Protocol of the Session on January 30, 2004

Die Reform, die jetzt ansteht, ist deswegen so dramatisch, weil sie vom bisherigen System abgeht, weg von der Förderung durch Direktzahlungen, wodurch die Überproduktion unterstützt wurde, hin zu einer kombinierten Flächenprämie. Das ist in unserem Sinn, und das nützt der baden-württembergischen Landwirtschaft. Man darf auch nicht vergessen: Nach den gegenwärtigen Berechnungen kommen dadurch jährlich ca. 20 Millionen € mehr nach Baden-Württemberg. Das ist ein Erfolg, den Frau Künast in Brüssel erzielt hat – in diesem Fall konkret in Luxemburg.

(Beifall des Abg. Drexler SPD)

Verglichen mit dem, was Herr Borchert bei der Agenda 2000 erreicht hat, ist das mehr als ein gutes Ergebnis.

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Ein anderes Ergebnis lautet, Herr Kollege Hauk: Europa nimmt Kurs auf die Agrarwende.

(Abg. Hauk CDU: 1999!)

Baden-Württemberg hat dabei im Verhältnis Bund/Länder eine gute Rolle gespielt. Da können wir Ihnen nur gratulieren. Sie waren auch gut informiert. Ich glaube, Sie wurden selten so gut informiert – auch nicht von Agrarministern, die der CDU angehörten – wie in diesem Fall von Staatssekretär Müller.

Deshalb, Herr Minister, mein erster Appell an Sie: Stellen Sie ab sofort die Parteitagsrhetorik gegen Frau Künast ein. Denn wir können bei dieser Agrarreform die Interessen der Landwirte nur gemeinsam vertreten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Es ist doch eine zu würdigende Leistung, dass es eine gemeinsame Anstrengung gibt – da nehme ich niemanden aus –, sowohl auf europäischer Ebene als auch auf Bundesebene und jetzt, mit gewissen Abstrichen, auf Landesebene, wodurch es uns in sehr schwierigen Zeiten gelungen ist, den größten Teil des Geldes für den ländlichen Raum zu erhalten. Beispielsweise ist es gelungen, auf europäischer Ebene bis zum Jahr 2013 festzuschreiben, dass wir für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum 48 Milliarden € zur Verfügung haben. Das ist ein Riesenerfolg, wenn man sieht, welche Kürzungen in anderen Bereichen vorgenommen werden. Ich erwarte deswegen, Herr Minister, dass Sie Ihren Kurs weiterverfolgen und in den entsprechenden Gremien der kombinierten Flächenprämie zustimmen.

Eine echte Gefahr für die Landwirtschaft sehe ich in der Gentechnik.

(Zuruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

Der Gesetzentwurf, den Frau Künast jetzt vorgelegt hat, Frau Kollegin, holt das Optimale heraus, was ein einzelnes Land herausholen kann.

(Abg. Traub CDU: Weiß man das? Optimal?)

Diese Gesetzgebung findet nun schon weltweit Beachtung. Denn Sie alle wissen, wie schwer die Koexistenz zwischen konventioneller und gentechnisch manipulierter Landwirtschaft zu handhaben sein wird. Denken Sie zum Beispiel nur an die Imker. Wie soll es zukünftig noch Honig in Baden-Württemberg geben, wenn wir eine gentechnisch manipulierte Landwirtschaft haben?

Dass die Bauern kein Interesse an der Gentechnik haben, zeigen die 2 600 Unterschriften, die Frau Anselm, die Vorsitzende der südbadischen Landfrauen, Frau Künast anlässlich der Grünen Woche in Berlin überreicht hat. 2 600 Unterschriften allein aus dem südbadischen Raum: Das müsste Ihnen, Herr Minister, zu denken geben.

Wir haben gefordert – ich hoffe, Sie stimmen dem zu –: Wir wollen ein gentechnikfreies Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Heike Dederer GRÜNE: Das wollen alle Leute!)

Dies wäre wichtig für das Image der Produkte unseres Landes. Wie wollen Sie denn noch für das HQZ werben, wenn die Gefahr besteht, dass sich die entsprechenden Produkte nicht von der anonymen Massenware im Supermarkt unterscheiden, weil sie genauso gentechnisch bedingte Verunreinigungen aufweisen können? Ich kann Ihnen versichern, Herr Minister: Sie bekommen jetzt – –

(Abg. Hauk CDU: Schon allein Ihre Sprache ist verräterisch! – Zuruf der Abg. Dr. Carmina Bren- ner CDU – Gegenruf des Abg. Boris Palmer GRÜ- NE: Er kann alles außer Hochdeutsch!)

