Protocol of the Session on January 28, 2004

Wir gehen davon aus, dass der Landesrechnungshof dieses Programm Mitte dieses Jahres einmal unter die Lupe nimmt. Danach werden wir in unserer Fraktion weitere Entscheidungen zu treffen haben. Denn das, was da gelaufen ist, ist ein Skandal von oben bis unten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Drittens: Werbekampagne, Landwirtschaftsverwaltung, diese KT-Kommission, die man einmal eingerichtet hat, um gegen Rot-Grün in Berlin eine eigene kerntechnische Kommission zu haben: Das alles ist unnütz und kostet uns Geld.

Von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Oettinger, kann man bei diesem Haushalt doch auch nicht reden. Sie arbeiten doch nur noch mit globalen Minderausgaben. Schon jetzt sind globale Minderausgaben in Höhe von 400 Millionen € festgesetzt. Das, was wir beschließen, ist alles schon gar nicht mehr aktuell, weil jedes Ministerium – im Sozialbereich usw. – bereits wieder globale Minderausgaben festgelegt hat. Das wird alles Mitte des Jahres exekutiert, ohne uns zu fragen.

Wenn Sie Mumm hätten und dem Parlament die Chance auf Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit geben wollten, müssten wir hier heute anders diskutieren. Wir müssten die Haushalte festsetzen und die globalen Minderausgaben erst im Laufe des Jahres festlegen, wenn sich etwas verändert. Sie machen das inzwischen schon strukturell. Sie akzeptieren, dass die Regierung eine globale Minderausgabe in Höhe von 400 Millionen € festlegt, Mittel, die dann querbeet gekürzt werden. Das hat mit Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir noch einmal den Versuch machen, Sie mit vielen Anträgen auf den Weg zu bringen, wenigstens zu einer gewissen Struktur in diesem Haushalt zu kommen, indem wir sagen: Wir wollen keinerlei Kürzungen im Forschungsbereich, wir wollen keine Kürzungen im Bereich der Fachhochschulen. Wir wollen eine Offensive zur Förderung des Wohnungsbaus. Sie haben vorhin gesagt: „Bei uns wandern noch Leute zu.“ Und wo ist das Wohnungsbauprogramm des Landes? Es ist massiv eingeschränkt worden. Wir sind beim Wohnungsbau überhaupt nicht mehr vertreten. Schauen Sie sich einmal die Summen an, die wir im Vergleich zu Bayern und Nordrhein-Westfalen dafür aufbringen.

(Zuruf des Abg. Oettinger CDU)

Wir wollen keine Kürzungen bei den sozialen Einrichtungen. Es handelt sich um minimale Beträge, die wir beantragen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das könnten Sie mit den Mitteln, die Sie für Ihre Werbekampagne „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ einsetzen, alles locker finanzieren.

Ich nenne Ihnen noch einmal die Summen, damit deutlich wird,

(Zuruf der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

worum es bei diesem sozialen Kahlschlag geht: Allein bei den mobilen sozialen Diensten, Nachbarschaftshilfen und Pflegediensten kürzen Sie von 400 000 auf 200 000 € – mit der Aussicht, dass die Förderung irgendwann ganz ausläuft. Was haben Sie dagegen in der Koalitionsvereinbarung geschrieben?

Wir wollen, dass ältere Menschen so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung selbstständig leben können....

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Wir werden sicherstellen, dass Pflegebedürftige gut versorgt und betreut werden. Den ambulanten Diensten kommt weiterhin besonderes Gewicht zu.

Diesem besonderen Gewicht tragen Sie dadurch Rechnung, dass Sie die Förderung auf 200 000 € kürzen und diese Förderung ganz auslaufen wird.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ehrenamtliche Strukturen!)

Sie zerstören ehrenamtliche Strukturen. Alle Wohlfahrtsverbände haben uns gesagt: Die Streichungsaktionen im letzten und in diesem Jahr werden insgesamt 800 hauptamtliche Stellen kosten. Ganze ehrenamtliche Strukturen brechen zusammen, wenn im kirchlichen Bereich keine hauptamtlichen Kräfte mehr vorhanden sind.

Zu den Familien steht im Regierungsprogramm: „die familienpolitischen Leistungen wie das Mutter-Kind-Programm und den Landesfamilienpass fortzuführen“. Jetzt streichen Sie in diesem Bereich massiv – beim Mutter-Kind-Programm seit 2001 rund 1 Million €.

