Protocol of the Session on July 18, 2001

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Birzele, Sie haben vollkommen zu Recht zitiert, dass sich das Landtagswahlrecht in der Tat bewährt hat. Es besteht nun seit nahezu 50 Jahren, und das hat auch seinen guten Grund. Ich bin überzeugt, dass dieses klare, einfache

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das ist weder klar noch einfach!)

und vor allem den Wähler in den Mittelpunkt rückende Wahlrecht mit dazu beigetragen hat, dass die Mehrheiten in diesem Haus immer klar waren

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der Grü- nen – Zuruf von der SPD)

und dass wir in Baden-Württemberg über 49 Jahre hinweg das Spitzenland Nummer 1 geworden sind.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Birzele, ich weiß gar nicht, woher die Unsicherheit der Wähler kommen soll. Die Zahl der ungültigen Stimmen ist, verglichen mit der bei der Bundestagswahl, um ein Vielfaches geringer. Das Wahlrecht ist einfach und klar: Der Wähler hat eine Stimme. Aber Sie wollen hier suggerieren, der Wähler hätte, wenn ihm zwei Stimmen zustünden, ein größeres Mitspracherecht in der Demokratie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall des Abg. Schebesta CDU – Abg. Capezzu- to SPD: Können Sie das begründen? Begründung!)

Nirgendwo wiegt die Wählerstimme schwerer als in Baden-Württemberg – in zweifacher Hinsicht: einerseits hinsichtlich der Zusammensetzung des Landtags und andererseits auch ganz speziell hinsichtlich der Kandidaten und Abgeordneten im jeweiligen Wahlkreis.

(Abg. Bebber SPD: Jetzt schwätzt nicht drum he- rum! Ihr wollt nichts ändern, ganz klar!)

Sie bevorzugen nicht mehr die Mischung aus Direkt- und Listenwahlrecht wie im Bundestagswahlrecht

(Abg. Birzele SPD: Das haben wir überhaupt noch nie bevorzugt!)

Sie haben den Vergleich zum Bundestagswahlrecht aber stets und ständig herangezogen –,

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das Bundestagswahl- recht ist auch eine Mischung aus Listen- und Di- rektwahl!)

sondern Sie haben ein paar Zwischentöne – ich habe sie wohl vernommen – mit eingeführt. Das nenne ich einen Fortschritt, Herr Kollege Birzele.

Aber eines ist klar: Überall dort, wo Listen aufgestellt werden, rücken die Parteien stärker in den Mittelpunkt. Mich wundert es, dass gerade diejenigen, die ständig von Bürgerbeteiligung und mehr Basisdemokratie reden, dann, wenn es ihnen beim Wahlrecht nicht in den Kram passt, das Thema Listenwahlrecht und somit den Einfluss der Parteien hochhalten.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Birzele, Sie haben zu Recht eines erwähnt, und auch das ist, glaube ich, ein Stück des erfolgreichen Weges, den wir in den letzten 50 Jahren in Baden-Württemberg gemeinsam zurückgelegt haben: Mit diesem Wahlrecht ist nämlich auch der Zwang für den einzelnen Wahlkreisabgeordneten, sich um seinen Wahlkreis zu kümmern, immanent. Das führt zwangsläufig auch zu einem Wettbewerb, und zwar zu einem konstruktiven und guten Wettbewerb.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das ist nur die halbe Wahrheit, Herr Kollege!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir, die CDU, stellen uns diesem Wettbewerb, und wir haben auch gar keinen Anlass, auf diesen Wettbewerb zu verzichten.

(Beifall bei der CDU – Abg. Bebber SPD: Es will auch keiner darauf verzichten! Was soll denn der Käse?)

