Protocol of the Session on March 10, 2004

Meine Damen und Herren, das ist doch die entscheidende Frage, über die wir uns einmal Gedanken machen müssen. Das Ziel eines Steuersystems haben wir doch schon völlig aus den Augen verloren: Es müssen gewisse Staatsausgaben durch die Bürgerinnen und Bürger finanziert werden, die dabei nicht überbelastet werden dürfen. Es ist doch völlig klar, dass nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip besteuert werden soll. Das heißt, dass das Existenzminimum steuerfrei sein soll und dass dann derjenige, der mehr verdient, auch ein bisschen mehr Steuern bezahlt.

(Abg. Drexler SPD: „Ein bisschen“ ist gut!)

Aber es darf auch nicht sein, dass in der Bundesrepublik Deutschland der letzte Euro mit über 50 % besteuert wird, wenn man alles zusammennimmt, also vom letzten Euro gerade der Leistungsfähige mehr an den Staat abgibt, als er selber behalten darf.

(Abg. Drexler SPD: Das haben wir doch reguliert!)

Es ist auch nicht in Ordnung, dass die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland bis Juli für den Staat arbeiten müssen und erst im zweiten Halbjahr für sich selber arbeiten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Das stimmt doch nach der Steuerre- form nicht mehr!)

Es ist auch nicht gerecht, Herr Kollege Drexler, dass 10 % der Steuerpflichtigen

(Abg. Drexler SPD: Reden Sie doch zur Sache!)

54 % des Gesamtsteueraufkommens erbringen.

(Abg. Drexler SPD: Die zahlen doch gar keine Steuern, hat er vorhin gesagt!)

Ach, das stimmt doch nicht. Natürlich zahlen sie Steuern.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Was gilt denn jetzt bei der FDP? Alles?)

Deshalb ist die FDP-Fraktion im Bundestag wie in den Landtagen der Auffassung, dass die 450 Milliarden € Steuereinnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden genügen und dass sich auf der anderen Seite der Staat bescheiden muss,

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr gut!)

weil nämlich die Menschen heute frei sind und ein Wettbewerb der Länder auf der Welt um die besten Unternehmen und Unternehmer und um die besten Wissenschaftler entbrannt ist und die Menschen abwandern. Wir haben viel früher als Sie begriffen – ich bezweifle, Herr Kollege Drexler, dass Sie es überhaupt begriffen haben –,

(Abg. Drexler SPD: Reden Sie einmal über das Steuermodell!)

dass 35 % Steuern von viel immer noch mehr sind als 56 % von nichts, meine Damen und Herren. Das ist doch das Entscheidende. Uns laufen doch die Steuerzahler davon. Wo gehen sie hin?

(Abg. Drexler SPD: Von welchem Konzept reden Sie jetzt? – Unruhe)

Michael Schumacher und andere würden doch Deutschland als Steuerzahler gut tun. Sie gehen nach Monaco. Das bezeichnen Sie dann als „Insel der Reichen“. Ich bin der Meinung, dass Deutschland die Insel der Reichen sein sollte. Wir wollen, dass diese Steuerzahler zurückkehren, meine Damen und Herren. Dafür brauchen wir ein einfaches und gerechtes Steuersystem

(Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD)

mit niedrigeren Sätzen.

(Abg. Drexler SPD: Und wer zahlt es? – Unruhe)

Das hat die FDP vorgelegt. 15, 25, 35 % bei der Einkommensteuer sind genug, denn das heutige Steuersystem ist

kompliziert, es sieht Ausnahmetatbestände vor, es blicken nur noch wenige durch.

... die Steuer wurde zu einem Instrument vielfacher staatlicher Begünstigungen und auch unerwünschter Einflussnahmen.

Dies habe nicht ich gesagt, sondern dies hat Ludwig Erhard im Jahr 1957 gesagt. Gegenüber 1957 ist das Steuersystem noch leistungsfeindlicher und noch komplizierter geworden.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Deshalb will die FDP zurück zum Vater der sozialen Marktwirtschaft.

(Abg. Drexler SPD: Und wer soll es zahlen?)

Denn das hat Wohlstand für alle gebracht, und das jetzige System hat uns in die Sackgasse geführt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Sagen Sie einmal et- was zur Finanzierung der Steuerausfälle! Solche Phrasen! – Abg. Fischer SPD: Also so einfach darf man es sich nicht machen!)

Ein Wort zu den Steuerkonzepten. Das FDP-Konzept ist durchgerechnet.

(Abg. Drexler SPD: 67 Milliarden € Ausfall!)

Das FDP-Konzept bringt nach der Berechnung der Finanzminister einen Ausfall von 21 Milliarden €.

(Abg. Drexler SPD: In drei Jahren 67 Milliar- den €!)

In der Tat ist die Schwäche des Kirchhof-Modells bei der Einführung ein Ausfall von über 40 Milliarden €. Das ist auch die Achillesferse. Deshalb ist die FDP auch nicht für das Kirchhof-Modell, sondern für das FDP-Modell, das mit einem Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag eingebracht worden ist.

Meine Damen und Herren, die Diskussion ist auch ein Stück weit eine Diskussion um des Kaisers Bart. Die FDP sagt: 15, 25, 35 %. Merz sagt: 12, 24, 36 %.

(Minister Dr. Döring: Der sagt gar nichts! – Abg. Drexler SPD: Der sagt gar nichts mehr!)

Das ähnelt sich dann doch sehr stark. Ich will ja nicht von Abschreiben reden.

(Lachen der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Ich meine auch, dass der Kompromiss, der jetzt bei den Verhandlungen von CDU und CSU in Berlin herausgekommen ist, schon etwas verwässert ist. Wenn ich mich an die Schule erinnere, meine Damen und Herren, dann ist es dort so, dass derjenige, der abschreibt – und dann auch noch etwas Falsches abschreibt –, gleich eine Sechs bekommt, und das zu Recht, meine Damen und Herren.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Theurer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Drexler?

Wenn es nicht auf die Redezeit angerechnet wird.

(Oh-Rufe von der SPD)

Bitte, Herr Abg. Drexler.

Gestehen Sie mir zu, dass auch beim FDP-Konzept in den ersten drei Jahren ein Steuerausfall von 67 Milliarden € festgeschrieben wird? Nach dem Gutachten der Finanzminister sind es bei Kirchhof 92 Milliarden €, bei Ihnen 67 Milliarden €.

(Minister Dr. Döring: Gestehen Sie dem Drexler nichts zu!)

Sie können uns auch nicht erzählen, wie Sie das finanzieren wollen.

(Abg. Fischer SPD: Das haben sie abgeschrieben!)

Geben Sie mir Recht, dass der Ausfall, der von den Finanzministern berechnet wurde, beim FDP-Modell im ersten Jahr bei 20 Milliarden € liegt?