Ich erlaube mir deshalb die bescheidene Frage: In welcher Verfassung haben dann die beiden Fraktionsvorsitzenden Oettinger und Dr. Noll der Verbindung dieser beiden Punkte ursprünglich zugestimmt?
Wann ist Ihnen die Erleuchtung gekommen, dass die beiden Punkte richtigerweise als getrennte Tagesordnungspunkte behandelt werden sollen, und wer hat dabei welchen Druck ausgeübt?
Eine Nachfrage an den Kollegen Birzele: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass auf mich schon deswegen kein Druck ausgeübt werden konnte, weil ich zu dem Zeitpunkt, an dem die Tagesordnung festgelegt wurde, noch nicht dem Präsidium angehört habe?
(Abg. Birzele SPD: Das war gar nicht im Präsidi- um! Es war eine Vereinbarung der Fraktionsvorsit- zenden!)
(Zurufe von der CDU und der FDP/DVP – Gegen- rufe von der SPD und den Grünen – Glocke des Präsidenten)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jeder, der die Debatte über die Regierungsumbildung verfolgt, weiß, dass die Fragen, welche Perspektiven für das Land eröffnet werden, mit welchen Personen dies gemacht wird, welche Personen dafür geeignet sind und wie man Personen, die zumindest nach Auffassung des Ministerpräsidenten nicht geeignet sind, „wegbekommen“ hat, bei diesem Vorgang eine Einheit darstellten.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wollen Sie jetzt nach vorn oder nach rückwärts diskutieren? – Gegenruf des Abg. Capezzuto SPD: Seitwärts!)
Das werden wir nachher auch so diskutieren, weil dies zusammengehört. Daran können Sie uns selbstverständlich nicht hindern.
Der einzige Grund dafür, dass Sie die beiden Punkte jetzt trennen wollen, ist die Intervention des Staatsministeriums.
Deswegen muss man dies ablehnen. Das Parlament muss seine eigene Tagesordnung ja wohl noch souverän bestimmen können und darf nicht auch sie noch von der Exekutive bestimmen lassen.
Da das Parlament die Tagesordnung bestimmt, lasse ich jetzt nach § 78 Abs. 4 der Geschäftsordnung darüber abstimmen, ob erstens die Tagesordnung um den Dringlichen Antrag Drucksache 13/3355 ergänzt wird und ob zweitens dieser Dringliche Antrag unter Punkt 4 der Tagesordnung behandelt wird. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.
(Abg. Birzele SPD: Wir bitten um getrennte Ab- stimmung über Dringlichkeit und Tagesordnungs- punkt!)
Ich lasse zunächst über den Antrag abstimmen, die Tagesordnung um den Dringlichen Antrag Drucksache 13/3355 zu ergänzen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? –
Ich lasse jetzt über den Antrag abstimmen, den Dringlichen Antrag unter Tagesordnungspunkt 4 zu behandeln. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Dem Antrag ist mehrheitlich zugestimmt.
Für die Begründung des Dringlichen Antrags Drucksache 13/3355 schlage ich eine Redezeit von fünf Minuten und für die Aussprache über diesen Antrag eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vor. – Auch darüber besteht Einverständnis. Dann ist es so beschlossen.
Meine Damen und Herren, unsere Kollegin Dr. Inge Gräßle ist bei der Europawahl am 13. Juni 2004 ins Europäische Parlament gewählt worden. Sie hat die Wahl angenommen und angekündigt, dass sie in den nächsten Tagen ihr Landtagsmandat niederlegen wird. Diese Plenarsitzung wäre also ihre letzte gewesen. Leider muss Frau Kollegin Dr. Gräßle heute unabweisbar in Brüssel präsent sein, weshalb ich ihr, wie erwähnt, Urlaub erteilt habe.
Frau Kollegin Dr. Gräßle kann auf eine achtjährige Tätigkeit im Landtag zurückblicken. Ihre Arbeitsschwerpunkte waren zunächst der Wirtschaftsausschuss sowie der Ausschuss für Umwelt und Verkehr und in dieser Legislaturperiode der Ständige Ausschuss und der Sozialausschuss. Darüber hinaus gehörte sie unter anderem der Enquetekommission „Rundfunk-Neuordnung“ an. Zu Beginn dieser Wahlperiode ist sie stellvertretende Vorsitzende der CDULandtagsfraktion und Mitglied des Landtagspräsidiums geworden.
Für ihren nicht unbedingt erwarteten Entschluss, bei der Europawahl zu kandidieren, erntete Frau Kollegin Dr. Gräßle allseits Hochachtung. Ich spreche deshalb sicher im Namen des ganzen Hauses, wenn ich sage: Wir haben Frau Dr. Gräßle schätzen gelernt als inhaltlich tief pflügende Politikerin und als selbstbewusste und streitbare, aber stets sympathische Kollegin. Umso mehr wünschen wir ihr für ihr künftiges Wirken als Europaabgeordnete alles Gute, zuvörderst Standfestigkeit, Durchsetzungskraft und persönliche Zufriedenheit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor genau einem Jahr habe ich in diesem Hause eine Regierungserklärung zum Abschluss des Europäischen Konvents abgegeben. Ein Jahr später, am 18. Juni 2004, wurde schließlich eine politische Einigung der Regierungskonferenz über eine europäische Verfassung erreicht, eine Einigung, die sich äußerst eng an den Konventsentwurf anlehnt. Ich teile die Einschätzung des Präsidenten Giscard d’Estaing, dass ca. 90 % des Konventsentwurfs übernommen worden sind.
Wir müssen aber sehen: Diese Verfassung ist zunächst nicht mehr als ein „Dokument der Chancen“. Diese Chancen muss Europa im Interesse seiner Bürger nutzen. Denn wir sind noch nicht am Ende des Verfassungsprozesses. Das Werk muss nun vor den Bürgern bestehen und nach der jeweiligen nationalen Verfassung ratifiziert werden, bei uns mit Zweidrittelmehrheit durch den Bundestag und den Bundesrat.
Ich habe diesen Verfassungsprozess als gewähltes Mitglied des Bundesrats im Konvent intensiv begleitet. Minister Dr. Palmer hat diese Arbeit in der Regierungskonferenz als Vorsitzender des Europaausschusses des Bundesrats nahtlos und mit Erfolg fortgesetzt. Hierfür möchte ich ihm heute herzlich danken.
Meine Damen und Herren, eine Regierungskonferenz wird auch künftig bei großen Vertragsänderungen erforderlich sein; denn die Mitgliedsstaaten bleiben die „Herren der Verträge“. Wäre das anders, stünde der Schritt zur Staatswerdung der Europäischen Union unmittelbar bevor.
Unser Land hat sich immer als ein „europapolitischer Treuhänder der Länder“ verstanden. Wir haben für die deutschen Länder und für ein föderal aufgebautes Europa einiges erreicht.
Ich beschränke mich heute auf fünf Gesichtspunkte, auf die hin ich den Verfassungstext untersuchen möchte.
Erstens: Gibt der Verfassungstext die erforderlichen Antworten auf die institutionellen und verfahrensmäßigen Herausforderungen der Osterweiterung?
Eines ist klar: Je mehr Mitglieder die Europäische Union hat, umso einfacher, verständlicher und transparenter müssen im Grunde genommen ihre Verfahren sein und umso einfacher und transparenter müssen ihre Institutionen aufgebaut sein und agieren können.