In diesem Zusammenhang wären wir – das darf ich durchaus auch sagen – über eine konstruktivere Konkurrenz manchmal recht froh. Sie, sehr geehrter Herr Kollege Bir

zele, haben auf die Zusammensetzung des Landtags, insbesondere was die Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen und dergleichen angeht, hingewiesen. Ich sage es noch einmal: In der Güterabwägung – Vertretung gesellschaftlicher Gruppen – ist es mir allemal lieber, wenn die Parteibasis durch Mitgliederbeschluss oder Delegiertenbeschluss auf Kreisebene oder Wahlkreisebene bestimmt, wer in diesen Landtag einziehen soll, als dass wir ausgeklügelte Verfahren auf Landesebene haben, bei denen sorgfältig abgewogen wird, wer denn letztendlich einen Listenplatz und damit einen Fahrschein erhält.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das macht ihr in den Gemeinden doch auch, Herr Kollege! Das ist doch lächerlich!)

Das ist ja in Ordnung, Herr Kollege Oelmayer.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Nein, das ist nicht in Ordnung!)

Das haben wir im Bund so eingeführt. Aber warum sollten wir das nachmachen, wenn wir merken, dass sich das Wahlrecht in Baden-Württemberg unterm Strich bewährt hat?

Ein Letztes, nein, ein Vorletztes – zum Thema Auszählverfahren. Sie mögen natürlich Recht haben bzw. die Zahlen beweisen es: Tendenziell werden in der Tat die stärkeren Parteien noch etwas gestärkt, wenn man nach d’Hondt auszählt. Aber ich frage Sie im Umkehrschluss: Was würde es an den Mehrheitsverhältnissen denn ändern?

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Oder was hätte es in der Vergangenheit an den Mehrheitsverhältnissen geändert? Gar nichts!

(Abg. Capezzuto SPD: Warum sind Sie dann dage- gen?)

Wir hätten in jeder Legislaturperiode ein paar Abgeordnete mehr, aber an den Mehrheitsverhältnissen in diesem Haus hätte es nichts geändert.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das war auch nicht das Argument, Herr Hauk!)

Daher komme ich im Umkehrschluss dazu, dass dieses Verfahren auch dazu beiträgt, in diesem Haus für eindeutige Mehrheiten und somit für eine gute Regierung in diesem Land zu sorgen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Ein Letztes noch: Sie fordern die Einsetzung einer Expertenkommission. Jetzt muss ich schon sagen: Auch mir als einem juristischen Laien – –

(Abg. Schmiedel SPD: Das merkt man!)

Das sehe ich durchaus als Auszeichnung an, Herr Kollege Schmiedel. Sie haben vorhin selber darauf hingewiesen, das sei eine originäre Aufgabe des Parlaments. Das sehe ich genauso, Herr Kollege Birzele. Wir brauchen deshalb

keine Experten. Die sind wir nämlich in dieser Frage mit Sicherheit selber.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Glück.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Zum Thema „Wahl- recht des Glücksspiels“!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unser erklärtes Ziel: Wir wollen eine Änderung des Wahlrechts, auch wenn wir uns im Augenblick bezüglich der Koalitionsvereinbarung in einem gewissen Vakuum bewegen. Das wurde heute schon einmal angesprochen.

(Heiterkeit – Abg. Dr. Birk CDU: Das hätten wir ja anders haben können! – Zuruf des Abg. Dr. Salo- mon GRÜNE)

Meine Damen und Herren, Sie wissen doch alle, um was es geht. Fünf Wahlkreise sind bereits heute jenseits des verfassungsmäßigen Limits, jenseits der 25 %. 15 Wahlkreise bewegen sich bereits in einem sehr gefährlichen Bereich

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Grenzbereich!)

von 15 % Abweichung von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl, also einem Soll der Änderung, und zwölf Wahlkreise sind bereits nahe an dieser Grenze. Das heißt, fast die Hälfte der Wahlkreise ist direkt oder indirekt betroffen. Damit ist der Landtag gefordert, etwas zu tun.

Herr Kollege Birzele, Sie haben aus dem Brief des Kollegen Oettinger zitiert, worin es heißt – ich darf zitieren, Frau Präsidentin –: