Protocol of the Session on March 10, 2004

Geben Sie mir Recht, dass der Ausfall, der von den Finanzministern berechnet wurde, beim FDP-Modell im ersten Jahr bei 20 Milliarden € liegt?

(Widerspruch der Abg. Fischer und Drexler SPD – Unruhe bei der SPD)

Wenn ich die Jahre zusammenrechne, komme ich natürlich auf mehr.

(Unruhe und Lachen bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Das muss man natürlich machen!)

Ich komme jetzt zur Finanzierungsseite.

(Zurufe von der SPD)

Daran sieht man, dass die SPD eben nur einen Teil der Dinge betrachtet. Die FDP will die Staatsausgaben durch eine Reduzierung der Staatsaufgaben senken. Das bedeutet – –

(Abg. Drexler SPD: 67 Milliarden!)

Nein, 20 Milliarden € jährlich, indem man laufende Ausgaben senkt.

(Abg. Drexler SPD: Aha! – Abg. Kleinmann FDP/ DVP: Subventionen!)

Wir haben 170 Milliarden € Subventionen – im weiteren Subventionsbegriff der Bundesregierung – im Bundeshaushalt. Wenn Sie davon nur 10 % streichen – in der Industrie sagt man: „10 % sind immer drin!“ –, dann sind Sie bei 17 Milliarden €.

(Abg. Drexler SPD: Das haben Sie im Dezember abgelehnt! – Zuruf des Abg. Schmid SPD)

Wir haben Vorschläge gemacht, wie diese Subventionen gestrichen werden sollten. Man kann es nach der Rasenmähermethode machen; aber auf jeden Fall geht es.

Deshalb halte ich für die erste Runde fest: Wenn wir als politisch Verantwortliche wirklich ein einfacheres und gerech

teres Steuersystem mit niedrigeren Steuersätzen – im Sinne dessen, was die FDP vorgeschlagen hat – wollen und zugleich die Ausgaben wirklich kürzen wollen, dann schaffen wir das auch. Dazu laden wir Sie ein und fordern Sie auf, mitzuziehen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Das Steuerkonzept von Ministerpräsident Teufel“ lautet der Titel dieser Aktuellen Debatte. Was soll das sein? Kennen Sie eines? Gibt es einen Beschluss der Landesregierung?

(Ministerpräsident Teufel: Nichts gibt’s! So ist es! – Heiterkeit des Abg. Dr. Reinhart CDU)

Gibt es einen ausformulierten Beschluss der CDU BadenWürttemberg? Gibt es einen Gesetzentwurf der CDU/CSUBundestagsfraktion? Oder einen kohärenten Beschluss von CDU und CSU?

(Abg. Oettinger CDU: Das müssen Sie die SPD fragen, nicht uns! Antragsteller ist die SPD! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Die beste Frage des Tages!)

Das alles gibt es nicht. Vor allem, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, gibt es nichts Belastbares von Ihnen. Das ist das Entscheidende. Die Union weiß nicht, was sie will. Es gibt mehr Steuervorschläge der Union, als auf einen Bierdeckel passen; das ist das Problem.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und Abge- ordneten der SPD)

Das ist einer der Gründe, weshalb wir nicht vorankommen.

Der Ministerpräsident sagt seit längerem, er möchte das Kirchhof-Modell. Herr Kirchhof hat im Gegensatz zur CDU einen ausformulierten Gesetzentwurf vorgelegt. Es fehlen allerdings die entscheidenden Ausführungsbestimmungen. Dieser Vorschlag steht in vielen Punkten im Widerspruch zur Auffassung des CDU-Präsidiums, dem Herr Teufel angehört, und zu den Beschlüssen von CDU und CSU vom vergangenen Sonntag. Es macht natürlich schon einen Unterschied, ob man eine Flat-Tax will wie Kirchhof oder einen Stufentarif wie Merz. Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob man nur eine Einkommensteuerart schafft oder vier.

