Protocol of the Session on May 5, 2004

(Unterbrechung der Sitzung: 12:46 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 13:59 Uhr)

Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Neuordnung der Pflegeheimförderung – Drucksache 13/3039

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses – Drucksache 13/3128

Berichterstatterin: Abg. Brigitte Lösch

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache über den Gesetzentwurf eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich das Wort

(Abg. Hauk CDU: Dr. Lasotta!)

Herrn Abg. Dr. Lasotta.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich grüße alle, die die postprandiale Müdigkeit nicht übermannt hat und die hier im Plenarsaal sitzen. Wir haben uns mit diesem sozialpolitischen Thema immerhin auf Tagesordnungspunkt 4 vorgearbeitet. Das letzte Mal, Frau Altpeter, waren wir bei Tagesordnungspunkt 7 oder 8. Vielleicht würden wir es bei einer dritten Lesung sogar schaffen, dass der Gesetzentwurf am Vormittag beraten wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Es geht um die Pflegeheimförderung. In Baden-Württemberg haben wir ein modernes und leistungsfähiges System der Pflegeheimförderung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist ein Erfolgsprojekt für Baden-Württemberg. Insgesamt wurden 275 Förderprojekte mit einem Investitionsvolumen von über 900 Millionen € gefördert. Dieses System weiterzuentwickeln und den aktuellen Rahmenbedingungen anzupassen ist nun die landespolitische Aufgabe.

Diese Aufgabe ist umso schwieriger, weil wir dem demografischen Wandel begegnen müssen, also dem Tatbestand, dass immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft leben und diese älter werdenden Menschen auch mit speziellen Problemen behaftet sind, zum Beispiel mit der Demenz, der Altersverwirrtheit.

(Abg. Fischer SPD: Da gibt es auch Jüngere!)

Ich könnte Ihnen ein paar Beispiele nennen, Herr Fischer. Aber ich glaube, das darf ich hier nicht öffentlich sagen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Dafür gibt es keine Al- tersgrenze!)

Über 30 000 Demenz-Neuerkrankungen in Baden-Württemberg pro Jahr stellen auch den Pflegeheimbereich vor neue Herausforderungen. Wir müssen speziell auch unsere Pflegeheime und die Stationen mit neuen Konzepten ausrüsten.

Wir haben in den Familienstrukturen einen sozialen Wandel, bei dem wir darauf angewiesen sind, nachbarschaftliches und bürgerschaftliches Engagement stärker in die Hilfssysteme einzuarbeiten. Deswegen müssen wir schauen, dass der Förderstau, der zweifelsfrei vorhanden ist, abgebaut wird.

Mit der Änderung der Förderung durch das jetzt vorgelegte Gesetz kann mit dem konstanten Bewilligungsrahmen von 60 Millionen € das Investitionsvolumen von 150 Millionen € auf 240 Millionen € ausgeweitet und damit der Förderstau in den nächsten Jahren deutlich abgearbeitet werden.

Wie erreichen wir das? Die Fördertatbestände werden abgebaut. Die Verfahren werden vereinfacht, zum Beispiel werden die Inventarkosten nicht mehr berücksichtigt. Der Eigenmittelanteil der Träger wird mit 10 % festgeschrieben. Das ist wichtig, um in diesem Markt wirklich nur die seriösen Träger arbeiten zu lassen. Wir nehmen einen Instandhaltungsabzug vor, soweit die Instandhaltung der letzten zehn Jahre nicht nachgewiesen wird. Wir wollen in der Regel kleine Einrichtungen mit bis zu 100 Plätzen im Neubaubereich fördern, um insbesondere die wohnortnahe Versorgung auszubauen. Die Förderquote wird von 60 % auf 45 %

abgesenkt, sodass wir hiermit die erhöhten Bewilligungszahlen erreichen können. Damit werden wir in den nächsten Jahren 10 000 neue stationäre Pflegeplätze schaffen, die Defizite ausgleichen und eine wohnortnahe Versorgung gewährleisten, um insbesondere die Angehörigen mit in die entsprechenden Arbeiten vor Ort einbinden zu können.

Jetzt werden wir natürlich vorgeworfen bekommen, dass das alles viel zu wenig sei. Insbesondere in der Ersten Beratung und im Ausschuss haben wir das ja hören müssen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass sich das Land hier außerordentlich engagiert hat. Wir haben im Jahr 2002 unsere Eigenmittelanteile um 37 % erhöht, im Jahr 2003 um 45 %, sodass wir jetzt insgesamt 60 Millionen € an Eigenmitteln bereitstellen können.

