Protocol of the Session on June 30, 2004

Hilfebedürftige Menschen befürchten daher berechtigterweise,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Helfen Sie mit, die Be- fürchtungen abzubauen!)

dass die mit der Verwaltungsreform angestrebten funktionalen Ziele gültige soziale Prinzipien überlagern und deformieren könnten: Aus Bedarfsgerechtigkeit wird Kostenreduktion, aus Fördern wird Fordern, Hilfe wird zur Disziplinierung, Selbstbestimmung und Wahlmöglichkeiten werden zur autoritären Fürsorge.

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Genau das wird eintreten. Ich hatte vor kurzem eine Diskussion in den Mariaberger Heimen. Da hat der Landrat des Landkreises Sigmaringen, Herr Gaerte, klar gesagt:

Natürlich werden wir nicht mehr die Standards von 2004 in der Behindertenhilfe haben. Dann gehen wir halt auf die Standards von 1990 oder 1980.

Das ist die Aussage dieser Landräte, die zukünftig hierfür zuständig sein werden.

Im Übrigen – in diesem Zusammenhang will ich das auch noch erwähnen – gibt es eine ganz eklatante Benachteiligung der Beschäftigten bei den Landeswohlfahrtsverbänden gegenüber den von der Reform betroffenen Beschäftigten der Landesbehörden. Wir haben uns für eine Gleichbehandlung eingesetzt. Sie hätte sich durch Regierungshandeln erreichen lassen. Sie haben das versäumt bzw. sind unserem entsprechenden Antrag nicht gefolgt.

(Abg. Schneider CDU: Das sind doch gar nicht un- sere Leute!)

Ich bitte Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 13/3316-15, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse nunmehr über Artikel 122 abstimmen in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 13/3306 Abschnitt I Ziffer 9, in der eine Änderung des § 7 vorgesehen ist. Wer Artikel 122 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Mehrheitlich so beschlossen.

Ich rufe nunmehr auf

Artikel 123 bis 147

Wer diesen Vorschriften zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Mehrheitlich beschlossen.

Ich rufe auf:

Elfter Teil

Anpassungen im Bereich des Ministeriums für Umwelt und Verkehr

Artikel 148 und Artikel 1 Abs. 7

und dazu den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 13/3316-16.

Herr Abg. Göschel, Sie haben das Wort.

(Unruhe)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als zum 1. Januar 2003 die Reform der Straßenbauverwaltung in Kraft getreten ist, hat dies breite Zustimmung gefunden. Als aus 25 Straßenbauämtern und 5 Autobahnbetriebsämtern 18 Ämter gemacht wurden, davon 9 integrierte Ämter, also mit Autobahnzuständigkeit, haben alle gefeiert, dass endlich das gelungen sei, was die Experten seit vielen Jahren gefordert hatten, nämlich die Zusammenlegung der allgemeinen Straßenbauverwaltung mit der Autobahnverwaltung, also der Gelben mit den Blauen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Da waren Sie auch dage- gen!)

Dies wird nunmehr rückgängig gemacht. Alle, auch der Ministerpräsident und der zuständige Fachminister Müller, haben sich damals für einen großen Wurf gefeiert, als die Zusammenlegung gelungen war.

(Zuruf des Abg. Schebesta CDU)

Wenn damals ich oder meine Fraktion den Vorschlag gemacht hätte, die Straßenbauverwaltung anschließend so zu verändern, wie Sie das heute mehrheitlich beschließen wollen, hätte uns alle Welt für verrückt erklärt, und das mit Recht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Seimetz CDU)

Nur weil der Vorschlag vom Ministerpräsidenten kommt, wird er von manchen hier im Hause behandelt, als wäre es eine göttliche Eingebung gewesen.

(Unruhe)

Alle angehörten Experten – mit Ausnahme der von der kommunalen Seite –, sowohl die Vertreter der Verbände und Gewerkschaften der Betroffenen wie auch – und das ist interessant – die Vertreter des Landesverbands der BadenWürttembergischen Industrie, des Landesverbands der Bauwirtschaft in Baden-Württemberg und der Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern, haben dieser so genannten Reform abgesprochen, dass sie zielführend sei. Sie alle haben kritisiert, dass sie mehr zu Reibungsverlusten als zu Effizienzgewinnen führe. Sie haben sie deshalb in Bausch und Bogen abgelehnt. Die zuletzt genannten Organisationen stehen nun wirklich nicht in dem Ruf, Vorfeldorganisationen der SPD zu sein.

(Zuruf von der CDU: Ihr habt ja gar keine! – Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Aus 18 Ämtern machen wir jetzt 44 Ämtchen

(Abg. Alfred Haas CDU: Sehr gut!)

plus 4, weil ja auch die Regierungspräsidien eine umfassende Zuständigkeit dazubekommen haben, plus x. X ist die Zahl der dann notwendigen Außenstellen oder Bauleitstellen der Regierungspräsidien, weil den oft fern liegenden Regierungspräsidien die Vor-Ort-Betreuung nämlich gar nicht möglich ist.

(Unruhe)

Wer es genauer nachliest, erfährt, dass es noch eine kleine zusätzliche Verwirrung gibt. Denn neu ist, dass die Landkreise – nicht die Landratsämter – die Vollzuständigkeit für die Kreisstraßen bekommen. Die Zuständigkeiten für Planung, Bau, Erhaltung der Landes- und Bundesstraßen kommen zu den Regierungspräsidien, die Zuständigkeiten für die Unterhaltung und den Betrieb – beispielsweise gehört auch der Winterdienst dazu – kommen zu den Landratsämtern – also nicht zu den Landkreisen –, und die Vollzuständigkeit für die Autobahnen haben die Regierungspräsidien. Das ist also ein Verwirrspiel und keineswegs eine klare Zuständigkeit, wie wir sie ja derzeit noch haben.

Bei allen diesen Reibungsverlusten, auch in der Abgrenzung zwischen Unterhaltung und Erhaltung, wird es ein Schwarzer-Peter-Spiel geben, weil keiner genügend Geld hat. Die Folge werden zusätzliche Schlaglöcher sein, und jeder, der dann künftig ein Schlagloch überfährt, erlebt einen Erwin-Teufel-Gedächtnisruck.

(Zuruf des Abg. Schneider CDU)

Aber ich glaube, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger wollen nicht so geruckelt werden und nicht so oft an den Ministerpräsidenten erinnert werden. Auch der frühere Bundespräsident Roman Herzog hat mit seiner Forderung, unsere Gesellschaft müsse sich einen Ruck geben, etwas ganz anderes gemeint.

(Beifall bei der SPD – Oh-Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren von der Regierungsseite, Sie hätten heute die Chance, kurz vor der Sackgasse noch einmal umzukehren.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Sie sind schon längst im Kreisverkehr und kommen gar nicht mehr heraus!)

Aber wie ich Sie kenne, werden Sie mit geschlossenen Augen mit Vollgas in die Sackgasse fahren. Sie wissen, was da passiert. Die Frage ist, wann Sie es merken und wann Sie nach einer Schamfrist Ihre jetzige Reform wieder reformieren.

(Zurufe von der CDU)

Darauf dürfen wir gespannt sein. Aber damit Sie Ihr Gewissen schärfen können, beantrage ich namentliche Abstimmung über unseren Änderungsantrag.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Findet dieser Antrag die notwendige Unterstützung? – Das ist der Fall.

Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 13/3316-16, namentlich abstimmen. Der Namensaufruf beginnt mit dem Buchstaben P.

Bitte, Herr Palmer.