Protocol of the Session on March 10, 2004

Interessant, Herr Kollege Palmer, fand ich Ihre Äußerungen über die Filmförderung. Da haben Sie völlig Recht. Der SWR als größter Auftraggeber im Lande ist aufgefordert, seine Produktionen entsprechend nach außen zu vergeben. Das geschieht aber – das wird von den Medienschaffenden, die ich überall im Land treffe, kritisiert – viel zu wenig. Ich

möchte daran erinnern, dass gerade Sie damals, als es um die Firma Maran ging, die Haltung des SWR verteidigt haben. Ich freue mich, dass da bei Ihnen ein Sinneswandel stattgefunden hat.

Meine Damen und Herren, wir sind uns darin einig, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein Sparpotenzial noch nicht ausgeschöpft hat. Es wird sicherlich auch beim SWR nicht dabei bleiben, dass man den jährlichen SWRBall streicht – obwohl das wahrscheinlich kein so großer kultureller Verlust für die Landeshauptstadt sein wird; das mag dahingestellt sein.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Der ist schön! – Abg. Birgit Kipfer SPD: Das gehört alles nicht zum Thema Rundfunkstaatsvertrag!)

Du gehst gerne hin, entschuldige, dann nehme ich diese Äußerung zurück.

Meine Damen und Herren, trotz aller Sparpotenziale werden wir um eine Erhöhung der Gebühren nicht herumkommen.

Zum Schluss noch zwei Punkte: Herr Kollege Palmer hat angekündigt, dass man jetzt auch bei den Glücksspielen eingreifen möchte. Aber es geht in diesem Zusammenhang ja nicht nur um das Besetztzeichen. Wenn Sie beispielsweise bei den Glücksspielen auf BTV angerufen haben, dann haben Sie kein Besetztzeichen gehört, sondern Sie hörten: „Leider haben Sie Pech gehabt.“ Um genau diese Anrufe geht es, bei denen vorher suggeriert wird: „Ja, rufen Sie an, dann kommen Sie zu uns durch.“ Das ist das große Problem; das Problem besteht nicht bei den wenigen Ausnahmen, bei denen Sie ab und zu das Besetztzeichen hören.

Meine Damen und Herren, das liegt auch an Folgendem: Bisher lässt das Gesetz zu, dass zu hohe Gebühren, nämlich 49 Cent pro Minute, für 0137-Nummern verlangt werden. Ich plädiere dafür – ich habe mich auch entsprechend in Berlin dafür eingesetzt, und ich hoffe, dass das auch so kommen wird –, diese Gebühr herunterzusetzen. Nur dann wird es sicherlich eine Verbesserung geben.

Zur Verlängerung der Amtszeit des Vorstands der LfK will ich nur sagen: Die Begründung, man müsse diesen Sachverstand halten, mag teilweise zutreffend sein, nur glaube ich nicht, dass das eine Rechtfertigung dafür wäre, die Amtszeiten auf ewig hinaus zu verlängern. Ich glaube, es gibt in diesem Land auch noch mehr Sachverstand in Sachen Medien. Die Ausschreibung der Stelle des Vorsitzenden ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Hier wurde etwas korrigiert, was schon längst hätte gemacht werden müssen.

Jetzt noch zu Ihnen, Frau Kollegin Gräßle. Sie haben sich im Ausschuss dahin gehend geäußert, BTV sei der kreativste Sender im Land.

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Der innovativste!)

Der innovativste Sender im Land. – Ich möchte nur sagen: Ich hoffe, Sie entschuldigen sich einmal bei allen, die in diesem Land gute und seriöse Fernsehprogramme machen. Das ist weit entfernt von dem, was BTV bietet.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erhält Herr Minister Dr. Palmer.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben in der Tat breit diskutiert, und zwar bei der Information im Rahmen der Einbringung des Gesetzentwurfs bei der ersten Lesung und bei den Ausschussberatungen. Ich bedanke mich auch für die sachliche Diskussion, die wir allenthalben hatten. Ich möchte deshalb nur auf die Argumente eingehen, die heute in der Debatte vorgetragen worden sind, und keine allgemeinen Ausführungen machen. Die sind schon gemacht worden. Das muss heute bei der abschließenden Lesung nicht mehr sein.

