Protocol of the Session on June 9, 2004

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst freue ich mich, dass die Grundintention unseres Gesetzentwurfs von den großen Fraktionen zumindest mitgetragen wird, auch wenn sie im Detail Korrekturbedarf sehen. Aber dazu gibt es ja Ausschussberatungen. Der Grundgedanke „Globales Denken – lokales Handeln“ ist etwas, was wir den Kommunen ermöglichen sollten. Wenn darüber Konsens besteht, ist es schon einmal gut.

(Abg. Fischer SPD: So ist es!)

Da wollen wir jetzt hin, das wollen wir in die Praxis umsetzen. Dazu liegt der Gesetzentwurf vor. Es ist keine Anregung, sondern ein Gesetzentwurf, der parlamentarisch entsprechend zu behandeln ist.

Es gab aber in der Debatte einige Äußerungen, die ich zurückweisen muss. Frau Fauser, es ist nicht so, dass wir, obwohl Anschlusszwang drinsteht, vom Landtag aus die einzelnen Kommunen dazu verdonnern wollen, einen Anschlusszwang auszusprechen, sondern wir wollen mit dem Gesetzentwurf erreichen, dass sich die Kommunen vor Ort für solche Projekte entscheiden können und solche Projekte nicht daran scheitern, dass es einige Querköpfe gibt, die nicht einsichtig sind und sich weigern, ihr Objekt an ein Wärmenetz anzuschließen. Wir wollen also den Kommunen eine neue Option eröffnen, dass sie solche Projekte auf sicherer Grundlage kalkulieren und durchziehen können. Wir wollen die Entscheidung an die Kommunen geben und dafür sorgen, dass sie handlungsfähig werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Mehr Freiheit für die Kommunen! – Gegenruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP: Mehr Freiheit für den Einzelnen!)

Herr Kübler, wir müssen auch nicht erst klären, ob das verfassungsrechtlich überhaupt möglich ist. Wir befinden uns nicht auf juristischem Neuland.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abg. Dr. Witzel.

Ich darf darauf hinweisen, dass andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen solche Regelungen schon haben. Dort ist es möglich, dass die Kommunen entscheiden: Wir wollen in diesem Gebiet einen Anschlusszwang haben. Und das ist verfassungsrechtlich durchaus möglich. Das Urteil des VGH ist gerade deshalb für den Anschlusszwang negativ ausgefallen – Herr Junginger hat darauf hingewiesen –, weil bei uns eine entsprechende Regelung in der Gemeindeordnung noch nicht vorhanden ist. Diesen Mangel wollen wir heilen.

Sie haben einen Satz gesagt, Herr Kübler, auf den ich auch noch eingehen muss: Die Bürger würden dadurch extrem eingeschränkt. Langfristig ist die ökologische Variante doch auch die ökonomische Variante. Für eine Übergangszeit gibt es vielleicht gewisse Mehrkosten oder gewisse Unannehmlichkeiten. Über so etwas kann man reden. Aber wenn eine Gemeinde solch ein Projekt durchführen will und

nicht gerade alle dafür sind, aber doch immerhin eine Mehrheit dafür ist, dann kann diese Mehrheit bestimmen: Die anderen müssen auch angeschlossen werden. Sonst kommt das Projekt auf kommunaler Ebene ja nicht voran. Das ist das Anliegen unseres Gesetzentwurfs. Wenn die Kommunen sagen: „Wir wollen solch ein Projekt machen, das aus Klimaschutzgründen sinnvoll ist und das uns einen Weg weg vom Öl zeigt“, und da tätig werden wollen, dann wollen wir sagen: „Ihr bekommt dafür eine sichere Kalkulationsbasis.“ Dazu dient dieser Gesetzentwurf. Wir wollen hier nicht par ordre du mufti vom Land aus sagen: „Ihr müsst etwas tun“, sondern wir wollen den Kommunen eine neue Option eröffnen,

(Abg. Schmiedel SPD: Freiheit für die Kommu- nen!)

die rechtssicher und verlässlich ist. Ich glaube, wir können gemeinsam feststellen, dass das sinnvoll ist. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf – vielleicht mit der einen oder anderen Änderung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kübler.

(Abg. Schmiedel SPD: Jetzt aber! – Abg. Knapp SPD: Die große Chance!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen, meine Herren! Ich möchte doch manche Dinge relativieren.

Herr Dr. Witzel, ich habe vorhin gesagt, dass die kommunalen Landesverbände – Städtetag und Gemeindetag Baden-Württemberg – mit gewissen Einschränkungen hinter dieser Ergänzung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg stehen und dass auch wir vonseiten der CDU-Fraktion bereit sind, die Prüfung aufzunehmen, aber dass wir jetzt nicht Einzelentscheidungen zur Änderung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg treffen wollen, sondern dass wir die Änderungen zusammen in der zweiten Jahreshälfte vornehmen wollen. Das darf ich einfach nochmals deutlich machen.

Ich habe auch gesagt, dass es bei den Städten und Gemeinden dieses Landes Baden-Württemberg Usus ist, wenn sie in Neubaugebiete einsteigen, wie zum Beispiel die Stadt, in der ich Oberbürgermeister bin, so genannte Energieversorgungsgutachten erstellen zu lassen, in denen man klärt und entscheidet, ob der Anschluss an eine zentrale Versorgung für den Bürger tragbar ist oder nicht. Das möchten wir, Herr Dr. Witzel, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, im Rahmen der Änderung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg in der zweiten Jahreshälfte diskutieren.

(Abg. Fischer SPD: Was wollen Sie denn da alles hineinpacken?)

