Protocol of the Session on December 18, 2003

dann will ich Ihnen eines sagen: Ich habe im Innenausschuss bei manchen Vorschlägen der FDP/DVP oder der Grünen gesagt – das können die Kollegen bezeugen –: Das ist eine vernünftige Regelung und wäre mit mir zu machen. Ich kann Ihnen auch die Themenfelder nennen. Was war die Folge? Die CDU-Fraktion hat gesagt: „Mit uns aber nicht“, und damit war das Thema leider erledigt. Das ist doch das Problem.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist das halt im Leben!)

Herr Pfister hat gerade aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. – Dass Sie in der CDU heute schönere Zeiten haben, ist schlicht darauf zurückzuführen, dass Sie mit Ihrem jetzigen Koalitionspartner leichter umgehen können, als es mit uns damals der Fall war.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Nehmen Sie doch gerade einmal die Verwaltungsreform.

(Abg. Drexler SPD: Das war der letzte Hammer!)

Dazu will ich zunächst einmal ein paar formale Anmerkungen machen. Wenn, wie im November geschehen, während einer Plenarsitzung Koalitionsverhandlungen geführt werden, um die größte Justizreform aller Zeiten zu verabschieden,

(Lachen bei der SPD und den Grünen)

dann ist dies eine deutliche Missachtung des Parlaments. Es hatte zur Folge, dass sich die Journalisten von der Pressetribüne da oben vor den Sitzungsraum begeben hatten und die Debatten hier im Landtag unter Ausschluss der medialen Öffentlichkeit stattgefunden haben.

Zweite Bemerkung, weil Sie sagen, wir hätten das Thema nicht aufgegriffen: Wir waren die Ersten, die zu Beginn des Jahres überhaupt das Thema Verwaltungsreform hier auf den Tisch gebracht haben.

(Abg. Fischer SPD: So ist es!)

Unisono von rechts bis zur Mitte im Parlament:

(Abg. Drexler SPD: Ablehnung!)

Unsere Verwaltung ist hervorragend, wir brauchen überhaupt keine Änderungen.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Dritte Bemerkung: Nehmen Sie doch einmal all die Anträge, die wir und die die Grünen zur Verwaltungsreform gestellt haben. Kürzlich wollten wir zum Thema Gewerbeaufsicht im zuständigen Ausschuss eine öffentliche Anhörung. Antwort Ihrerseits: „Das können wir noch nicht machen; wir wissen noch nicht genau, was als Ergebnis herauskommt.“

Das ist doch das Entscheidende. Wenn ein solches Gesetzesprojekt wie die Verwaltungsreform in zwei bis drei Stunden in den Regierungsfraktionen festgeklopft wird, wenn der Ministerpräsident erklärt, es dürfe kein Stein he

rausgebrochen werden, ohne dass das ganze Gebäude fällt – wobei man sich fragen muss, wie solide fundiert ein solches Gebäude ist –, wenn so vorgegangen wird, dann ist doch von vornherein ein offener parlamentarischer Gestaltungsprozess ausgeschlossen,

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU – Abg. Drexler SPD: NSI! Wo ist da die parlamentarische Kontrolle?)

weil dann leider alle Einzelfragen zu Machtfragen werden.

Und nach dem Ergebnis, das der Ministerpräsident bei Ihrem letzten Parteitag der CDU als Landesvorsitzender bekommen hat, wird doch das Problem noch verschärft. Jede Kritik ist gleichzeitig eine Aufforderung, endlich abzutreten. So kann die Verwaltungsreform nicht sinnvoll im Parlament beraten und entschieden werden. Richtigerweise müsste hier ein offener Diskussionsprozess über die einzelnen Bereiche durchgeführt werden können, und zwar unter Einbeziehung des Sachverstands aller Beteiligten. Leider ist das durch diese Art und Weise des Vorgehens ausgeschlossen.

Lassen Sie mich noch zu ein paar Parlamentsfragen kommen. Natürlich weiß ich, dass es auch in der großen Koalition nicht gelungen ist, Parlamentsfragen außerhalb des Koalitionszwangs zu stellen. Aber genau das wäre notwendig.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Na also!)

Wir haben hier im Parlament Mehrheiten von 60, 70 % – das geht bis in die CDU-Fraktion hinein – für Umgestaltungen, um das Parlament attraktiver zu machen, öffentliche Ausschusssitzungen durchzuführen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das haben wir kürzlich gemacht, und da war keiner da!)

Aber wenn die Mehrheit einer Koalitionsfraktion anderer Auffassung ist, dann bestimmt damit eine Minderheit über die Mehrheit des Parlaments. Das ist die entscheidende Frage, und da muss mehr Offenheit her, Offenheit, auch über parlamentarische Gestaltungsfragen zu reden, zum Beispiel über die Frage öffentlicher Ausschusssitzungen, über die Frage, ob ein eigenständiger Europaausschuss gebildet werden sollte, oder über die Frage, wie wir Aktuelle Debatten etc. attraktiver gestalten können. Wobei ich auch darauf aufmerksam machen will: Der Eindruck ist falsch, mit dem Instrument Aktueller Debatten würde immer krampfhaft ein Thema gesucht. Denn wir können ja Initiativen vorziehen. Dass die Initiativen zum Zeitpunkt der Beratung im Plenum immer so alt sind, hängt damit zusammen, dass wir zu wenig öffentliche Sitzungen haben.

(Abg. Fischer SPD: So ist es!)

Also, lassen Sie uns doch einmal über Parlamentsfragen mehrheitlich und offen diskutieren und entscheiden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann.

(Abg. Teßmer SPD: Du gehst einen schweren Gang!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich greife gleich das Votum von Ihnen, Herr Birzele, auf: Lassen Sie uns über Parlamentsfragen, und damit auch über entsprechende Änderungen und Reformen des Parlaments, gemeinsam miteinander diskutieren. Warum nicht? Wir Liberale sind dazu jederzeit bereit und die CDU sicherlich auch. Denn es geht um das Parlament und damit um den Souverän, um diejenigen, die vom Volk gewählt sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier jemanden gibt, der hier Einwendungen haben könnte. Punkt 1.

Punkt 2: Es ist nicht richtig, dass vom Parlament aus gar nichts laufen würde, was die Gesetzgebung betrifft. Die Novellierung des Privatschulgesetzes steht an, wie Sie wissen.

(Abg. Fleischer CDU: Ja!)

Ich habe zusammen mit meinem Kollegen Wacker dem Ausschuss für Schule, Jugend und Sport angeboten, demnächst einmal über den derzeitigen Stand der Verhandlungen zu referieren. „Verhandlungen“ heißt: Es waren Verhandlungen einer interfraktionellen Arbeitsgruppe mit den Trägern der Freien Schulen und je einem Vertreter des Kultusministeriums und des Finanzministeriums. Es ist einmalig – zumindest seit ich im Parlament bin, seit 1996 –, dass aus dem Parlament heraus eine solche Initiative ergriffen worden ist, und wir hatten, meine Damen und Herren, lange Debatten nur darüber, ob das überhaupt geht oder ob man dem Ministerium die Federführung überlassen sollte.

Wir haben sie in diesem Fall bei uns behalten; wir sind zu einem Ergebnis gekommen, und, wie gesagt, der Schulausschuss wird rechtzeitig davon unterrichtet. Es ist also nicht richtig, dass von unten nach oben nichts laufen würde, dass alles von oben nach unten käme und wir hier nur absegnen würden.

(Abg. Schmid SPD hebt eine Hand.)

Herr Kollege, wollten Sie eine Zwischenfrage stellen?

(Zuruf des Abg. Schmid SPD – Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Nein, von Ihnen will jetzt keiner et- was wissen!)

