Protocol of the Session on June 9, 2004

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung.

(Stellv. Präsidentin Christa Vossschulte)

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Überweisung an den In- nenausschuss!)

Es ist Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss vorgeschlagen. Sie sind damit einverstanden. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist so beschlossen.

Punkt 5 der Tagesordnung ist somit erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Justizministeriums – Übertragung der Handelsregister auf die Industrie- und Handelskammern – Drucksache 13/2172

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Justizministeriums – Reduzierung der Sozialgerichte in Baden-Württemberg – Drucksache 13/2173

c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Justizministeriums – Reduzierung der Anzahl der Grundbuchämter und deren Verlagerung zu den Amtsgerichten – Drucksache 13/2183

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu den Anträgen unter den Buchstaben a bis c fünf Minuten, für die Aussprache zehn Minuten je Fraktion.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Herr Abg. Stickelberger.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In unseren Anträgen geht es uns um die Fragen: Wie sieht die Zukunft der Sozialgerichte in BadenWürttemberg aus? Wo werden die Grundbuchämter in Baden-Württemberg künftig ressortieren? Wer übernimmt künftig die Registeraufgaben, die zurzeit noch durch die Gerichte wahrgenommen werden? Wird dies privatisiert, und wohin geht die Reise?

Unsere Anträge sind schon etwas älter, aber gleichwohl, so glaube ich, aktuell. Ich erinnere an die letzte Debatte im Ständigen Ausschuss, bei der wir uns ja über Onlineabfragen und die Konzentration der Registeraufgaben in Baden-Württemberg unterhalten haben. Ich weise aber auch auf die Begründungen in den Stellungnahmen des Justizministeriums hin, wonach ja für die Überlegungen, die Sie, Frau Justizministerin, damals angestellt haben, vor allem haushaltspolitische Gründe eine große Rolle gespielt haben. Dabei ging es einerseits um die Konsolidierung des Haushalts als einer generellen Aufgabe, aber andererseits natürlich auch um das Bemühen, die Justiz funktionsfähig zu erhalten und rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Deshalb unsere Frage: Sind diese Maßnahmen, die wir hier von Ihnen vorgetragen bekommen haben und zu denen Sie Stellung genommen haben, geeignet, diese Ziele zu erfüllen? Wir glauben, nein oder zumindest nicht so, wie wir es uns vorstellen.

Lassen Sie mich mit dem für uns zunächst wichtigsten Punkt beginnen, nämlich der Zukunft der Sozialgerichte.

Die Sozialgerichte in Baden-Württemberg erfüllen eine hervorragende Funktion für die Rechtsuchenden. Sie sind anerkannt. Ich erinnere an das 50-Jahr-Jubiläum der Sozialge

richtsbarkeit, das vor einigen Wochen stattfand. Dort haben Sie, wie alle anderen Redner auch, die hervorragende Arbeit der Sozialgerichte in Baden-Württemberg gewürdigt.

Sie haben Pläne dafür entwickelt, die Sozialgerichte in Baden-Württemberg auf vier Standorte zu konzentrieren, nämlich Freiburg, Stuttgart, Karlsruhe und Sigmaringen, und zwar in Anlehnung an die Standorte der Verwaltungsgerichte, die derzeit existieren. Wir haben Bedenken, diese Standortwahl zukünftig so zu treffen. Stellen Sie sich vor, dass Rechtsuchende aus Mannheim künftig nach Karlsruhe fahren müssen; Rechtsuchende aus Reutlingen und Konstanz, die bis jetzt an Ort und Stelle durch die dortigen Sozialgerichte bedient wurden, sollen nun zentral von Sigmaringen aus versorgt werden. Gleiches gilt etwa für die Großstadt Ulm.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Jawohl! Guter Mann!)

