In § 1 a – Erlaubnisverfahren, Auswahlkriterien – des Gesetzentwurfs werden auf sage und schreibe mehr als anderthalb DIN-A-4-Seiten diese Kriterien festgelegt, und, Herr Innenminister und Ihre Innenverwaltung, ich hoffe und vertraue in dem Fall zunächst mal darauf, dass Sie die Vorgaben, die Sie vom Verfassungsgericht bekommen haben, im Gesetzestext richtig umgesetzt haben. Ich werde an dieser und jener Stelle für unsere Fraktion – das kündige ich schon jetzt an – Änderungsanträge einbringen, einfach deswegen, weil ich glaube, dass zum Beispiel der Begriff der Zuverlässigkeit und die Vorgaben, die Sie im Gesetzestext gewählt haben, nicht ausreichen, um die Verfassungsgerichtsentscheidung ordnungsgemäß umzusetzen.
Ein weiterer Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist die Frage der Verwendung der Abgaben, die erhoben werden, sprich die Zwecksetzung dieses Gesetzes. Sie sprechen ja zu Recht davon – und das können wir als Bündnisgrüne-Fraktion auch nachvollziehen –, dass Sie gern mehr als 90 % der Spielerlöse im Staatssäckel hätten, und das wird ja auch so kommen. Dafür wird der Landtag sorgen.
Wenn wir aber wissen – und deswegen habe ich das eingangs ausgeführt –, wo diese Gelder herrühren und in welch großes persönliches Unglück Menschen durch Glücksspiel – auch durch öffentlich-rechtlich betriebenes Glücksspiel – geraten können, dann stünde es dieser Gesetzesinitiative auch gut an, bei der Verwendung der Erlöse nicht nur das Begehren der Städte, gegebenenfalls nicht nur das der Stadt Stuttgart, zu befriedigen, sondern auch zu klären, inwieweit Erlöse auch Einrichtungen zugute kommen sollten, die sich um suchtkranke Menschen kümmern, die dann ja letztlich Hilfe brauchen, weil sie auch in öffentlichen Einrichtungen Glücksspiel betreiben konnten und betrieben haben.
Auch hier, Herr Innenminister, werden wir mit einem entsprechenden Änderungsantrag im Gesetzgebungsverfahren tätig werden. Wir werden wie schon in der Vergangenheit – sofern es dann tatsächlich federführend beim Innenausschuss bleiben wird, Kollege Heinz; ich gehe im Moment davon aus, aber die Verfahrenshoheit liegt bei demjenigen, der das Gesetz einbringt, ein Stück weit natürlich auch beim Parlament – das Gesetzgebungsverfahren mit konstruktiven Änderungsanträgen begleiten, und ich hoffe natürlich, dass Sie, insbesondere was die rechtlichen Vorgaben anbelangt, auch diesen oder jenen Änderungsantrag in den Ausschussberatungen mittragen können.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Fraktionen sind übereingekommen, den Gesetzentwurf
zur Vorberatung an den Finanzausschuss und zur federführenden Beratung an den Innenausschuss zu überweisen. – Es ist so beschlossen.
Antrag der Fraktion der SPD – Einsetzung einer Expertenkommission zur Reform des Landtagswahlrechts – Drucksache 13/25
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Nach jeder Landtagswahl, so auch nach der letzten, gibt es in der Öffentlichkeit heiße Diskussionen über unser Landtagswahlrecht. Diese Diskussionen entzünden sich in erster Linie daran, dass es beim Landtagswahlrecht im Gegensatz zum Bundestagswahlrecht nur eine Stimme gibt und dass die Wahlkreise höchst unterschiedlich groß und damit die Chancen der Bewerberinnen und Bewerber sehr ungleich sind.
Bevor ich jedoch zu den Problempunkten im Einzelnen komme, will ich betonen, dass ein großer Vorzug unseres Wahlrechts – und ich glaube, dies ist allgemeine Auffassung hier im Haus, jedenfalls in der SPD-Fraktion – darin besteht, dass es erfreulicherweise zu einer sehr starken Verankerung der Abgeordneten in ihren Wahlkreisen führt. Reine Listenwahlsysteme weisen diesen Vorteil nicht auf.
Ferner möchte ich vorweg betonen, dass, was die Zahl der von jedem Abgeordneten zu betreuenden Bürgerinnen und Bürger betrifft, der Landtag von Baden-Württemberg – und zwar auch in den beiden letzten Legislaturperioden mit wesentlich höheren tatsächlichen Sitzzahlen – nur von Nordrhein-Westfalen übertroffen wird. Von daher besteht keinerlei Notwendigkeit zur Verringerung der Regelsitzzahl des Landtags.
