Protocol of the Session on June 9, 2004

Lassen Sie mich auf ein anderes Thema zu sprechen kommen: Justizreform. Das wurde hier nur minimal behandelt. Die Ministerin ist wahrscheinlich im Moment nicht da. Das macht aber nichts. Ich kann jetzt nicht zwei Stunden reden, bis sie wiederkommt.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sie könnten schon! – Abg. Blenke CDU: Das hätte was!)

Das könnte ich schon.

(Abg. Drexler SPD: Die 800 Seiten vorlesen! – Abg. Hofer FDP/DVP: Ein paar Seiten von den 900 vorlesen!)

Aber ich will es mir ja nicht mit allen Kolleginnen und Kollegen des Hauses verscherzen. Deswegen lese ich Ihnen etwas zum Thema Justizreform vor. Das diskutieren wir heute Nachmittag oder heute Abend. Ich sage Ihnen noch nicht, von wem das stammt.

(Abg. Kübler CDU: Machen wir ein Rätsel? Schön!)

Ja, ein Rätsel.

Das Justizressort kann einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts im Wesentlichen nur auf zwei Wegen leisten: entweder durch allgemeine Kürzungen mit der Folge, dass auch bei den Sozialgerichten eine erhebliche Zahl von Personalstellen wegfallen müsste und die Funktionsfähigkeit gefährdet wäre,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das machen wir nicht!)

oder aber durch grundlegende strukturelle Reformen mit dem Ziel, im Kernbereich der Justiz das für die Bearbeitung des Fallaufkommens zwingend notwendige Personal halten zu können.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Es gibt noch ganz andere Möglichkeiten! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Die Richter zu privatisieren! – Gegenruf des Abg. Pfister FDP/DVP: Zum Beispiel!)

Das Justizministerium hält angesichts eines bereits erfolgten Personalabbaus nur den zweiten Weg für gangbar.

Was macht der Fachabgeordnete Oelmayer? Der nimmt das Gesetz zur Hand

(Abg. Hofer FDP/DVP: Nicht bloß in die Hand nehmen! Lesen müssen Sie es auch, nicht bloß immer hochheben!)

und schaut nach. – Kollege Hofer, ich habe es auch gelesen. Ich werde Ihnen gleich daraus zitieren. Ich will Ihnen ja nur zeigen, dass auch die Opposition das Werk Verwaltungsreform stemmen kann.

(Heiterkeit – Abg. Drexler SPD: „Das Werk stem- men“ ist gut!)

Jetzt hören Sie gut zu! Das kommt aus dem Justizministerium, also nicht von mir.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das haben wir sofort ge- merkt!)

Das hat man wortwörtlich aus einer Initiative abgeschrieben, die wir im Parlament eingebracht haben, bei der es um die Justizreform im Kern ging. Wir haben nämlich gesagt: Justizreform kann nicht heißen, eine große Privatisierungsoffensive durchzuführen, zum Beispiel die Bewährungshilfe zu privatisieren,

(Abg. Drexler SPD: Die Gerichtsvollzieher!)

die Gerichtsvollzieher zu privatisieren, Notariate zu privatisieren, Handelsregister usw.

(Abg. Drexler SPD: Die staatliche Gewalt! Die Staatsanwälte will die FDP/DVP auch privatisie- ren!)

Das diskutieren wir dann später. Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, wer kann mir hier im Parlament klar machen, wo bei der noch verbliebenen Justizreform die Effizienzrendite sein soll? Das Einzige, was sich darin findet, ist die Privatisierung der Bewährungshilfe.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Und der Notare zum Bei- spiel!)

Die 25 Stellen, Kollege Pfister, sind doch keine Reform!

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das hat er bloß hochgeho- ben! Das ist doch kein Problem! Da hat er mit Le- sen aufgehört!)

Wo soll da die Effizienzrendite sein? Würde das bedeuten, dass in Zukunft die Probandenzahlen bei Bewährungshelfern noch höher geschraubt werden?

(Abg. Hofer FDP/DVP: Effizienzrendite wird nicht verlangt!)

Wird nicht verlangt. Wo ist dann der Rest der Justizreform? Wir haben zum Beispiel eine Konzeption zum Thema Gerichtsaufbau vorgelegt. Hier hat das Land Kompetenzen. Hier geht es um die Frage: Brauchen wir 108 Amtsgerichte, oder tun es vielleicht auch weniger? Die Landesregierung, die Ministerin allen voran, war noch nicht einmal bereit, dieses Thema zu diskutieren, obwohl aus ihrem Hause bestätigt worden ist, dass der Abbau von Amtsgerichten immerhin 1,2 bis 1,3 Millionen € pro Jahr bringen würde. Hier haben wir die Kompetenz und hätten entsprechend der eigenen Vorgabe aus dem Hause des Justizministeriums handeln können.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Wollen!)

