Protocol of the Session on October 29, 2003

Meine Damen und Herren, neue Arbeitsplätze können nicht vom Staat verordnet werden. Sie müssen von der Wirtschaft aus eigener Initiative geschaffen werden.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Dafür aber muss der Staat die richtigen Rahmenbedingungen setzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb halten wir die Grundlagenforschung in BadenWürttemberg auf internationalem Spitzenniveau. Deshalb sorgen wir für eine erstklassige Förderung des Technologietransfers aus der Wissenschaft in die Wirtschaft. Vor allem in den technologischen Feldern, in denen mittel- und langfristig die größten Beschäftigungs- und Wachstumschancen liegen, brauchen wir kurze Wege von der Forschung zum marktfähigen Produkt.

Unsere Strategie ist klar: die Stärken stärken. Dort, wo im Land bereits starke „Technologiekerne“ vorhanden sind, wird weiter ausgebaut.

Was die Chemie für die industrielle Entwicklung des 20. Jahrhunderts war, wird die Biotechnologie im 21. Jahrhundert für Industrie und Dienstleistungen sein. In naher Zukunft wird kein Medikament mehr auf den Markt kommen, an dessen Entwicklung die Biotechnologie nicht beteiligt gewesen ist.

Die optischen Technologien sind eine weitere Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Ihre Anwendungen reichen von präzisester Materialbearbeitung, berührungslosen Messverfahren, Kommunikationsbeschleunigung bis hin zu vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten in der Medizin. Auf dem Weltmarkt von morgen wird dafür rege Nachfrage herrschen, und deshalb müssen die Unternehmen im Land mit am Ball sein.

Auch in der IT-Branche ist allen Schwierigkeiten der Gegenwart zum Trotz das Wachstums- und Beschäftigungspotenzial bei weitem nicht ausgeschöpft; bei der Unternehmenssoftware liegt das Land seit Jahren im Spitzenfeld.

Die Landesregierung setzt weitere Forschungsschwerpunkte im Bereich der Antriebstechnik von Automobilen, in der Produktionstechnik, im Bereich der starken Medizintechnik, in der Nanotechnologie und bei neuen Materialien.

Die Landesregierung setzt mit ihrer Wirtschafts-, Forschungs- und Technologiepolitik gezielt auf diese zukunftsträchtigen Bereiche. Wir sind die europäische Nummer 1 in Sachen Hightech-Arbeitsplätze. Das wollen und werden wir auch bleiben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bessere Chancen als anderswo: Dieses Ziel setzen wir uns in Baden-Württemberg auch für Familien mit Kindern. Baden-Württemberg nutzt seine Möglichkeiten. Mit unseren Kindergärten gewährleisten freie Träger, Gemeinden und Land Vollversorgung in der Betreuung von Drei- bis Sechsjährigen.

(Ministerpräsident Teufel)

Die Städte und Gemeinden bauen die Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder mit Unterstützung des Landes bedarfsgerecht aus. Im Rahmen des Konzepts „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“, das gerade angelaufen ist, werden wir dieses Jahr erstmalig 7 Millionen € zur Förderung von Betreuungsangeboten in Kinderkrippen sowie für den Auf- und Ausbau von Tagespflegestellen zur Verfügung stellen. Ausgehend von den bis zum Stichtag eingegangenen Anträgen wird sich die Zahl der Krippenplätze in Baden-Württemberg von heute 2 500 auf etwa 3 370 erhöhen – schon im ersten Jahr ein Plus von 35 %.

(Beifall des Abg. Wieser CDU)

Das Konzept „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“ zeigt bereits Wirkung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, Rot-Grün fordert ständig einen höheren Anteil der Frauenbeschäftigung. Das ist eine berechtigte Forderung für Länder, in denen die SPD regiert. Bayern und Baden-Württemberg haben nämlich die höchste Frauenerwerbsquote bundesweit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Mit Kindern oder ohne Kinder?)

Deswegen muss man Forderungen immer an der richtigen Stelle anbringen. Meine Damen und Herren, selbst für die Opposition ist es gut, in Baden-Württemberg zu leben.

(Heiterkeit bei der CDU)

Mit der „Zukunftswerkstatt Familien“, an der alle Ressorts beteiligt sind, tragen wir dazu bei, die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch weiter zu verbessern.