Frau Kipfer, das Bekenntnis der Landesregierung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht Sie nicht zu überraschen, weil ich in der Kontinuität aller Vorgängerregierungen stehe. Wir haben gehandelt, als es galt, die zweitstärkste Anstalt innerhalb der ARD zu schaffen. Die Fusion von SDR und SWF wurde ja nicht mit dem Ziel auf den Weg gebracht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland zu schwächen, sondern mit dem Ziel, ihn zu stärken. Das ist mit dieser Fusion auch gelungen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Birgit Kipfer SPD: Das haben wir ge- meinsam gemacht!)

Wir haben die Regionalisierung, wo sie sinnvoll ist, mitgemacht. Wir sind in der Vergangenheit sehr verantwortungsbewusst mit der Rundfunkgebühr umgegangen. Wir haben nur gesagt – da bitte ich auch in diesem Haus um Konsens –, dass wir bei aller Akzeptanz der Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Systems, das in mehreren Urteilen von Karlsruhe Ausdruck findet, trotzdem in Deutschland nicht weitermachen können mit der schrankenlosen Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Birgit Kipfer SPD: Das hat doch nie- mand behauptet!)

In diesem Spannungsbogen bewegen wir uns: Klares Bekenntnis dazu, dass einerseits das in Jahrzehnten entwickelte duale System, aber mit dem Vorläufer des öffentlichrechtlichen Systems, bevor das private kam, das Wesensmerkmal unserer freiheitlichen Rundfunkordnung in Deutschland ist und dass wir auch froh sein können, dass wir Qualitätsprogramme haben, dass wir aber andererseits in Deutschland ernsthaft diskutieren müssen, ob es so weitergehen kann. Ich will einfach einmal ein paar Parameter nennen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Kipfer?

Gerne. Aber, Frau Präsidentin, diesen Gedanken will ich noch zu Ende führen, bevor ich die Frage zulasse.

Wir haben heute 25 000 feste Mitarbeiterstellen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland, wir unterhalten 61 Hörfunkprogramme allein in der ARD, wir haben Gebühreneinnahmen von 6,5 Milliarden € pro Jahr in diesem System. Diese Zahlen muss man sich schon einmal anschauen: 25 000 Mitarbeiter, 61 Hörfunkprogramme mit teilweise gleichen Inhalten und Gebühreneinnahmen von 6,5 Milliarden €. Dieses System wird an Grenzen stoßen.

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU und Beate Fauser FDP/DVP)

Deshalb müssen wir, und zwar gerade diejenigen, die es mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gut meinen, weil sie auch Qualität, Leistung und Inhalt positiv bewerten, ernsthaft in eine Strukturdebatte über die Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland eintreten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Jetzt gerne Ihre Frage.

Herr Minister, wie beurteilen Sie denn gerade vor dem Hintergrund Ihrer eben gemachten Äußerungen die Entwicklung des Bayerischen Rundfunks, der in vollem Einvernehmen mit der Bayerischen Staatsregierung zwei volle Fernsehprogramme und fünf Hörfunkprogramme ausstrahlt?

Wir haben unseren bayerischen Freunden im Rahmen der gerade stattfindenden Debatte über die Rundfunkstrukturreform sehr deutlich unsere Meinung gesagt, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Wir haben gesagt: „Ihr seid zusammen mit Nordrhein-Westfalen die Vorkämpfer dafür, dass sich das öffentlich-rechtliche System jetzt einschränkt.“ Aber der Bayerische Rundfunk hat mit die höchsten Anmeldungen gegenüber der KEF geltend gemacht. Wir haben beim SWR erheblich Personal abgebaut, während der Bayerische Rundfunk weiterhin Personal aufbauen will. Die Bayerische Staatsregierung hat im Rahmen des Papiers mit NordrheinWestfalen kritisiert, dass 3sat und arte als eigenständige Kulturformate stattfinden, aber kein Wort zu BR-alpha gesagt. Das war alles nicht stimmig.