Nur deshalb habe ich gesagt: Wir werden diesem Einzelbegehren nicht zustimmen, sondern wir möchten das insgesamt machen. Darüber können wir dann sowohl im Innenausschuss als auch in anderen Ausschüssen beraten. Ich

gehe davon aus, dass es ein gangbarer gemeinsamer Weg wäre, das alles zusammenzufassen und eine gemeinsame Entscheidung zur Änderung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg in der zweiten Jahreshälfte zu treffen. Das ist erklärter Wille der CDU-Fraktion.

(Abg. Fischer SPD: Was wollen Sie denn da alles hineinpacken? – Abg. Dr. Witzel GRÜNE: „Zweite Jahreshälfte 2004“ müssen Sie aber dazusagen!)

Sie dürfen sich ganz einfach darauf verlassen. Das werden wir tun, weil wir verschiedene Dinge regeln müssen. Dann regeln wir das mit.

Deshalb sage ich: Einzeln wäre das für uns nicht vertretbar. Wir fassen es zusammen, und dann entscheiden wir in der zweiten Jahreshälfte.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Witzel?

Bitte schön.

Herr Kollege, Sie sagen „zweite Jahreshälfte“. Ist die zweite Jahreshälfte 2004 gemeint?

Wenn ich hier von der zweiten Jahreshälfte rede, dann rede ich von diesem Jahr 2004. Der Innenminister wird das mit Sicherheit nochmals bestätigen. Wir haben immer gesagt: Nach den Kommunalwahlen und nach der Europawahl gehen wir an die Änderung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg – Gemeindewirtschaftsrecht und verschiedene andere Dinge –, und da werden wir das mit einfließen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Dr. Schäuble.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, vom Verfahren, Herr Kollege Witzel, ist es klar: Wir werden jetzt nicht eine Einzelfrage in einem Gesetz ruck, zuck lösen, zumal Sie von Frau Kollegin Fauser gehört haben, dass die FDP/DVP-Fraktion inhaltliche Bedenken hat.

(Abg. Knapp SPD: Die brauchen wir dazu doch gar nicht! – Abg. Schmiedel SPD: Breite Mehrheit!)

Wir sind ja nicht im Kindergarten.

Ich bin in diesem Fall übrigens ausnahmsweise unverdächtig. Herr Referatsleiter Dr. Gackenholz war 1971 Assistent bei Professor Bullinger an der Universität Freiburg, ich war Student. Er veranstaltete damals ein umweltrechtliches Seminar, und ich hatte als junger Student das Seminararbeitsthema „Zulässigkeit des kommunalen Anschluss- und Benutzungszwangs bei Fernheizungen“ zu bearbeiten und habe mich leidenschaftlich dafür eingesetzt. Später wurde das auch ins Gesetz aufgenommen.

(Abg. Knapp SPD: Da braucht es 33 Jahre!)

Das wurde dann 1972 in die Gemeindeordnung aufgenommen. Ich bilde mir nicht ein, dass dies wegen meiner bescheidenen Seminararbeit geschehen ist.

(Heiterkeit)

Doch zur Sache selbst: Frau Fauser hat darauf hingewiesen, dass der kommunale Anschluss- und Benutzungszwang mit das schärfste Schwert ist, das es in einer Kommune gibt. Das muss man sehen und wissen. Die kommunalen Monopole werden – auch wenn es sich noch nicht konkretisiert hat; ich würde es zum größten Teil auch bedauern – auch von der Europäischen Union immer kritischer gesehen.

Wir haben aber folgendes rechtliche Problem: Die kommunalen Monopole mit der Unterfütterung des Anschluss- und Benutzungszwangs – nicht nur, dass es in einer Stadt ausschließlich einen einzigen Anbieter gibt, man muss auch noch bei diesem Anbieter abnehmen – waren, wenn ich es richtig im Kopf habe, immer nur deshalb zulässig, weil gesundheitspolizeiliche Gründe angeführt wurden, die sich aber auf die jeweilige Kommune beziehen müssen.

(Abg. Kübler CDU: Ja!)

Ihnen geht es jetzt – was nachvollziehbar ist – um den überörtlichen Schutz der Lebensgrundlagen, was über die gesundheitspolizeiliche Gefahrenabwehr innerhalb der Kommune hinausgeht.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Genau!)

Ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist, ist auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nicht zweifelsfrei. Für Ihre Argumentation könnte sprechen, dass der Umweltschutz als Staatsziel in Artikel 20 a des Grundgesetzes aufgenommen ist. Für die andere Auffassung könnte sprechen, dass die Kommunen nach der Landesverfassung und nach dem Grundgesetz auf den örtlichen Wirkungskreis und damit auch auf den Schutz der Grundlagen in ihrem Wirkungskreis beschränkt sind.

Damit wir jetzt kein juristisches Seminar veranstalten, schlage ich Ihnen Folgendes vor: Wenn klar ist, dass es auf jeden Fall nicht möglich sein wird, diesen Gesetzentwurf jetzt, im Hauruckverfahren, zu verabschieden, dann biete ich an, dass wir bis zu einer Beratung – wir müssen auch Gespräche mit unserem Koalitionspartner führen – nach der Sommerpause – ebenfalls schon in diesem Jahr, Herr Kollege Witzel – gerne bereit sind, mit der zuständigen Abteilung „Verfassung, Kommunal- und Sparkassenwesen, Recht“ im Innenministerium die Rechtsfragen gründlich aufzuarbeiten, damit wir wissen, was rechtlich überhaupt möglich ist und was nicht. Das wäre mein Angebot.

(Abg. Rech CDU: Sehr gut!)

Ich würde dazu raten, dieses Angebot anzunehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Knapp SPD: Das nehmen wir an!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung.