Ich will das nicht kommentieren, aber ich möchte Ihnen eines sagen: Wenn junge Menschen in der Gewerkschaft ausgebildet werden – das habe ich in meiner Zeit beim DGB erlebt –
und danach die Gewerkschaft verlassen, dann – das wissen Sie so gut wie ich – haben sie es sehr oft schwer, in einen normalen Betrieb überzuwechseln.
Eine Gewerkschaft ist ein Tendenzbetrieb; das ist so, da gilt auch das Gesetz. Und für eine Bürokauffrau, die bei der IG Metall gelernt hat, ist es schwer, hinterher zum Arbeitgeberverband zu wechseln. Ich glaube, darüber sind wir uns einig.
(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Drexler SPD – Gegenruf des Abg. Hauk CDU – Abg. Drexler SPD: Das ist so wie bei der CDU, die nimmt nachher auch niemand!)
Wir sind uns sicher auch darin einig, dass das Problem der Ausbildung mit solchen Anmerkungen nicht gelöst wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich natürlich auch mit dem Herrn Wirtschaftsminister, den ich heute wirklich begrüße – dass er beim Thema Ausbildung da ist, ist eine große Freude für mich –,
(Abg. Dr. Birk CDU: Hier werden gleich Küsschen ausgetauscht! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)
dass es uns gelungen ist, rein rechnerisch ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. So ehrlich sollten wir hier doch sein:
Erstens sind wir natürlich meilenweit von einem vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen auswahlfähigen Angebot entfernt. Das Bundesverfassungsgericht sagt: 112 Plätze für 100 Auszubildende. Wir haben jetzt ungefähr 98 oder 100.
Also auswahlfähig ist das Angebot überhaupt nicht. Das ist das eine. Wir haben in diesem Jahr wieder über 20 000 Jugendliche in der Warteschleife, die eigentlich eine Ausbildung nachfragen und die man jetzt in das Berufsvorbereitungsjahr oder in Maßnahmen der Arbeitsämter schicken muss.
Und dabei haben wir in den letzten Jahren einen enormen Anstieg zu verzeichnen. Eines ist uns doch hier auch klar: Die stehen doch im nächsten Jahr wieder als Ausbildungsnachfragende auf der Matte. Das heißt, das Problem „Sicherstellung der Ausbildungsplätze“ ist in diesem Jahr gar nicht gelöst. Das ist eine Aufgabe, die uns begleiten wird. Und das ist natürlich der Hintergrund der Gesetzesinitiative der Bundesregierung. Niemand darf doch in den Bemühungen um die Ausbildungsplätze nachlassen.
Ich baue darauf – und da bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung –, dass die Betriebe mit Unterstützung der Tarifvertragsparteien – siehe chemische Industrie – mit Branchenregelungen – wie beim Bau und bei der Landschaftsgestaltung – mit IHKs und Handwerkskammern diese Ausbildungsplätze in den nächsten Jahren zur Verfügung stellen werden. Aber sie müssen jetzt klar machen, dass sie das tun werden. Dann will niemand ein Gesetz und will niemand eine Umlage.
Wir entlasten auf Bundesebene die Betriebe, indem wir versuchen, sie von ausbildungsbezogenen Kammergebühren zu befreien.
Ich höre den ganzen Morgen nur, was Sie bundespolitisch ablehnen. Ich höre aber nicht, was Sie landespolitisch ändern wollen,
um die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe und das Schulabschlussniveau zu verbessern. Herr Ministerpräsident Teufel, dessen Auffassung ich, wie Sie wissen, höchst selten teile, hat eine Aussage gemacht, mit der er Recht hat. Er hat zur Ausbildung gesagt: Wir müssen die schulischen Voraussetzungen der Auszubildenden verbessern. Da frage ich Sie von der Regierungskoalition nur: Warum machen Sie das nicht?
(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Was passiert denn? – Abg. Dr. Birk CDU: Machen wir doch!)
Spricht denn der Ministerpräsident mit seiner Kultusministerin eigentlich nur über die Zeitung, oder nimmt er sie einmal ins Gebet und fragt: „Was passiert mit unseren 20 000 schwächeren Jugendlichen? Wieso nehmen Sie es hin, dass jedes Jahr so viele schwächere Jugendliche aus der Schule kommen?“
Warum kürzen Sie in all den Bereichen, die die Ausbildung stützen? Schulsozialarbeit, Jugendberufshelfer, sozialpädagogische Betreuung von Jugendlichen in Ausbildung in Internaten – alles, was die Ausbildung sichert und unterstützt, kürzen Sie weg.
In der ersten Runde noch ein Letztes. Das ist ein Problem, das Sie lösen müssen und nicht wir: 60 % der Betriebe, die ausbilden, fordern eine Umlage, weil sie sagen: „Wir bilden aus, und Betriebe, die nicht ausbilden, können sich dann auf unsere Kosten mit qualifizierten Arbeitskräften versorgen.“
Noch ein Allerletztes: Vaterlandslose Gesellen sind unsere Betriebe, die nicht ausbilden, nicht. Sie kaufen sich nicht frei. Das halte ich für eine Unterstellung.
(Anhaltender Beifall bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Thema erledigt, nächster Tagesordnungs- punkt! – Gegenruf des Abg. Hofer FDP/DVP: Das würde euch so passen! Nichts sagen und dann „er- ledigt“! – Abg. Kleinmann FDP/DVP: So wenig ernst nehmen die die Ausbildungsplätze!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der heutigen Debatte geht es um ein wichtiges Anliegen für uns Grüne. Es geht nämlich um die Chancen- und Zugangsgerechtigkeit für Jugendliche. Wir verfolgen mit allem Nachdruck das Ziel, dass die Jugendlichen zu einer Ausbildung befähigt werden und dass sie die Möglichkeit bekommen, eine Ausbildung zu absolvieren. Wenn ihnen das nicht ermöglicht wird, ist das nicht hin
nehmbar. Ohne Ausbildung sind die Chancen in der Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft sehr gering.
Das Thema, Herr Kollege Hofer, ist deshalb viel zu ernst, als dass wir hier Stellvertreterdebatten führen,
als dass wir hier immer gleiche Floskeln von „mehr Wachstum“ und „mehr Lehrstellen“ hören, die ja so auch gar nicht stimmen.
Vielmehr sollten wir schauen, wo die Probleme in der beruflichen Bildung tatsächlich liegen, anstatt uns an dieser Abgabe abzuarbeiten.
Sie wollen in dieser Aktuellen Debatte von der Opposition wissen, wie wir dazu stehen. Das sage ich Ihnen: Die grüne Landtagsfraktion hält die vorliegenden Vorschläge für eine Ausbildungsplatzumlage für nicht geeignet. Das gilt insbesondere für das SPD-Modell.
(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP und Rech CDU – Abg. Dr. Birk CDU: Die SPD kann von den Grünen lernen, wie so oft!)
Aber es passt leider auch nicht mit unserem Ziel einer nachhaltigen Politik für den Mittelstand zusammen.