Wir haben deshalb – das tun wir im Länderkreis im Übrigen frisch und frei auch bei gleichen politischen Farben – sehr intensiv mit unseren bayerischen Freunden diskutiert. Sie haben überhaupt nicht die Unterstützung von Baden-Württemberg erfahren, aber sie haben bei den Beratungen weitgehend die Unterstützung von Nordrhein-Westfalen, von Frau Dr. Meckel, erfahren.

Das sind im Augenblick die Frontstellungen in der Rundfunkkommission der Länder: Die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Bayern gemeinsam gegen viele andere Bundesländer, unabhängig von der politischen Farbe der jeweiligen Landesregierung.

Ich möchte jetzt kurz auf die von Herrn Theurer angesprochenen Punkte eingehen.

Herr Theurer, ich bin dankbar dafür, dass Sie angesprochen haben, dass diejenigen, denen es mit der Qualität in Hör

(Minister Dr. Christoph Palmer)

funk und Fernsehen Ernst ist – vor allem das Fernsehen ist davon weit stärker betroffen –, Verstöße gegen die Menschenwürde sorgsam verfolgen müssen. Da besteht auch Anlass zur Sorge. Denken Sie an das neue Beispiel – übrigens von RTL –, dass bereits mittags um 13 Uhr im privaten RTL, lizenziert in Niedersachsen und in NordrheinWestfalen, vor der Öffentlichkeit Vaterschaftstests ausgestrahlt werden. Frau und Mann begeben sich vor eine Fernsehkamera, zum Teil noch in Begleitung ihrer Kinder. Der Mann hat einen Vaterschaftstest gemacht, der ausgewertet und um 13 Uhr live ausgestrahlt wird.

Das hatte schon ganz katastrophale Folgen. So wurde jetzt als Folge einer solchen Sendung ein Kapitalverbrechen begangen. Man wird immer sagen können, die Sendung sei nicht ursächlich im Verhältnis 1 : 1, sondern einer von vielen Aspekten, die zu der Tat beigetragen haben. Ein Mann, dessen Kind in einer solchen Sendung als nicht eigenes entlarvt worden ist, hat seine Frau umgebracht. Sie haben von dem Fall ja gehört; er ist vor wenigen Tagen durch die Presse gegangen.

Wir als verantwortliche Medienpolitiker müssen gemeinsam Verstößen gegen die Menschenwürde im öffentlichrechtlichen, aber vor allem im privaten Rundfunk, der weit mehr davon betroffen ist, wehren.

(Beifall bei der CDU, Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Da hat der Kollege Theurer wirklich Recht. Aber es gibt über die Verstöße gegen die Menschenwürde – in diesem Fall besonders die Rechte des Kindes – hinaus auch Geschmacklosigkeiten. Diese Geschmacklosigkeiten kommen nach meiner Beobachtung wiederum nicht nur im privaten Rundfunk, obwohl sie dort stärker zum Tragen kommen, sondern leider auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor. Denken Sie an das Beispiel, wo zur besten Sendezeit – um 20:15 Uhr im ZDF –, wenn ganze Familien vor dem Fernsehgerät sitzen, gezeigt wird, wie Herr Gottschalk zur Einlösung einer Wettschuld in ein Bordell geht. Man sieht mehrere Minuten lang Szenen aus einem Bordell – als Einlösung einer Wettschuld. Auch das ist eine Geschmacklosigkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Egal, wer die Sendung veranstaltet, öffentlich-rechtlicher oder privater Rundfunk: Man sollte diese Dinge auch beim Namen nennen.