Diese Liste der gebrochenen Versprechungen kann ich fortführen.

Zur Arbeitsmarktpolitik – Herr Oettinger, ich habe mir das aufgeschrieben – haben Sie einen schönen Satz gesagt: „Jeder soll hier aus sozialen und Gerechtigkeitsgründen die Chance haben, einen Arbeitsplatz zu erhalten.“ Im Mittelpunkt stehe die Beschäftigung.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Sonntagsrede!)

2001 hatten wir 17,8 Millionen € für die Landesarbeitsmarktpolitik zur Verfügung. Da hatten wir weniger Langzeitarbeitslose, weniger arbeitslose Jugendliche als heute. Dann haben Sie die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik gekürzt. Im letzten Jahr waren es gerade einmal 2,5 Millionen €, und jetzt sind es noch 800 000 €. Sie haben das Programm um 95,5 % gekürzt – bei einer steigenden Zahl von Langzeitarbeitslosen und jugendlichen Arbeitslosen. So sieht Ihre soziale Gerechtigkeit im Land Baden-Württemberg aus.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Zuruf des Abg. Oettinger CDU)

Dann kürzen Sie bei den Suchtkranken. Ergebnis: Abbau von Personal, 30 bis 50 Personalstellen weniger, immer weniger Angebote für die Suchtkranken in Baden-Württemberg.

400 000 € streichen Sie bei der Gefährdetenhilfe. Betroffen sind allein 15 Bahnhofsmissionen. Ich habe es schon gesagt: Die Kirchen sagen, sie würden das nicht auffangen können.

Das sind minimale Beträge. Das sind insgesamt 2 bis 3 Millionen €. Ich sage Ihnen noch einmal: Das kann man aus diesem Haushalt herausholen, und zwar aus lauter unsinnigem Zeug, das Sie nur aus ideologischen Gründen aufrechterhalten.

(Beifall bei der SPD)

Der Herr Ministerpräsident hat in seiner Neujahrsansprache Folgendes gesagt:

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje!)

In vielen Familien geht es am Ende des Monats null auf null auf, und sie können Einschränkungen nur schwer oder gar nicht verkraften. Ich sehe das, ich fühle mit ihnen, und ich habe das Wohl gerade dieser Menschen im Auge bei den Entscheidungen, die ich selbst mit zu treffen habe.

Diese Sätze des Ministerpräsidenten finden sich in dem Landeshaushalt von Baden-Württemberg nicht wieder. Das war eine Sonntagsrede. Sie haben das bei allen Haushaltsberatungen in den Ausschüssen exekutiert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Dann noch etwas zum Sport. Als das Präsidiumsmitglied des Landessportverbands im Ausschuss für Schule, Jugend und Sport angehört wurde, hat es doch erzählt, wie es im Sport zugeht: 3,8 Millionen Organisierte, 11 000 Sportvereine. Sie sehen nicht mehr, wie sie die Kürzungen auffangen können. Der Sport hat sogar gesagt: „7,8 Millionen € nehmen wir auf uns, weil wir einen Beitrag leisten wollen.“ Dann haben Sie noch einmal 4,4 Millionen € gestrichen. Aufgrund dieser Anhörung haben Sie die Streichung um 2,2 Millionen € zurückgenommen. Hier stehen aber immer noch 2,2 Millionen € zur Disposition. Im Übrigen trifft das nach wie vor die Übungsleiterpauschale. Nach der Auskunft, die uns der Landessportverband gegeben hat, ist die nach wie vor nicht gesichert. Deshalb können Sie sich alle Sonntagsreden zum Sport wirklich sparen, wenn Sie beim Sporthaushalt unserem Antrag, diese 2,2 Millionen € dem Sport zusätzlich zu geben, nicht zustimmen. Der Sport hat inzwischen einschneidende Leistungen erbracht. Helfen Sie den ehrenamtlichen Übungsleitern, indem Sie unserem Antrag zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Dann noch ganz kurz etwas zur Forschung. Sie kürzen bei den Forschungsgeldern um 20 Millionen €. Das ist eine Riesensumme, wenn Sie berücksichtigen, wie viel Drittmittelanforderungen das bedeutet. Dadurch fehlen im Forschungsetat ungefähr 50 Millionen €. Forschung hat etwas mit zukünftigen Arbeitsplätzen zu tun. Ich bezweifle überhaupt nicht, dass wir relativ gut dastehen, Herr Ministerpräsident.