Die Rahmenbedingungen sind so, wie sie sind. Ich möchte auch gar nicht darauf eingehen, woran das liegt. Das ist vielen Debatten hier im Landtag vorbehalten. Das Land engagiert sich weiterhin mit diesen erhöhten Mitteln. Und die Kommunen werden ein Stück weit entlastet, weil deren Förderquote von 20 auf 15 % sinkt.

Im Übrigen möchte ich erwähnen, dass wir bei der Kurzzeit- und der Tagespflege die Förderquoten bei 80 bzw. 90 % belassen. Wenn wir es schaffen, die Projektzahl zu erhöhen, wird das eben auch dazu führen, dass der Pflegesatz geringfügig steigt; 2 bis 3 € pro Tag sind gerechnet. Aber das ist immer noch besser, als diese Förderung insgesamt zu streichen, wie es auch aus dem politischen Raum bis hin zu Kreis- und Landräten gefordert wird,

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Und Landtagsab- geordneten!)

und das dem freien Markt zu überlassen. Insofern glauben wir, dass wir mit dieser Projekt- und Objektförderung den Gemeinden und Bürgern etwas Gutes tun.

Die CDU-Fraktion unterstützt den entsprechenden Gesetzentwurf.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Altpeter.

Frau Präsidentin, meine lieben anwesenden Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Lasotta, wenn Sie glauben, etwas Gutes zu tun, heißt das zum einen, noch nichts zu wissen. Es heißt aber zum anderen auch, dass der hier vorgelegte Gesetzentwurf zur Neustrukturierung der Pflegeheimförderung eine Herausforderung ist, die der demografische Wandel für uns alle auf allen – auch politischen – Ebenen mit sich bringt, die aber dem damit einhergehenden zunehmenden Bedarf an neuen Pflegeheimplätzen nicht gerecht wird.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Herr Haas, ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie sich nach den Aussagen meines Kollegen Birzele von heute Morgen ein bisschen beruhigt hätten; das ist nicht der Fall.

(Abg. Fischer SPD: Das hat zum Gegenteil geführt! – Gegenruf von der CDU)

Die Absenkung der öffentlichen Investitionskostenförderung von 60 auf 45 % wird mit Sicherheit nicht zum Ausbau zu einer bedarfsgerechten Pflegeinfrastruktur führen. Sie wird vielmehr – da sage ich Ihnen nichts Neues – in erster Linie dazu führen, dass auf den einzelnen Heimbewohner, auf die einzelne Heimbewohnerin und auf die Angehörigen Mehrkosten in Höhe von monatlich rund 130 € allein für die Investitionen zukommen werden. Wir haben damit noch keine Verbesserung der Betreuung insbesondere der Demenzkranken erreicht und damit auch keine Erhöhung des Personalschlüssels finanziert.

Die Absenkung der Heimkosten geht allein zulasten der Heimbewohner, die die künftig fehlenden öffentlichen Fördermittel aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. Diese Absenkung geht auch zulasten der Kommunen, die zwar einerseits dadurch entlastet werden, dass ihr Förderanteil geringer wird, andererseits aber auch dadurch wieder belastet werden, dass die Anteile an den Sozialhilfeausgaben entsprechend ansteigen werden.

(Zuruf von der CDU)

Dies sind nun nicht die ersten Einschnitte im Landespflegegesetz. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

wurden gravierende Einschnitte vorgenommen. Ein Beispiel hierfür sind die Investitionskosten für die ambulanten Dienste.

Ich denke, Sie sollten sehr vorsichtig sein, wenn Sie sich hier über den grünen Klee loben, aber gleichzeitig aus diesem Bereich immer wieder Fördermittel herausnehmen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen die Förderung der Pflegeheiminvestitionen aus öffentlichen Mitteln. Ohne eine ausreichende öffentliche Förderung ist für die Pflegeheimträger die Finanzierung betriebsnotwendiger Investitionen deutlich erschwert.

Ich darf wiederholen, was ich zu diesem Punkt im Sozialausschuss gesagt habe: Auch die zunehmend restriktive Haltung der Kreditwirtschaft gerade bei der Finanzierung von Sozialimmobilien führt bereits jetzt zunehmend zu Problemen bei der Beschaffung des notwendigen Fremdkapitals.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Darum ergibt sich, dass die Senkung der Förderquote gerade für kleine Träger mit geringer Eigenkapitalausstattung die Kapitalkosten erhöht.

Im Ergebnis begünstigt der Gesetzentwurf also große, kapitalstarke Anbieter und benachteiligt kleine, kapitalschwächere Träger.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist eine unbegründete Behauptung!)