Protocol of the Session on February 4, 2004

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: So ist es!)

nämlich – das ist auch schon gesagt worden – in Parallelgesellschaften, in Koranschulen und ich weiß nicht wo.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Nur Polarisierung!)

Deswegen ist die Zumutung, die unser Gesetzentwurf für die Schulen bedeutet – dies bestreite ich überhaupt nicht –, auf mittlere und langfristige Sicht, glaube ich, lohnend, weil sie integrativ wirkt und weil sie zum Beispiel die Zunahme des Einflusses des Islamismus eindämmen kann.

Lassen Sie mich auf ein Zweites hinweisen: Sie haben meinen Vorhalt nicht sehr ernst genommen, dass die kopftuchtragende Lehrerin eigentlich das geringere Problem ist gegenüber anderen Problemen an der Schule. In Wirklichkeit haben Sie dafür aber selber – sowohl der Kollege Wacker als auch der Kollege Wintruff – Beispiele gebracht, nämlich mit muslimischen Schülerinnen, für die ja die Gesetzentwürfe – sowohl Ihrer als auch unserer – gar nicht greifen.

(Abg. Wieser CDU: Gott sei Dank!)

Die wirklichen Probleme, die wir haben, sind nicht Lehrerinnen als potenzielle Kopftuchträgerinnen, sondern die real existierenden muslimischen Mädchen, die von Zuhause unter Zwang gesetzt werden, die immer mehr aus Teilen des Unterrichts abgemeldet werden und die nicht mit dem Ziel in die Schule geschickt werden, sich dort zu integrieren, sondern mit dem Ziel, außerhalb unserer Gemeinschaft zu bleiben. Das sind die eigentlichen Probleme, die wir haben, und diese müssen die Schulgemeinschaften ja auch lösen.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Ein Drittes, worauf ich Sie hinweisen möchte – es geht ja jetzt um einige Anfragen –: Sie haben völlig vergessen, dass Sie mit dem Gesetz nur Lehrerinnen erreichen.

(Zuruf des Abg. Wieser CDU)

Ist denn der Fundamentalismus hauptsächlich ein Problem von Mädchen und Frauen? Das wird doch im Ernst niemand behaupten. Wo breiten sich der Fundamentalismus und der Islamismus aus? Unter männlichen Jugendlichen und nicht unter Mädchen. Wenn Sie in die Welt schauen, sehen Sie: Es sind in der Regel zum überwiegenden Anteil Männer, die eine extremistische und fundamentalistische Haltung propagieren und mit Zwang durchsetzen.

(Beifall bei den Grünen)

Diese erreichen Sie doch gar nicht mit einem Kopftuchverbot.

Damit sehen Sie: Das eigentliche Problem, dass wir in die Menschen nicht hineinschauen können, dass wir letztlich auf das angewiesen sind, was sie sagen, wie sie sich äußern, wie sie sich geben, wie sie sich insgesamt verhalten, haben wir nach wie vor. Sie haben das vielleicht äußerlich bei Kopftuchträgerinnen gelöst. Aber wenn sich Fundamentalisten in unsere Schulen einschleichen wollen und sie unterwandern wollen, dann können wir das jedenfalls nicht an ihrem Äußeren erkennen.

(Abg. Wieser CDU: Aber auch!)

Das heißt, wir sind in jedem Fall darauf angewiesen, in der Wahrnehmung der ganzen Persönlichkeit, in Gesprächen und in der sozialen Kontrolle, die eine Schule ausübt, letztlich zur Entscheidung zu kommen, ob eine Person für den Schuldienst geeignet ist oder nicht.

(Beifall bei den Grünen)

Viertens: Eine Lehrerin mit Kopftuch hat in der Regel schon den Referendardienst durchlaufen. Das heißt, wir wissen über diese Person schon vieles, bevor sie wirklich in den Schuldienst eintritt. Dann tritt sie auch erst in das Beamtenverhältnis auf Probe ein, bei dem wir noch einmal die Möglichkeit haben, an ihrem ganzen praktischen Verhalten in der Schule zu sehen, ob sie die Werte unserer Verfassung nicht nur vertritt, sondern auch aktiv für sie eintritt. Das alles können wir in dieser Zeit feststellen.

(Abg. Wieser CDU: Also, dann lass es doch!)

Was ein Mensch letztlich in seinem Innersten denkt, wissen wir nicht. Es geht uns auch gar nichts an. Letztlich kommt es darauf an, dass eine Lehrkraft auf der Grundlage unserer Verfassung und ihrer Werte und ansonsten mit dem pädagogischen Geschick und der Begabung, die wir von jeder Lehrperson erwarten, unterrichtet. Es gibt deswegen so wenig Konflikte mit kopftuchtragenden Lehrerinnen – sofern sie überhaupt im Schuldienst sind –, weil sie in der Regel das alles mitbringen. Wer das nicht mitbringt, wird in der Regel als Muslima schon gar nicht den Schritt schaffen, überhaupt als Lehrerin in den staatlichen Schuldienst zu kommen.

(Abg. Wieser CDU: Nur die Besten!)

Das, was an Konflikten übrig bleibt, die mehr aus dem Empfängerhorizont kommen, wie das wahrgenommen wird, ist nun wirklich sehr klar geregelt. Es ist im Prinzip so geregelt, wie alle Konflikte geregelt werden, und nimmt nur noch einmal besonders auf die Frage religiöser Bekundungen Bezug.