Ob es nun um die mutmaßliche Meinung des Ministerpräsidenten geht oder um die Beschlüsse der Union: Sie bleiben die konkreten Antworten schuldig. Sie wollen sich nicht angreifbar machen. Das heißt: Zur Eigenheimzulage gibt es keine Position der Union. Einen Vorschlag zur Kapitalbesteuerung gibt es auch nicht. Zur Steuersystematik gibt es ein bisschen Merz mit dem Stufentarif, jetzt wieder ein bisschen linearer: progressiver Tarif nach Faltlhauser. Was wollen Sie eigentlich?

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Das ist doch gerade be- schlossen!)

Die „Stuttgarter Zeitung“ schreibt zu Recht:

Das bestärkt die Vermutung, dass CDU und CSU die Steuerdiskussion in erster Linie als Showveranstaltung begreifen. In den Überschriften sind die Schwesterparteien Weltmeister, wenn es um die Details geht, kneifen die Strategen.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Herr Ministerpräsident, Sie haben an führender Stelle verhindert, dass der Vermittlungsausschuss im Dezember einen stärkeren Subventionsabbau und niedrigere Steuersätze beschlossen hat. Sie haben die Eigenheimzulage bis zum Erbrechen verteidigt. Sie wollten sie für die große Reform aufsparen.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Das ist doch in Ord- nung!)

Wo ist jetzt die große Reform? Jetzt schlägt von der Union niemand mehr eine so radikale Senkung der Steuersätze vor. Was passiert jetzt mit der Eigenheimzulage?

(Abg. Dr. Schüle CDU: Abbauen!)

Aber Sie bleiben bei Ihrem populistischen Konzept als angeblicher Ritter für die Häuslebauer in Baden-Württemberg. In Wirklichkeit sind Sie ein Schönredner, Herr Ministerpräsident.

Als Beispiel nenne ich die Kopfpauschale bei der geplanten Gesundheitsreform:

(Abg. Sakellariou SPD: Genau!)

erforderliche Transfermittel aus Steuern mindestens 27 Milliarden € nach dem, was die Herzog-Kommission gerechnet hat. Womit sollen solche Aufwendungen bezahlt werden? Mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer oder womit sonst? Keine Antwort von Ihnen! Wollen Sie die Mineralölsteuer erhöhen? Mineralölsteuererhöhung, Mehrwertsteuererhöhung – so haben Sie es unter Kohl gemacht, um den Haushalt zu stützen.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhart CDU)

Oder was ist jetzt mit der geplanten Entlastung um über 10 Milliarden €? Wollen Sie diese Entlastung? Dann brauchen Sie ja schon fast 40 Milliarden €. Woher kommen diese Mittel? Keine Antwort, betretenes Schweigen, keine Zwischenrufe!

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD – Lachen des Abg. Dr. Reinhart CDU)

Herr Ministerpräsident Teufel, man kann nicht alles auf einmal haben. Solange Sie das den Leuten nicht sagen, versprechen Sie zu viel.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Herzog lesen und verste- hen, bitte! – Zuruf des Abg. Dr. Scheffold CDU)

So kommen wir nicht weiter. Wir müssen den Leuten reinen Wein einschenken. Das ist die erste Grundlage einer seriösen Diskussion über die Steuern.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Dafür sind wir zu haben!)

Für uns ist der Vorschlag von Professor Kirchhof ein Beitrag zu einer notwendigen Steuerreformdiskussion. Deswegen kann ich mich meiner Kollegin Christine Scheel aus dem Bundestag anschließen, die gesagt hat, dass sie die Ziele von Kirchhof im Grundsatz unterstütze.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Hat sie die Rede gefaxt?)

Auch ich bin der Überzeugung, dass wir ein einfacheres Steuersystem brauchen. Das ist gerechter. Eine Verkäuferin kann sich vor dem Finanzamt nicht arm rechnen, aber große Firmen können sich mit ihren Steuerabteilungen oder mit dem Einsatz von Steuerberatungsbüros arm rechnen.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Wo ist der Gesetzentwurf der Grünen? – Abg. Dr. Scheffold CDU: Gute Er- kenntnis!)

Wir brauchen eine Vereinfachung des Steuerrechts, damit sich die real gezahlten Steuersätze den formalen wieder annähern.

(Beifall des Abg. Dr. Reinhart CDU)