Der dritte Punkt, Herr Theurer: Ich gehe relativ kurz auf ihn ein, weil es unrealistisch ist, dabei weiterzukommen. Ich bin ja mit Ihnen der Meinung, dass sich idealtypisch zwei reine Finanzierungssysteme gegenüberstehen könnten: privat, finanziert durch Werbeeinnahmen, und öffentlichrechtlich, finanziert durch Gebühren. Ich habe das seit vielen Jahren immer vertreten. Das ist zurzeit im Länderkreis nicht durchsetzbar. Man braucht deshalb da auch nicht den Schweiß der Edlen zu vergießen. Wir kommen an dieser Stelle leider nicht weiter. Also werden wir es im öffentlichrechtlichen Rundfunk weiterhin mit Mischsystemen zu tun haben. Ich habe das zu akzeptieren.

Nun zu den drei Punkten, die Sie, Herr Walter, angesprochen haben, auch in der gebotenen Kürze.

Ich bitte wirklich darum – ich habe es schon in der Diskussion mit Frau Kipfer im Ausschuss vorgebracht –, meine Äußerung aus der Ersten Beratung richtig zu lesen und richtig wiederzugeben. Ich habe nicht den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darauf beschränken wollen – und werde das auch in Zukunft nicht tun –, nur eine Versorgung mit Information, Bildung und Nachrichten sicherzustellen. Ich habe selbstverständlich gesagt: Unterhaltung gehört dazu, Sport gehört dazu. Aber das ist doch nicht die Primärlegitimation für das öffentlich-rechtliche Rundfunkwesen. Gebühren gibt es doch dafür, dass in der Breite, in der Fläche und im Inhalt Programme veranstaltet werden, die sich die Privaten nicht leisten können. Für mich ist wirklich wichtiger, dass mit der dafür vorhandenen Gebühr Informations-, Nachrichten-, Bildungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgestrahlt werden, als dass die Sportsendung zwingend im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stattfindet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das hat für mich nicht die gleiche Wertigkeit, ohne dass ich die Legitimität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hierfür bestreite.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sport ist Grundversor- gung! Eindeutig!)

Zweiter Punkt zu Ihren Anmerkungen: Wir haben keinesfalls gesagt, nur das Besetztzeichen sei ein wichtiges Kriterium bei der Missbrauchskontrolle beim interaktiven Fernsehen. Das war lediglich ein Beispiel. Das zentrale Anliegen ist, dass wir eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die technischen Vorrichtungen zur Veranstaltung von interaktivem Fernsehen wollen. Der Veranstalter soll in Zukunft bei der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für das technische System einholen, das er für interaktives Fernsehen einsetzt. Das Besetztzeichen ist eine Komponente, aber die von Ihnen genannten Komponenten müssen selbstverständlich auch Berücksichtigung finden.

Dritte und letzte Bemerkung: Herr Kollege Walter, bei der Filmförderung haben wir in langen, geduldigen Verhandlungen mit dem SWR erreicht, dass eine gemeinsame Erklärung von Landesregierung und SWR möglich wurde, die insofern auch statthaft war, als wir beide Gesellschafter der Medien- und Filmfördergesellschaft Baden-Württemberg sind. In den Verhandlungen zu dieser Erklärung habe ich dem SWR mehr Fremdvergaben abgerungen. Ich habe lediglich gesagt – auch da bitte ich, mich nicht falsch zu zitieren –, dass ich in einem Jahr, in dem der Personalabbauprozess des SWR noch voll im Gange ist und noch Überkapazitäten von den beiden Anstalten SWF und SDR vorhanden sind, vom SWR nicht mehr verlangen kann, als er mit dem Fortschritt seines Personalabbaus ermöglichen kann.

Deshalb habe ich bei der Filmförderung einerseits eine sehr klare und sehr positive Haltung zur freien Filmproduzentenlandschaft in Baden-Württemberg eingenommen und ande