Lassen Sie mich im Folgenden ohne Anspruch auf Vollständigkeit acht Punkte anführen, die unseres Erachtens überprüft werden sollten.
Erstens: Die Wählerinnen und Wähler verstehen nicht, warum sie bei der Landtagswahl nicht wie bei der Bundestagswahl zwei Stimmen abgeben können. Daraus resultieren zum einen ungültige Stimmzettel, zum anderen wird dadurch den Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit genommen, eine Stimme nach der Personenpräferenz und eine Stimme nach der eventuell davon abweichenden Parteipräferenz abzugeben.
Zweitens: Die Größe der Wahlkreise hinsichtlich der Zahl der Wahlberechtigten ist außerordentlich unterschiedlich. Die durchschnittliche Größe beträgt 104 527 Wahlberechtigte. Der Unterschied zwischen dem kleinsten – Heilbronn – und dem größten Wahlkreis – Leonberg – beträgt 65 196 Wahlberechtigte, also über 60 % der Zahl eines durchschnittlichen Wahlkreises.
Nach der Neufassung des Bundestagswahlgesetzes soll die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl – das Bundestagswahlrecht stellt auf die Bevölkerungszahl ab, nicht auf die Zahl der Wahlberechtigten – nicht um mehr als 15 vom Hundert nach unten und nach oben abweichen. Beträgt die Abweichung mehr als 25 %, ist nach dem Bundestagswahlrecht eine Neuordnung vorzunehmen.
Legt man diese Maßstäbe zugrunde, stellt man fest, dass die Wahlkreise in Baden-Württemberg neu abgegrenzt werden müssen. Die 25-%-Grenze unterschreiten die Wahlkreise Heilbronn und Geislingen, drei Wahlkreise, nämlich Leonberg, Biberach und Bietigheim-Bissingen, überschreiten die 25-%-Grenze. Insgesamt sechs Wahlkreise – Stuttgart I, Stuttgart IV, Backnang, Schwetzingen, Pforzheim und Freudenstadt – unterschreiten die 15-%Grenze, neun Wahlkreise überschreiten die 15-%-Grenze, einige davon kommen sogar sehr nahe an die 25-%-Grenze heran, insbesondere Lörrach, Waldshut, Tübingen und der Bodenseekreis. Bei Zugrundelegung der Maßstäbe des Bundestagswahlrechts müssten deshalb fünf Wahlkreise in jedem Fall neu geordnet werden, und 15 Wahlkreise sollten neu abgegrenzt und der Durchschnittsgröße mehr angeglichen werden. Der Vollständigkeit halber will ich darauf hinweisen, dass weitere zwölf Wahlkreise eine größere Abweichung als 10 % haben.
Konsequenz ist, dass der Landtag in dieser Legislaturperiode in jedem Fall eine Neuabgrenzung der Wahlkreise vorzunehmen hat und dabei eine sehr viel stärkere Angleichung an die Durchschnittsgröße gewährleisten muss. Die SPD-Fraktion setzt sich dafür ein, dabei eine Abweichung von maximal 10 % hinzunehmen. Ich erinnere mich daran, dass die FDP/DVP-Fraktion schon einmal eine maximale Abweichung von 5 % gefordert hat.
Drittens: Im Zusammenhang mit der Größe der Wahlkreise wird häufig die Frage diskutiert, ob es nicht gerechter wäre, statt der Sitzzuteilung nach absoluten Stimmenzahlen – der Staatsgerichtshof hat dies für zulässig erklärt – im Zweitauszählungsverfahren eine Sitzzuteilung nach dem prozentualen Stimmenergebnis vorzunehmen. Diese Forderung kommt verständlicherweise insbesondere aus den kleineren Wahlkreisen, denn kleinere Wahlkreise werden beim gegenwärtigen System in der Regel nur durch einen direkt gewählten Abgeordneten vertreten. Zweitmandate sind kaum oder nicht möglich.
Viertens: Die Regelsitzzahl von 120 Abgeordneten wurde in der 11. Legislaturperiode mit 145 Sitzen und in der 12. Legislaturperiode mit 155 Sitzen erheblich überschritten. Erfreulicherweise ist in dieser Legislaturperiode die Abweichung der tatsächlichen Sitzzahl mit 128 von der Regelsitzzahl wesentlich geringer geworden.
