Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mit dem Resümee der Bundestagsdebatte beginnen; denn die Veränderung des Rahmengesetzes ist ja auf Initiative des Bundesrats, eingebracht von mir selber, im Bundestag verabschiedet worden. Das Resümee lautete: Das gestärkte Selbstauswahlrecht der Universitäten in Studiengängen mit bundesweitem Bewerberüberhang ist ein großer Schritt nach vorne.
Dieser Rahmenrechtsänderung haben nicht nur 16 Bundesländer im Bundesrat zugestimmt, sondern auch alle Fraktionen im Bundestag; die FDP hat sich damals enthalten, weil sie 100 % Selbstauswahl forderte. Die einzigen Stimmen im Bundestag gegen diese Rahmenrechtsänderung für die Erweiterung des Selbstauswahlrechts kamen von den beiden PDS-Abgeordneten. Manche Argumentationen gegen dieses Selbstauswahlrecht, die ich jetzt hier gehört habe, decken sich mit den Reden der PDS-Abgeordneten.
(Heiterkeit der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Was lernen wir daraus?)
Die Bundesministerin Frau Bulmahn hat in dieser Sitzung des Bundestags die Gesetzesinitiative nachdrücklich begrüßt und sich zur Selbstauswahl der Studierenden durch die Hochschulen bekannt. Das war ein halbes Jahr vorher noch völlig anders gewesen. Aber es ist begrüßenswert, wenn alle so viel gelernt haben, dass im Bundestag einmal ein Gesetz fast einstimmig verabschiedet wurde.
Ich glaube, dass dies auch ein gutes Beispiel einer Kooperation der Länder über die Grenzen der verschiedenen Regierungen hinweg war und dass es auch eine gute Kooperation im Bundestag war, ein solches Gesetz zustande zu bringen. Es gab ja eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und dem Bund, die diesen Gesetzesvorschlag erarbeitet hat.
Nun zu der interessanten Frage des Zeitdrucks: Warum bringt nicht die Regierung, sondern warum bringen die Fraktionen von CDU und FDP/DVP das Gesetz ein? Zunächst einmal darf ich beiden Fraktionen danken, dass sie dies tun, denn diese Fraktionen haben verstanden, warum wir unter Zeitdruck stehen. Den Zeitdruck haben nicht wir zu verantworten. Der Zeitdruck kommt vielmehr dadurch zustande, dass das Gesetz zum Wintersemester 2005/2006 in Kraft treten sollte, es aber im Bundestag zweier Runden bedurft hat, bis die Mehrheitsfraktionen der Koalition dem betreffenden Gesetzentwurf zugestimmt haben. Wir haben damit erheblich an Zeit verloren.
Ich habe dann im Wissenschaftsausschuss des Bundestags als einziger Minister – es waren Vertreter von NordrheinWestfalen und Baden-Württemberg sowie der Staatssekretär Catenhusen für den Bund anwesend – gesagt, dass wir, wenn wir dieses Gesetz noch zum Wintersemester 2005/ 2006 in Kraft treten lassen wollen, unter erheblichen Zeit
druck kommen. Wir waren ja die Initiatoren. Wir hatten ja mit der Kündigung des Staatsvertrags gedroht. Ohne Baden-Württemberg wäre es überhaupt nicht zu dieser Gesetzesänderung gekommen. Die Meinung des Bundes und von Nordrhein-Westfalen war: „Nein, wir sollten das Gesetz jetzt schleunigst verabschieden und in den Ländern schleunigst umsetzen, damit wir keine weiteren Verzögerungen mehr haben und das Gesetz zum Wintersemester 2005/2006 in Kraft treten lassen können.“ Dann konnte ich als Vertreter des Initiators Baden-Württemberg natürlich nicht sagen: „Ich habe es zwar angestoßen, aber ich will langsamer arbeiten, damit wir den normalen parlamentarischen Weg gehen.“ Wenn Sie sich jetzt unter Zeitdruck gesetzt fühlen, erkundigen Sie sich bitte bei Staatssekretär Krebs von Nordrhein-Westfalen und Staatssekretär Catenhusen vom Bund,
Nordrhein-Westfalen hat gesagt: „Da muss es eben Fraktionsinitiativen geben.“ Der Bundesrat hat ja auch ohne jede Diskussion und ohne Verweis in die Ausschüsse zugestimmt, damit dieses Gesetz rechtzeitig umgesetzt werden kann.
Das ist also kein Zeitdruck, der von uns verursacht wurde, sondern ein Zeitdruck, der durch das Verhalten der Bundesregierung und durch den nachdrücklichen Wunsch des nun für die Selbstauswahl begeisterten Landes Nordrhein-Westfalen, möglichst rasch umzusetzen, ausgelöst worden ist.
(Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie haben sich beim letzten Gesetz auch kein halbes oder dreiviertel Jahr Zeit gelassen!)
Frau Bregenzer, nachdem wir jetzt dieses Gesetz eingebracht haben, werden wir die Hochschulen dazu anhören und den Wissenschaftsausschuss mit dem Ergebnis der Anhörung befassen – das ist durchaus noch möglich –, sodass auch dieser parlamentarische Usus noch eingehalten wird.
Frau Bregenzer, ich muss schon sagen: Ich habe mich über Ihre Rede gewundert. Ich habe die Rede von Frau Bundesministerin Bulmahn gehört, die sich vehement für diese Selbstauswahl einsetzte. Ich habe jetzt auch Ihre Fundamentalkritik an der Selbstauswahl der Studierenden durch die Hochschulen gehört. Ihrem Schlusssatz stimme ich jedoch zu.