Wir glauben, dass es nicht der richtige Weg ist, sich in dieser Form aus der Fläche zurückzuziehen. Das schadet aus unserer Sicht dem Rechtsschutz der betroffenen Bürger.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich wird ins Feld geführt, dass auf Bundesebene Überlegungen im Gange sind – ich will das gar nicht verhehlen; und Sie unterstützen das ja –, die Fachgerichtsbarkeiten, nämlich die Sozialgerichte und die Verwaltungsgerichte, im Sinne einer gleichmäßigen Arbeitsbelastung zusammenzulegen. Wir glauben aber, dass die Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeiten im institutionellen Sinne die eine Seite ist, über die man diskutieren muss und auch diskutieren wird – auch hierzu gibt es von uns in BadenWürttemberg kritische Anmerkungen –, dass man dieses Thema aber losgelöst von der Frage betrachten muss, wo wir die Gerichte jeweils ansiedeln.

Ich meine, dass sich die Gerichtsstandorte in Baden-Württemberg bewährt haben und wir sie beibehalten sollten. Die Argumente, die bisher für eine Verlegung ins Feld geführt wurden, insbesondere auch Kostengesichtspunkte, scheinen uns noch nicht überzeugend zu sein. Die Einsparpotenziale, die Sie in Ihrer Stellungnahme benennen, sind aus unserer Sicht gering und werden im Übrigen nicht mit dem Mehraufwand gegengerechnet, der durch größere Entfernung des Gerichtsstandorts von den Rechtsuchenden entsteht. Der Einspareffekt ist für uns bisher nicht nachgewiesen.

Lassen Sie mich zum zweiten Thema kommen, nämlich zu den Grundbuchämtern; wir werden ja später noch im Einzelnen auf die Probleme zu sprechen kommen. Sie haben angedacht – und ich gehe einmal davon aus, dass das auch in Zukunft Ihre Vorstellung sein wird; denn die Haushaltsgesichtspunkte, die hier maßgeblich waren, sind ja nicht vom Tisch, sondern der Kostendruck wird angesichts der Haushaltssituation eher noch größer werden –, die Grundbuchämter bei den Amtsgerichten zu lokalisieren und sie damit also auf die Amtsgerichte zu übertragen.

Die Grundbuchämter in Baden-Württemberg mit ihrer Ressortierung bei den Gemeinden haben sich bewährt. Das werden alle Bürgermeister – ich gehe einmal davon aus, Sie werden mir da auch zustimmen – bestätigen. Die Bürgermeister, die Gemeinderäte und die Bürger in den Kommu

nen sind mit den Grundbuchämtern vor Ort bisher hervorragend gefahren. Dort wird gute Arbeit geleistet. Wir halten es eigentlich nicht für richtig, diese Aufgaben von den Gemeinden abzuziehen. Während wir in den letzten Monaten sowie heute Morgen in einer stundenlangen Diskussion beratschlagt haben, wie wir Aufgaben vom Land auf andere Träger übertragen, scheint mir das ein eklatanter Widerspruch zur Intention der Verwaltungsreform insgesamt zu sein.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass man noch einiges an Begründungsarbeit leisten muss, bis uns einleuchtet, warum man diese bürgernahe Institution Grundbuchamt bei der Gemeinde in der Form, wie sie sich bewährt hat, aufgeben will.

Lassen Sie mich zum dritten Punkt kommen, zur Privatisierung der Registersachen auf die Industrie- und Handelskammern. Auch dazu sind Sie bundesrätlich initiativ geworden.

(Abg. Drexler SPD: „Bundesrätlich“!)

Wir haben ja auch schon an anderer Stelle intensiv darüber diskutiert.

Für uns gibt es dabei noch einige Punkte zu klären. Auch wenn wir diesem Privatisierungsgedanken zunächst einmal durchaus auch etwas abgewinnen können, fehlt uns doch bisher eine Gesamtkonzeption. Wir haben ja nicht nur die Registerangelegenheiten, die auf Industrie- und Handelskammern übergehen könnten, sondern wir haben auch andere Registerangelegenheiten wie zum Beispiel das Vereinsregister. Sie haben in einer Stellungnahme oder im Ausschuss einmal erwähnt, das könnte man auf die Gemeinden übertragen. Das ist die Frage. Hier brauchen wir eigentlich ein Gesamtkonzept. Es sollte sicher nicht so sein, dass die lukrativen Registergeschäfte privatisiert werden

(Abg. Drexler SPD: Eben!)

und die nicht gewinnbringenden Registergeschäfte bei der öffentlichen Hand verbleiben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Darauf kann es nach unserer Auffassung nicht hinauslaufen.