Der wesentliche Grund für das Entstehen von Überhangmandaten liegt darin, dass wir 70 Direktmandate und 50 Zweitmandate haben. Schon bei einem Verhältnis von 60 : 60, was dem Verhältnis von Direktmandaten und Listenmandaten bei der Bundestagswahl entsprechen würde, wäre dieses Risiko erheblich reduziert. Nahezu ausgeschlossen werden könnte das Problem, wenn die Zahl der Direktmandate und damit der Wahlkreise auf 50 reduziert würde.
Fünftens: Die gegenwärtige Methode der Berechnung von Überhang- und Ausgleichsmandaten auf Ebene der Regierungsbezirke führt dazu, dass tendenziell die stärkste Partei bevorzugt wird und Ungleichheiten zwischen den Regierungsbezirken eintreten, was insbesondere aus Karlsruhe – ich meine jetzt Baden, nicht das Bundesverfassungsgericht – heftig kritisiert wird.
So wären in der letzten Legislaturperiode bei Berechnung auf Landesebene insgesamt sieben Ausgleichsmandate zusätzlich vergeben worden. In dieser Legislaturperiode würden den sechs Überhangmandaten der CDU statt der gegenwärtigen zwei Ausgleichsmandate insgesamt vier Ausgleichsmandate gegenüberstehen: drei der SPD und, meine Damen und Herren Kollegen von der FDP/DVP-Fraktion, ein Ausgleichsmandat der FDP/DVP.
(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD – Abg. Hauk CDU: Ja, würde das an den Mehrheitsverhältnissen etwas ändern?)
Übrigens: Nach der gegenwärtigen Regelung fallen vier der sechs Überhangmandate der CDU und die zwei Ausgleichsmandate der SPD im Regierungsbezirk Stuttgart an. Daran wird deutlich, dass der Regierungsbezirk Stuttgart durch diese Methode überrepräsentiert ist.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang die Bemerkung, dass für mich deshalb nach wie vor völlig unerfindlich ist, warum die FDP/DVP in der Koalitionsvereinbarung eine Regelung gewollt hat, nach der künftig Bezirkslisten zugrunde gelegt werden
SPD und FDP/DVP haben 1990 gemeinsam gegen diese Regelung geklagt, und alle Mitglieder der Verhandlungskommission waren Kläger: der Fraktionsvorsitzende Dr. Döring als Ziffer 43, Dr. Goll als Ziffer 45 und Kollege Ernst Pfister als Ziffer 47.
In diesem Zusammenhang ist mir auch unverständlich, warum der Vorsitzende der CDU-Fraktion an unseren Fraktionsvorsitzenden geschrieben hat: „Das bestehende Landtagswahlrecht hat sich nach Auffassung der Koalitionspartner bewährt und ist zeitgerecht.“
Meine Damen und Herren, sechster Punkt: Der Anteil der Frauen ist – mit aufgrund unseres Landtagswahlrecht – sehr gering. In der 12. Legislaturperiode betrug ihr Anteil 18 %. In der 13. Legislaturperiode sind 28 Frauen Mitglied des Landtags – bei der SPD 12, und damit hat sie unter den Fraktionen den größten Frauenanteil –, also insgesamt 21,8 %.
Siebtens: Die Absicherung von Führungspersönlichkeiten, die für die Fraktionsarbeit wichtig sind, ist bei diesem Landtagswahlrecht nicht möglich. Dies ist insbesondere ein Problem der kleineren Fraktionen.
Schließlich achtens: Immer wieder wird diskutiert, ob gerade bei den geringeren Zahlen, wie sie in Baden-Württemberg für die kleineren Fraktionen anfallen, das Auszählverfahren geändert und statt des d’Hondt’schen Höchstzahlverfahrens zum Beispiel das Verfahren der mathematischen Proportionen zugrunde gelegt werden sollte.
Meine Damen und Herren, Wahlrechtsfragen sind Angelegenheiten des Parlaments, und zwar des ganzen Parlaments, nicht nur der Regierungsfraktionen.
Wir sollten deshalb, wie es gutem demokratischem Brauch entspricht, diese Frage im Landtag offen erörtern und möglichst im Konsens entscheiden. Die Entscheidung sollte nicht von vornherein dadurch blockiert werden, dass eine Änderung prinzipiell abgelehnt wird, oder dadurch, dass die Koalitionsfraktionen auch bei der Novellierung des Landtagswahlrechts, also einer Parlamentsfrage, gegenseitig ein abgestimmtes Verhalten einfordern.
Um eine fundierte Entscheidung des Landtags zu ermöglichen, wird von uns deshalb die Einrichtung einer Expertenkommission durch das Präsidium beantragt. Wir bitten dazu um Ihre Zustimmung.