Wenn ich mir jetzt dieses Machwerk anschaue, muss ich sagen: Ich finde nichts davon. Das Einzige, was ich finde, ist die Privatisierung der Bewährungshilfe – ein Armutszeugnis, liege Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Drexler SPD – Abg. Hofer FDP/DVP: Man darf nicht einfach bloß drei Seiten lesen!)

Ein weiterer Punkt, dessen Erwähnung ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen kann: Es wird ja behauptet, die Finanzverwaltung sei in diese allgemeine Verwaltungsstrukturreform nicht mit einbezogen. Das kann man in der Tat so verstehen; ich gestehe das durchaus zu. Zufälligerweise findet diese Finanzverwaltungsreform jetzt aber wie die Polizeistrukturreform zeitgleich mit der Verwaltungsstrukturreform statt.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das ist auch vernünftig!)

Ich bedanke mich, Kollege Hofer, dass Sie mir da zustimmen.

Die Finanzverwaltungsreform ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Sie sich nicht nur von sachlogischen Überlegungen, Gedanken und Argumenten leiten lassen, sondern dass es oft – wie Sie das nennen – „strukturpolitische“ Entscheidungen gibt.

Der Finanzminister hat in der Stellungnahme zu einer Initiative, die wir gestartet haben, bestätigt, dass mit der Eingliederung von kleineren Finanzämtern in größere Finanzämter, einer Maßnahme, die wir grundsätzlich mittragen – bei aller Kritik, die es dazu gibt –, immerhin Einsparungen von etwa 350 000 € pro Jahr erzielt werden.

Dann geht er aber bei vier Finanzämtern, die aufgrund ihrer Größenordnung geradezu nach Eingliederung schreien, wenn ich das einmal so sagen darf, zum Beispiel Ehingen, Mühlacker und Sinsheim, gerade einen anderen Weg und begründet diesen „strukturpolitisch“. Das dokumentiert, dass Sie sich bei der Verwaltungsreform und der Reform der Finanzverwaltung eben nicht nur von sachlogischen Argumenten leiten lassen, sondern auch strukturpolitisch entscheiden – man könnte auch sagen, zum Teil Entscheidungen nach Gutsherrenart treffen. Solche Entscheidungen tragen wir nicht mit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Ein weiterer Punkt, der noch als kritisch angemerkt werden soll, ist der WKD. Die Forstverwaltung habe ich schon genannt. Wir sagen, Sie dezimieren die Qualität bei der Lebensmittelüberwachung, Sie dezimieren die Qualität bei der Überwachung von umweltrelevant tätigen Betrieben. Sie dezimieren auch die Möglichkeiten der Forstverwaltung. Beim WKD tun Sie das auf eine ganz eklatante Art und Weise, indem Sie sagen: In fünf Jahren ist auch die Verantwortung für das gesamte Personal auf die Stadt- und Landkreise übertragen.

Auch dieses Beispiel dokumentiert, dass Sie Ihre Reform letztendlich nicht durchdacht haben und dass Sie an vielen Stellen Ausnahmeregelungen schaffen müssen – so weit ge

hend, dass Sie sogar über § 13 a bisherige Strukturen wieder herstellen wollen, damit die Aufgaben überhaupt vernünftig und kostengünstig wahrgenommen werden können.

Ich darf für unsere Fraktion resümieren – ich glaube, der Innenminister hat es ausgeführt –: Sie haben natürlich Recht, Kollege Blenke. Das macht mich als Abgeordneten so betroffen. Das sage ich jetzt ganz ehrlich und ohne Witz.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Ich bin immer engagiert, wenn ich hierher komme; das wissen Sie.

(Abg. Blenke CDU: Das stimmt!)

Ich lese das Zeug. Ich setze mich damit auseinander, Herr Innenminister, und beschäftige mich auch mit anderen Dingen – mit Finanzämtern, mit Polizeieinsätzen usw. – stets mit der notwendigen Akribie eines Abgeordneten.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Ja, das stimmt!)

Was aber völlig frustriert und was Sie Ihren Beamten offensichtlich nie zumuten, weil Sie sie motivieren wollen: Sie geben uns von vornherein zu verstehen, dass das eine Reform des Ministerpräsidenten ist, die jetzt umgesetzt wird – die müssen Sie, Herr Innenminister, jetzt umsetzen; Sie sind ja sozusagen der Chef der Verwaltungsreform –, und alles, was vonseiten der Opposition, von Sachverständigen in Anhörungen oder von betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverwaltung kommt, wird zwar formal so durchgeführt, aber die Möglichkeit der Partizipation schließen Sie für uns als Abgeordnete dieses Landtags weitgehend aus, wenn Sie dieses Gesetzeswerk tatsächlich in den nächsten drei Wochen in diesem Haus verabschieden wollen. Das ist das eigentlich Frustrierende an der Angelegenheit.

Herr Innenminister, ich bin mir ja sehr wohl bewusst, dass wir hier nicht die politische Mehrheit haben.

(Zuruf des Abg. Wieser CDU)