem Entwurf nur zwei Neuerungen zu entdecken. Die eine ist – darüber freue ich mich sehr –, dass Sie mit der offenkundig unsinnigen Regelung der verpflichtenden Berücksichtigung der Kernfächer aufräumen. Wir haben Ihnen schon damals gesagt, dass dies einfach ein Unsinn ist und von Provinzialismus zeugt, zu meinen, nur weil wir in Baden-Württemberg im Abitur Kernfächer einführen, müsse dies bei den Auswahlverfahren verpflichtend berücksichtigt werden, und zwar bei Leuten, die aus anderen Bundesländern, aus anderen europäischen Ländern oder gar aus China kommen. Dass das nicht funktionieren kann, war von Anfang an absehbar. Ich bin froh, dass damit jetzt Schluss sein soll.
Die zweite Neuerung: In Zukunft soll der Zugang zum Auswahlverfahren beschränkt werden können. Also zusätzlich zur Beschränkung des Zugangs zum Studienplatz wird jetzt ein neuer Schritt ermöglicht, nämlich beim Zugang zum Auswahlverfahren. Da geht es tatsächlich ans Eingemachte. Bei einer solchen Frage sind grundrechtliche Fragen aufgeworfen. Da geht es um Berufsfreiheit und die Frage: Haben bei einer solchen Schwelle wirklich alle noch die gleichen Chancen, sich überhaupt zu bewerben? Es mag ja Gründe geben, die dafür sprechen, das zu machen. Ich glaube, darüber muss man auch offen reden. Was aber nicht geht, ist das, was Sie von den Regierungsfraktionen vorschlagen, nämlich zu sagen: Diese elementare Frage regeln wir nach Maßgabe einer Rechtsverordnung durch das Wissenschaftsministerium. So macht man ein Parlament überflüssig und dient auf der anderen Seite nicht einmal der Selbstständigkeit der Hochschulen. Die fürchten nichts mehr als die Politik der Landesregierung, die über Rechtsverordnungen gemacht wird.
Lassen Sie mich in der verbleibenden Zeit noch kurz Bilanz ziehen über die Erfahrungen mit dem Selbstauswahlrecht in Baden-Württemberg. Als wir das Gesetz verabschiedet haben, stand Kollege Klunzinger hier. Er ist jetzt leider nicht da. Ich habe noch einmal nachgelesen, was er damals angekündigt hat: Dieses Gesetz werde die hochschulpolitische Landschaft grundsätzlich verändern; es werde automatisch und zwingend zu mehr Profilbildung führen und zwangsläufig zur Bestenauslese. Schön wäre es gewesen. Ich habe dagegen die Befürchtung geäußert, dass dieses Gesetz, das die Auswahlverfahren von oben verordnet und mit vielen Details reglementiert, nicht zu Qualitätsverbesserung führen wird, sondern dazu, dass die Hochschulen Dienst nach Vorschrift und 08/15-Auswahlverfahren machen werden.
Schauen Sie sich einmal an, wie heute die Auswahlverfahren an unseren Hochschulen aussehen. Sie ähneln sich weitestgehend und unterscheiden sich kaum. Es gibt kaum Profilbildung durch unterschiedliche Verfahren an unterschiedlichen Orten, und es gibt ganz wenige hoch qualifizierte Auswahlverfahren, bei denen die Leute wirklich vor Ort zu einem Gespräch oder zu einem Test anreisen. Fast alles geht nach Aktenlage. Das Ziel, Qualitätsverbesserung durch Selbstauswahl zu erreichen, ist ja richtig. Das Interesse ist ja, die gängige Kultur von Anonymität und die gegenseitige Interesselosigkeit zwischen Professoren und Studierenden zu durchbrechen. Das kriegt man aber nur hin, wenn man ambitionierte und gute Auswahlverfahren anwendet und nicht nach Aktenlage entscheidet.
Mein Resümee heute ist: Wir haben im Land kaum unterscheidbare Auswahlverfahren. Wir haben ganz wenige hoch qualifizierte Verfahren. Wir wissen heute: Gute Verfahren sind sehr teuer. Obwohl Sie, Herr Frankenberg, entgegen der Ankündigung zwei Jahre lang viel Geld hineinstecken, damit die Verfahren endlich laufen – es ist ja Geld von der Landesstiftung eingesetzt worden, es ist Geld vom Stifterverband dazugekommen, insgesamt eineinhalb Millionen Euro allein für die Etablierung und Entwicklung neuer Verfahren –, scheint dies nicht auszureichen, um die Hochschulen zu motivieren. Deshalb müssen Sie jetzt noch einmal draufsatteln und den Hochschulen die Möglichkeit einräumen, Gebühren für Auswahlverfahren zu erheben.
Ich habe schon damals gesagt: Sie verabreichen unserem Patienten die falsche Medizin. Diese Medizin wird den Patienten teuer zu stehen kommen und wird erhebliche ungewollte Nebenwirkungen haben. Genau das ist eingetreten. Das Verfahren ist teuer. Es kommen nicht die Besten zu uns, sondern im Gegenteil, es kommen oft die Langsamsten.
Noch einen Satz. Ich muss auf die Erfahrungen in Heidelberg verweisen. Das Verfahren der Juristenauswahl in Heidelberg hat ja gar nicht dazu geführt, dass wirklich die guten Leute gekommen sind, sondern die guten Bewerber haben die Studienplätze woanders angenommen, und die, die keine andere Zusage hatten, blieben am Ende für Heidelberg übrig. Das steht nicht im vom Kollegen Pfisterer zitierten Rechenschaftsbericht der Uni Heidelberg, aber das ist in dieser Stadt sehr wohl bekannt.