Im Übrigen sind noch Fragen der Rechtsaufsicht zu klären. Registergerichtliche Dinge haben ja nicht nur reine Registersachen, sondern auch richterliche Funktionen zum Inhalt. Es müssen gerichtliche Entscheidungen herbeigeführt werden. Ein Beschwerdeverfahren nach dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit dann etwa auf die Industrieund Handelskammern zu übertragen scheint mir auch nicht ohne weiteres möglich zu sein. Da erwarten wir noch konzeptionelle Nacharbeit, um dann zum Thema Privatisierung näher Stellung nehmen zu können.

Wir wissen natürlich, dass aufgrund der europarechtlichen Vorgaben Zeitdruck besteht. Sie haben ja im Grunde auch schon einen Schritt gemacht. Wir haben im Ausschuss darüber diskutiert. Dieser Schritt betraf die Konzentration der Registerstandorte in der Gerichtsbarkeit. Dazu frage ich

Sie, Frau Ministerin: Können Sie einerseits die Umwälzung, die Sie jetzt eingeleitet haben, diese Konzentration in diesem Bereich durchführen und andererseits wenige Jahre oder kurze Zeit später eine erneute Umstrukturierung im Sinne einer Privatisierung durchführen? Da ist aus unserer Sicht noch Skepsis angebracht und besteht Nachholbedarf in der Begründung für eine Privatisierung.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Mack.

(Abg. Rückert CDU: Jetzt aber!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anträge der SPD-Fraktion sind etwas angegraut.

(Abg. Schmiedel SPD: Was? – Abg. Zeller SPD: So wie Sie auch! – Zuruf des Abg. Fischer SPD – Abg. Stickelberger SPD: Auch Sie werden älter!)

Dennoch sind sie es wert, dass man darüber spricht. Sie sind deswegen ein bisschen angegraut, weil sie ein Jahr alt sind und die Justizreform inzwischen am 26. November 2003 von der Regierung beschlossen worden ist.

Ich möchte in der Reihenfolge, in der Herr Kollege Stickelberger vorgegangen ist, auch zu den einzelnen Punkten Stellung nehmen.

Zunächst komme ich zur Sozialgerichtsbarkeit. Meine Fraktion würde eine Fusion der öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten begrüßen. Wir alle wissen, dass dazu eine Veränderung des Bundesrechts erforderlich ist. Aber es gibt ja eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz. Frau Justizministerin, wenn ich richtig informiert bin, haben Sie darin die Federführung. Wir hoffen also, dass es da einen Durchbruch gibt.

Die Zahlen zur Begründung, warum diese Fusion notwendig ist, sind ziemlich eindeutig. Wir haben bei der Sozialgerichtsbarkeit in den vergangenen zehn Jahren bei der Zahl der Verfahren eine Steigerung um 62 %. Im Zuge von Hartz IV könnte diese Steigerung um 15 % weiter zunehmen, weil die sozialhilferechtlichen Streitigkeiten vom Verwaltungsgericht auf die Sozialgerichtsbarkeit übergehen. Daran sieht man auch ein bisschen, dass die Unterscheidung zwischen Sozialgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit im Prinzip akademisch ist und eine Fusion durchaus infrage käme, um einen flexibleren Richtereinsatz zu gewährleisten. Ich glaube, dass dies unser Hauptanliegen ist.

Ich möchte aber ausdrücklich sagen, dass sich für uns die Standortfrage überhaupt erst dann stellt, wenn auf Bundesebene und im Bundesrecht die Integration ermöglicht wird. Erst dann wollen wir über Standortfragen sprechen. Zuerst einmal steht die Integration der öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten im Vordergrund.

Natürlich möchte ich auch darauf hinweisen, dass die Standortfrage nicht das allein Entscheidende ist. Es ist im