Punkt 3: Die Verwaltungsreform wurde von Ihnen, Herr Birzele, angesprochen. Ich möchte doch einmal darauf aufmerksam machen, dass die FDP/DVP-Fraktion bereits vor einem Jahr einen Landeshauptausschuss zu diesem Thema abgehalten und dort entsprechende Beschlüsse gefasst hat, dies in die Bahnen zu bringen. Die Verwaltungsreform ist keine Erfindung der SPD, sondern war von uns vorgedacht. Aber wenn wir uns querbeet einig sind, dass wir so etwas brauchen, sollten wir das jetzt nicht zerreden, sondern positiv aufgreifen, damit die Verwaltungsreform insgesamt kommt. Ich halte sie auch für gut.

Letztens: Verhalten des Parlaments. Herr Kollege Kretschmann, Sie haben Recht.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Kleinmann, jetzt ist die Zwischenfrage gekommen. Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Kipfer?

Herr Kollege Kleinmann, ist Ihnen, der Sie sich ja ständig als Urheber der Verwaltungsreform bezeichnen, eigentlich bewusst, dass Sie durch den Verlust der Einflussnahme des Landtags auf den Verwaltungsvollzug des Landes das Parlament total schwächen und dass das genau das Gegenteil dessen ist, was Sie vorhin gesagt haben, dass es nämlich gestärkt werden sollte?

(Abg. Herrmann CDU: Was? – Abg. Schneider CDU: Keine Ahnung!)

Das ist mir überhaupt nicht bewusst, Frau Kipfer. Vielen Dank für die Zwischenfrage; damit kann ich gleich darauf eingehen. Ich weiß nur eines – ich habe es vorhin schon zum Subsidiaritätsprinzip ausgeführt –: Was von unten erledigt werden kann, muss nicht oben gemacht werden. Damit wird keiner Ebene irgendeine Kompetenz weggenommen, sondern jede Ebene ist für ihre Bereiche zuständig. Da bin ich auch als Abgeordneter ganz entschieden dafür. Ich rede keinem Bürgermeister und keinem Gemeinderat hinein. Das ist deren Ebene, und meine Ebene ist eine andere. Wenn wir die Ebenen nicht auseinander halten, leisten wir unserer Demokratie mit Sicherheit überhaupt keinen Dienst.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Ich komme auf Herrn Kollegen Kretschmann zurück. Verehrter Herr Kollege Kretschmann, Sie haben Recht mit Ihren Aussagen zu unserem Verhalten. Es ist immer schwierig, wenn man Besuchergruppen hier hat und anschließend Gespräche mit ihnen führt, ihnen zu verdeutlichen, warum die einen von uns Zeitung lesen und die anderen gar nicht anwesend sind. Ich erlaube mir dann allerdings, den Besuchern gegenüber zu sagen: „Sie sehen ja, wir sind jetzt bei Ihnen anwesend. Wir können also nicht im Parlament sitzen und gleichzeitig Gespräche mit Ihnen führen. Das geht nun einmal nicht.“ Das kapieren sie dann auch.

Wenn wir unser Verhalten da ändern sollten, sollten wir auch versuchen, uns, was die Parlamentsdebatten angeht, auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich muss noch einmal sagen: Wir sollten nicht Aktuelle Debatten führen oder irgendwelche Initiativen ergreifen zu Themen, die im Grunde genommen hier kaum jemanden groß interessieren, sondern wir sollten uns wirklich auf das Wesentliche konzentrieren, was unser Parlament und die Menschen vor Ort bewegt. Ich glaube, dass wir dann tatsächlich zu einer entsprechenden Parlamentsreform kommen und dass wir auf diese Art und Weise wieder mehr Attraktivität in die Debatten und Auseinandersetzungen vor Ort hineinbringen. Dann ist es auch für die Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne interessanter zuzuhören.

Ich bedanke mich.