Aber auch bei nicht kopftuchtragenden Fundamentalisten an den Schulen werden wir im Konfliktfall, wenn sich zeigt, dass sie fundamentalistische Haltungen auch noch in der Schule verbreiten oder ihre Schüler damit zu beeinflussen, zu missionieren versuchen, dasselbe Verfahren einsetzen, das wir hier im Prinzip beschreiben.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass das nach dem Kruzifixurteil im bayerischen Schulgesetz ganz ähnlich geregelt ist und sich auch so bewährt hat. Das heißt, die erforderlichen Maßnahmen sind hier beschrieben und müssen auch in anderen Fällen getroffen werden.

Aber der Bestimmtheitsgrundsatz, dass jemand, der sich für den Schuldienst bewirbt, weiß, was auf ihn zukommt, auch als gläubiger Christ oder Muslim, ist erfüllt. Er weiß, wenn er das Gesetz liest – Schulrecht wird ihm im Referendariat beigebracht –, dass er in nicht lösbaren Konfliktfällen von seinen religiösen Bekundungen Abstand nehmen muss. Das ist jedem klar, der sich für den Schuldienst bewirbt. Unser Gesetzentwurf schafft hier, glaube ich, Klarheit. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist meiner Ansicht nach klar erfüllt.

Ich möchte zum Schluss noch einmal sagen: Man kann natürlich immer sehr stark lebensweltlich orientiert argumentieren, wie Sie das gemacht haben, und an dieser Frage einen Turm von Problemen andocken, die ich zunächst einmal gar nicht sehe. Das sind ja zunächst einmal Einzelfälle. Aber zu glauben, dass wir in der kommenden Gesellschaft, in der wir das Verhältnis von Staat und Bürgergesellschaft neu regeln müssen und mehr Selbstständigkeit in allen Lebensbereichen vor Ort, mehr Selbstverantwortung fordern, weiterhin mit einer riesigen Schulbehörde alle Konflikte, die es an einer Schule gibt, von oben her regeln könnten, halte ich für völlig illusionär, nicht zielführend, aber auch nicht für positiv.

(Beifall der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Wir wollen die Schulaufsicht nicht abschaffen – davor steht ja die Verfassung –, sondern wir wollen sie sehr stark auf die Einhaltung von Qualitätsstandards reduzieren. Dazu gehört natürlich ohnehin das Unterrichten auf der Grundlage unserer Verfassung. Das ist völlig klar. Das wollen wir. Darauf müssen wir achten, wie natürlich auch auf die normalen Lernstandards, auf die es ja jetzt in der Diskussion insbesondere ankommt.

Glauben Sie mir: Es ist doch kein Zufall, dass nicht diejenigen Lehrerinnen und Lehrer die wirklich geschätzten Lehrerinnen und Lehrer sind, die sich dauernd als Neutren durch den Unterricht schleichen, sondern es sind die Lehrer und Lehrerinnen geschätzt und respektiert,

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: So ist es! – Zuruf von der CDU: Die etwas können!)

die auch für ihre Meinung stehen und diese auch deutlich machen, die aber immer in der Lage sind, darzulegen, dass das ihre Meinung ist und dass man die in keiner Weise übernehmen muss. Wir können auch einer Muslima mit Kopftuch nicht von vornherein absprechen, dass sie ihren Unterricht so hält.

Deswegen ist das „Fenster“ der individuellen Entscheidung, auf das unser Gesetzentwurf Wert legt, unabdingbar erforderlich.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das können Sie als Gymnasiallehrer sagen, aber nicht für die Grund- schullehrer! – Abg. Wieser CDU: Die soll aber Mathematik unterrichten, nicht nur das Kopftuch!)

Das ist der Kern der Auseinandersetzung neben der Frage der Gleichbehandlung. Das sehen wir bei Ihrem Gesetzentwurf erst einmal nicht gewährleistet. Wir sind jetzt auch auf die Diskussionen mit den Experten und Verfassungsrecht

lern, aber auch auf die gesellschaftliche Diskussion gespannt. Wir werden dann sehen, ob wir uns in diesem Verfahren näher kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Birzele.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Kretschmann, ich will auf einige Ihrer Ausführungen noch einmal kurz eingehen.

Ich halte es nicht für richtig, wenn Sie sagen, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung nur Frauen betreffe und dabei sozusagen nur kopftuchtragende Frauen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das steht gar nicht drin!)

Er betrifft in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht selbstverständlich auch Männer. Ich erinnere daran, dass es eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gibt, nach der einem Mann untersagt wurde, Bhagwan-Kleidung als Ausdruck

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

seiner – ich sage einmal vorsichtig – weltanschaulichen Überzeugung zu tragen. Überdies fordert der Gesetzentwurf der Landesregierung – ich halte das für richtig – auch in politischer Hinsicht die entsprechende Zurückhaltung. Also dieser Gesetzentwurf betrifft nicht nur Frauen.

Zweite Bemerkung: Das Entscheidende ist doch, dass wir uns davor hüten sollten, Kopftuchträgerinnen ein Unwerturteil anzuheften, sie als Fundamentalistinnen und Gegnerinnen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu klassifizieren.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Wenn eine Lehrerin dies ist, dann ist sie schon aus anderen Gründen nicht in den öffentlichen Dienst einzustellen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig! – Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

Da sind wir uns doch alle hier im Hause einig.

Die entscheidende Frage ist: Können wir es, wenn wir einer Lehrerin voll abnehmen, dass sie uneingeschränkt zum Grundgesetz steht, zulassen, dass sie beispielsweise durch Bekleidungsstücke den Eindruck beim Empfängerhorizont erweckt,

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)