Aber wenn Sie Ihrer Rede konsequent folgen würden, müssten Sie gegen den Gesetzentwurf stimmen und auch sagen, dass Sie das von Rot-Grün mit CDU/CSU im Bundestag verabschiedete Gesetz für falsch halten.
(Abg. Carla Bregenzer SPD: Ich halte von der Eu- phorie nichts! Das ist eine Frage der Euphorie oder der Realitätseinschätzung! – Abg. Schmiedel SPD: Oder des dialektischen Denkens!)
Es ist wahrscheinlich mehr das dialektische Denken zwischen Frau Bulmahn und Frau Bregenzer – in dieser Unterscheidung.
Ich möchte Ihnen auch sagen, warum wir so vehement für die Auswahl der Studierenden durch die Hochschulen eintreten und warum ich das für ein ganz wesentliches Element der Hochschulreform halte. Wir haben auf der einen Seite das Abitur als Zugangsvoraussetzung. Dass dieses eine wesentliche Voraussetzung bleibt, ist auch im Gesetz niedergelegt. Abiturnoten mögen zwar über die Studierfähigkeit viel aussagen, sagen aber nicht alles aus. Daher gibt es in dem Gesetz weitere Kriterien, wie zum Beispiel vorherige berufliche Tätigkeit und bestimmte Praktikantentätigkeit. Die Abiturnoten sagen aber nicht unbedingt zur Berufsfähigkeit etwas aus. Viele vergessen, dass es bei Auswahlverfahren nicht nur darum geht, die Studierfähigkeit zu prüfen, sondern auch darum, eine Idee der Berufsfähigkeit zu haben. Die Frage ist doch, ob ein Einserabiturient ein guter Hauptschullehrer wird.
Frau Berroth, die zweite Frage ist: Wird ein Einserabiturient das Medizinstudium bewältigen? Ja. Wird aber ein Einserabiturient ein Arzt mit Einfühlungsvermögen für Patienten?
Es gibt in vielen Ländern valide Auswahlverfahren, wie man so etwas überprüfen kann. Ich will jetzt nicht von Studierenden der Politikwissenschaft und von Auswahlverfahren für die spätere Berufsbefähigung reden. Aber diese Frage kann man in allen Bereichen stellen.
Zweitens geht es nicht nur um die gute Überprüfung der Studier- und Berufsfähigkeit, sondern auch um die Frage der Motivation der Lehrenden. Wenn jemand, der lehrt, sich von vornherein auch mit denjenigen befassen muss, die zu ihm durch Auswahlverfahren als Studierende kommen, gibt es eine andere, wechselseitige Motivationsbasis, als wenn Studierende durch eine anonyme Institution zugewiesen werden.
Warum haben wir an unseren Hochschulen Probleme in der Lehrmotivation? Weil ZVS-Studierende nach Wohnort und Wartezeit zugewiesen werden und viele Professoren sie so behandeln, wie man eben zwangsweise Zugewiesene behandelt. Es gab einmal den schönen Satz: Es gibt in Deutschland nur zwei Institutionen, die sich ihre Insassen nicht aus
wählen können: die Hochschulen und die Gefängnisse. Jetzt gehen wir wenigstens bei den Hochschulen den vernünftigen Weg.
Des Weiteren geht es darum, durch Wettbewerb einen Qualitätszyklus in Kraft zu setzen. Erst wenn wir wieder dahin kommen, dass sich Studierende ihre Hochschulen und Fakultäten nach deren Qualität aussuchen und auswählen, gibt es einen Kreislauf und Qualitätszyklus, dass eine gute Lehre gute Studierende anzieht, dass sich gute Lehre auch lohnt und dass sich damit Lehrmotivation und Professorenschaft verbessern. Diese verstärkte Selbstauswahl ist jetzt auch in den ZVS-Studiengängen nur ein Teil eines Gesamtsystems einer in sich abgestimmten Hochschulreform.
Ein anderer Teil ist die weitgehende Autonomie der Hochschulen, denn auch dieses Auswahlrecht ist ein Autonomiebestandteil. Deshalb ist das Landeshochschulgesetz auch ein Baustein der Übertragung von Zuständigkeiten in diesem System verstärkter Autonomie.
Zu einer solchen Autonomie gehört auch – ich habe es vorhin schon gesagt –, dass wir kein Hochschulrahmengesetz mehr brauchen. Wir brauchen diese bundeseinheitlichen Standardisierungen nicht mehr. Die Länder haben jetzt auch beim Auswahlrecht bewiesen, dass sie diese Regelungen ohne den Bund hätten treffen können. Ich habe im Wissenschaftsrat, an Nordrhein-Westfalen gewandt, zu Frau Ministerin Bulmahn gesagt,
die das neue Selbstauswahlrecht jetzt begrüßt hat: Das hätten wir auch ohne sie geschafft – allerdings mit dem einen Unterschied: Wir hätten es schneller geschafft und wären dann nicht unter den von Ihnen beklagten Zeitdruck geraten.
(Abg. Fischer SPD: Warum habt ihr es dann nicht gemacht? – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie haben es ja offensichtlich nicht geschafft! Sie haben ja Anfang des Jahres noch zwei Modelle gehabt!)