Vielleicht haben Sie, Herr Kollege Hauk, es auch gelesen: Sie können sich dabei auf den Beistand von ganz oben verlassen,

(Abg. Traub CDU: Herr Kollege, was ist oben?)

also was die Regierung anbelangt. Ich habe nämlich gelesen: Es gibt jetzt ein neues Papier des Zentralkomitees der deutschen Katholiken; diesem Gremium gehören auch Frau Ministerin Schavan und der Herr Ministerpräsident an.

(Abg. Drexler SPD: Oh! Da sollten wir sie gleich herbeizitieren!)

Ja, das können wir auch noch machen. – In diesem Papier wird ganz klar gesagt, was die Gentechnik für unsere Landwirtschaft bedeutet und dass sie mit der Idee einer nachhaltigen Agrarwirtschaft nicht zu vereinbaren ist. Ich denke, diesen Kurs sollten wir auch in Baden-Württemberg durchsetzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich sage Ihnen voraus, Herr Minister: Sie werden isoliert werden. Viele Regionen wie beispielsweise Kärnten haben sich gegen die Gentechnik entschieden. Dazu werden sich noch sehr viele Regionen in Europa entschließen. Die EUKommission hat Kärnten grünes Licht gegeben.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Walter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, von der Kollegin natürlich gern. Ich hoffe, es dient auch der Wahrheitsfindung.

(Heiterkeit)

Herr Kollege Walter, sehen Sie das Problem auch darin, dass wir eine Gentechnikfreiheit Baden-Württembergs, selbst wenn wir wollten, nicht per Gesetz verordnen können? Wir haben jetzt EU“Gesetze“, die das zulassen, wir haben Bundesgesetze, die das zulassen, und wir müssen diese Gesetze in Landesrecht umsetzen. Das heißt, wir können es nicht verordnen. Sehen Sie es wie ich, dass das dann nur auf freiwilliger Basis mit den Landwirten geschehen kann?

Selbstverständlich. Sie haben das Gesetz richtig verstanden. Ich kann Ihnen nur zustimmen.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Abg. Hauk CDU: Aber so ist es doch!)

Ja natürlich, ich rede auch nur von einer freiwilligen Vereinbarung.

(Abg. Traub CDU: Sie haben doch vorhin das Ge- genteil gesagt!)

Unser Antrag zielt doch auf eine freiwillige Vereinbarung ab. Aber es gehört natürlich auch der Wille der Landesregierung dazu. Daran habe ich appelliert.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deshalb, Herr Stächele, entscheiden Sie sich für die Interessen der Landwirte dieses Landes und nicht für die Interessen der Industrie!

(Abg. Traub CDU: Jetzt hat er es auch begriffen!)

Dies gilt auch für das nächste Thema, die Legehennenverordnung. Baden-Württemberg war ja noch etwas moderater als andere.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Diese Debatte haben wir doch erst kürzlich geführt!)

Ja, Herr Kollege, das kann man nicht oft genug sagen. Auch der FDP/DVP schadet es nicht.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Was hat das mit dem Haushalt zu tun?)

Das hat alles mit dem Haushalt zu tun.

(Heiterkeit)

Herr Kollege, im Haushaltsbericht des MLR – den lesen Sie wahrscheinlich gar nicht – wird zum Beispiel darauf hingewiesen – deswegen habe ich es hier erwähnt –, dass BadenWürttemberg ganz schön stolz ist, dass von den Legehennenhaltungen mit über 3 000 Hühnern schon 18 % alternative Haltungssysteme haben. Das ist ein Erfolg. Aber da müssen wir weitermachen. Deswegen auch hier weg mit der Rhetorik! Die Umstellungshilfen, die es von Frau Künast gibt, muss man nach Baden-Württemberg holen. Damit dienen wir den Landwirten und nicht mit irgendwelcher Rhetorik.

(Beifall bei den Grünen)

Bayern war da viel pragmatischer. In Bayern hat man sich halt ausgerechnet, wie viel Tierschützer und wie viel Hühnerbarone es gibt, und dann hat man sich auf die Seite der Tierschützer gestellt,

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und Ab- geordneten der SPD – Abg. Drexler SPD: Hat der Minister hier schon gezählt?)