(Lachen des Ministerpräsidenten Teufel)

Da brauchen Sie nicht zu lachen. Alle wehren sich gegen diese Kürzung. Ich lese Ihnen einmal vor, was Sie allein mit den Fachhochschulen machen, bei denen Sie noch einmal Reduzierungen in Höhe von 17 Millionen € vornehmen. Die Fachhochschulen sind gerade der Bereich, den wir für das A und O unserer Hochschullandschaft halten. Diese haben in den letzten Jahren ein Drittel mehr Studentinnen und Studenten aufgenommen und haben in der Zwischenzeit dramatische Kürzungen über sich ergehen lassen müssen. Wenn Sie in diesem Bereich streichen – um 30 % haben die Studierendenzahlen zugenommen, jetzt wird noch einmal um 50 % gekürzt –, müssen in den nächsten fünf Jahren noch einmal 50 Stellen für Mitarbeiter eingespart werden.

Die Rektorenkonferenz der Fachhochschulen hat Folgendes formuliert:

Die baden-württembergische Wirtschaft wird von der Innovation mittelständischer Unternehmen getragen, die insbesondere auf die Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen angewiesen sind. Wenn die vorgesehenen Einsparungen Erfolg und Bestand der Fachhochschulen im dargestellten Ausmaß gefährden, hat

dies für die Qualität des Standorts Baden-Württemberg und die Innovationskraft des Landes dramatische Auswirkungen, die wir als Rektoren der baden-württembergischen Fachhochschulen nicht verantworten können.

Diese Aussage der Rektorenkonferenz macht deutlich, dass die Streichungen, die Sie vornehmen, nicht nur eine dramatische Reduzierung der Arbeitsmöglichkeiten der Fachhochschulen zur Folge haben, sondern auch Auswirkungen auf unsere mittelständische Wirtschaft. Nehmen Sie das zur Kenntnis, und stimmen Sie unseren Anträgen zum Forschungsetat zu. Ansonsten sehen wir das ebenso wie die Rektoren, dass durch die Kürzung die Innovationskraft unserer mittelständischen Industrie dramatisch geschwächt wird, weil die Fachhochschulen dann nicht mehr in der Lage sind, das, was sie erforschen und erfinden, nachher in der mittelständischen Industrie umzusetzen.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Baden-Württemberg ist eines der wenigen Bundesländer, das einen Haushalt für das Jahr 2004 vorlegt, der vom Volumen her nicht höher ist als der Haushalt des vergangenen Jahres. Baden-Württemberg ist eines der wenigen Bundesländer – vom Bund ganz abgesehen –, das noch einen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen kann. Dies war möglich, weil mit einer Einsparaktion im Volumen von 1,2 Milliarden € die Grundlagen dafür gelegt worden sind. Ich finde, dies ist eine erhebliche Leistung, die auch die Opposition nicht gering schätzen sollte.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich weise besonders darauf hin, dass dieser Haushalt keinen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr aufweist; denn die bereinigten Gesamtausgaben liegen unter den Ansätzen des Jahres 2003. Damit bleiben wir auch deutlich unter den Vorgaben des Finanzplanungsrats. Das bedeutet: Baden-Württemberg hat seinen Beitrag dazu erbracht, den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt einzuhalten.

Falls eines Tages doch noch eine Rechnung aus Brüssel kommen sollte, will ich vorsichtshalber gleich einmal darauf hinweisen, dass es nicht an uns liegt, wenn die Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr nicht in der Lage sein wird, die 3-%-Grenze einzuhalten. Das liegt nicht an Baden-Württemberg. Wir haben unsere Hausaufgaben erledigt. Wenn eine Rechnung kommt, sollen bitte diejenigen zahlen, die den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt kaputtgemacht haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Trotzdem habe ich kein Problem, zu bekennen, dass auch ich mit diesem Haushalt nicht unendlich zufrieden bin. Zufrieden bin ich erst dann, wenn es uns gelingt, die struktu

rellen Defizite des Haushalts – Größenordnung 2 bis 3 Milliarden € – anzugehen, das heißt, wenn es gelingt, eine Neuverschuldung von null nicht nur zu avisieren, sondern sie tatsächlich auch zu erreichen. Erst dann bin ich endgültig mit dem Haushalt zufrieden.