(Unruhe bei der SPD)

Wenn Sie daran zweifeln, empfehle ich Ihnen nur eines: Reden Sie einmal mit Ihren Bundestagskollegen, die früher Mitglieder des Landtags von Baden-Württemberg gewesen sind, und zwar mit denen, die mit ihrer Familie nach Berlin umgezogen sind. Ich habe mit Einzelnen gesprochen, und sie haben mir offen gesagt, wie sie Kindergärten und Schulen in Berlin im Vergleich zu Baden-Württemberg beurteilen. Deswegen sage ich: Es ist selbst für die Opposition gut, in Baden-Württemberg zu leben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, mit der „Zukunftswerkstatt Familien“, an der alle Ressorts beteiligt sind, tragen wir dazu bei, die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch weiter zu verbessern.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das Landeserziehungsgeld haben wir allen Sparzwängen zum Trotz als freiwillige Leistung des Landes bis heute in vollem Umfang erhalten können. Das ist auch gut so; denn wegen der knapp bemessenen Einkommensgrenzen erreicht

das Landeserziehungsgeld zielgenau diejenigen Familien und Alleinerziehenden, die am wenigsten zum Leben haben. Wenn das Geld nicht mehr für alle reicht, dann muss man es künftig wirklich auf die konzentrieren, die Hilfe am nötigsten brauchen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Pfister FDP/DVP: Richtig! – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig! Genau!)

Meine Damen und Herren, aber auch und insbesondere auf der Ebene des Bundes muss endlich gehandelt werden. Kinder sind heute das Armutsrisiko Nummer 1 in Deutschland; ich meine, das ist ein Armutszeugnis für Deutschland.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Pfister FDP/DVP: Richtig!)

Die Wichtigkeit der Familien für unsere ganze Gesellschaft muss im Steuerrecht, in den sozialen Sicherungssystemen und den staatlichen Transferleistungen in Zukunft viel deutlicher zum Ausdruck kommen als bisher. Kinderkosten privatisieren, Kindernutzen sozialisieren – dabei kann es in Deutschland nicht bleiben, wenn eine Gesellschaft weitsichtig und gerecht sein will.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Aus den vielen Reformmaßnahmen, die auf Bundesebene diskutiert werden, werden viele Bürger mit größeren Belastungen herauskommen. Eine Gruppe muss mit Verbesserungen aus den Reformen herauskommen, wenn unser Land Zukunft haben will, nämlich Familien mit Kindern.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für mich heißt das zum Beispiel ganz konkret, dass Eltern in den Sozialversicherungen auf der Beitragsseite entlastet werden müssen. Denn mit ihren Kindern schaffen sie erst die Voraussetzungen dafür, dass der Generationenvertrag überhaupt weiter bestehen kann.

Erziehungsarbeit braucht mehr Anerkennung – gesellschaftlich und finanziell. Vor allem Familien mit mehreren Kindern müssen wir so bald wie möglich besser stellen. Mit der Handreichung zur Familienbildung leistet das Land einen Beitrag zur Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern in Baden-Württemberg. Betreuung ist wichtig, aber Betreuung, Bildung, Zuwendung und Erziehung fangen in der Familie an.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Familienpolitik muss auch stärker darauf ausgerichtet werden, dass wieder mehr Kinder auf die Welt kommen und die Bevölkerungszahl in Deutschland langfristig stabil bleibt. Wir dürfen dieses Thema nicht länger tabuisieren. Unser Problem in Deutschland ist nicht, wie immer wieder geschrieben wird, dass es zu viele Ältere gibt. Unser Problem in Deutschland ist, dass es zu wenig Kindergibt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: So ist es!)

(Ministerpräsident Teufel)

30 wertvolle Jahre haben wir schon verloren. Das Geburtendefizit dieser Zeit kann nicht mehr ausgeglichen werden, übrigens auch nicht durch Einwanderung. Wir selbst müssen Ja sagen zu Kindern. Das ist das stärkste Zeichen von Zuversicht und von Vertrauen in die Zukunft.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE und Abg. Pfister FDP/DVP unterhalten sich miteinander. – Heiter- keit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Lachen Sie nur so lange, bis Sie dann als Letzte das Licht ausmachen können.

(Heiterkeit – Zuruf: Löschen!)

So lange können Sie lachen!

Meine Damen und Herren, beitragsbezogene soziale Sicherungssysteme sind überhaupt nicht zu halten ohne den Aufbau von Humankapital, ohne mehr Kinder. Die Politik ist gefordert, die Wirtschaft ist gefordert, die gesamte Gesellschaft ist gefordert. Zum Allervordringlichsten in Deutschland gehören eine kinderfreundliche Politik, eine familienfreundliche Politik, ein Mentalitätswandel zugunsten von Kindern und Familien, ja, eine kulturelle Veränderung. Hier entscheidet sich ebenfalls die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Meine Damen und Herren, wir müssen Tabus brechen und an überholte und veraltete Strukturen herangehen. Was nicht mehr in die Zeit passt, muss verändert werden.

Mit der großen Verwaltungsreform werden wir einen Wurf landen. Wir haben die Reformkompetenz auf diesem zentralen Feld für Baden-Württemberg erobert. Andere Länder werden folgen; Sie werden es in den nächsten Monaten beobachten können.