Protocol of the Session on October 1, 2003

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Nur: Mit Geheimniskrämerei hat das nichts zu tun.

(Abg. Drexler SPD: Natürlich hat es etwas damit zu tun!)

Es hat auch nichts mit Nebenabsprachen zu tun. Das steht alles in den Drucksachen.

(Abg. Schmiedel SPD: Kennen Sie Herrn Goll?)

Was Herrn Goll angeht: Er hat Interviews gegeben,

(Abg. Drexler SPD: Eines!)

und zwar in der Zeit, als er nicht mehr Vorstandsvorsitzender war – vorher nicht, jedenfalls nicht zu diesem Punkt.

(Abg. Kretschmann GRÜNE und Abg. Drexler SPD: Was wollen Sie damit sagen?)

Damit will ich sagen, dass Herr Goll zwar Interviews gegeben hat, aber dass die EnBW weder unter dem Vorsitz von Herrn Goll noch unter dem Vorsitz seines Nachfolgers gegenüber der Landesregierung behauptet hätte, die EdF habe ihre Verpflichtungen nicht erfüllt.

(Abg. Drexler SPD: Woher wissen Sie das?)

Das weiß ich ganz genau, weil das bekannt ist. Lassen Sie sich das vom Finanzminister bestätigen.

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Schmid: Waren Sie im Aufsichtsrat? – Zuruf des Abg. Kretsch- mann GRÜNE)

Von der EnBW ist gegenüber der Landesregierung niemals der Vorwurf erhoben worden, dass die EdF ihre Verpflichtungen nicht erfüllt habe.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Nein, meine Damen und Herren, es bleibt dabei: All das, was ich Ihnen jetzt sage, ist bekannt. Das braucht man sich nicht aus den Fingern zu saugen. Das steht alles in den Mitteilungen der Landesregierung.

Sie versuchen hier, etwas ganz anderes zu machen. Sie versuchen hier,

(Zuruf des Abg. Schmid SPD)

aus den Problemen, die sich jetzt bei der EnBW ergeben, und aus einigen Äußerungen von Herrn Goll gewissermaßen landespolitischen Nektar zu saugen.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken, als gäbe es irgendwelche Versäumnisse des Landes, die für diese Probleme ursächlich wären.

(Abg. Drexler SPD: Natürlich!)

Das ist Unsinn, meine Damen und Herren.

(Abg. Drexler SPD: Was?)

Sie haben hier eine spekulative Debatte angezettelt, immer nach dem Motto: „Von diesen Vorwürfen

(Abg. Drexler SPD: Ja, ja!)

wird schon irgendetwas hängen bleiben.“ Ihr Antrag ist heiße Luft, meine Damen und Herren. Außerdem ist Ihr Antrag parlamentarisch unanständig – damit das auch klar ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Oh-Rufe von der SPD – Lachen bei Abge- ordneten der SPD – Abg. Drexler SPD: Ich lese Ih- nen vor, was Sie damals in der Debatte gesagt ha- ben! – Zuruf des Abg. Göschel SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Teufel hat hier vor vier Jahren in den allerwärmsten Farben dargestellt, welche Vorteile der Verkauf der Landesanteile an der EnBW an den Energiemonopolisten EdF dem Land bringen wird. Ich darf zitieren:

Wir wollen die Chancen, die der liberalisierte Energiemarkt bietet, offensiv nutzen: zur Stärkung des Standorts Baden-Württemberg, zur Sicherung von Energiestandorten und Arbeitsplätzen, für günstige Strompreise für Wirtschaft und Privathaushalte und im Sinne einer vernünftigen Energiepolitik.

Ich darf weiter zitieren:

Ich habe unsere Zielsetzung genannt: eine europaweit wettbewerbsfähige EnBW, eine europaweit wettbewerbsfähige baden-württembergische Energiewirtschaft, ein strategischer und standortpolitischer Nutzen für unser Land und seine Arbeitsplätze.

Diese Sätze müssen nach dem, was wir in den letzten Monaten über die EnBW erfahren haben, wie reiner Hohn klingen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wissen Sie – es ist nicht so, dass ich jetzt nach vier Jahren beckmesserisch daherkommen wollte –: Das, was ich zu kritisieren habe, dass nämlich das, was Sie versprochen haben, nicht funktionieren wird, das hat bereits mein Vorgänger Kuhn hier klipp und klar gesagt. Die Versprechen, die Sie im Zusammenhang mit dem Verkauf an den Energiemonopolisten in Frankreich gemacht haben, waren nicht einlösbar. Es waren Versprechen, von denen Sie wussten, dass Sie nachher nicht dafür würden geradestehen können. Dafür sind Sie bisher noch nicht geradegestanden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie haben noch mit keinem einzigen Satz zu all diesen Vorgängen Stellung genommen – wir hoffen, dass Sie dies heute noch tun werden –, obwohl Sie diese Versprechungen entgegen unseren Warnungen gemacht haben.

Was ist die bittere Realität?

Erstens: Europaweite Wettbewerbsfähigkeit der EnBW? Bereits heute hat die EnBW 1 Milliarde € Schulden. Die Eigenkapitalquote ist von 20 % auf 6 % gesunken. Ein solches Unternehmen steht zunächst einmal ganz am Ende aller Energieversorgungsunternehmen und nicht mitten im europäischen Wettbewerb.

Zweitens: Von den versprochenen sicheren Arbeitsplätzen kann keine Rede sein. Es ist schon gesagt worden: Man muss damit rechnen, dass zur Sanierung des Unternehmens in erheblichem Umfang Arbeitsplätze abgebaut werden. Wo bleibt da Ihr Versprechen? Wo wird es eingehalten, Herr Ministerpräsident?

Drittens: Sie haben günstige Strompreise für Wirtschaft und Privathaushalte versprochen. Auch das muss wie Hohn klingen. In zwei Jahren sind die Strompreise dreimal erhöht worden, und zwar insgesamt um 3,5 Cent je Kilowattstunde. Das bedeutet für einen durchschnittlichen Haushalt eine Erhöhung um jährlich 120 € – zehnmal so viel wie die Kosten für die regenerativen Energien. Wo ist da Ihr Versprechen, Herr Ministerpräsident?

(Beifall bei den Grünen)

Viertens: Nutzen für die Sicherung des Energiestandorts Baden-Württemberg? Wie soll dies darstellbar sein bei einem Unternehmen mit einer solch dramatisch schlechten Kapitaldecke, das hoch verschuldet ist und das nach allen in der Branche geltenden Kriterien ganz hinten liegt? Wo wird hier Ihr Versprechen eingelöst, Herr Ministerpräsident? Denn Sie haben dieses Versprechen entgegen unseren Warnungen gegeben.

Die Ursachen für das ganze Debakel sind offenkundig: ein Einkaufs- und Expansionskurs, der in der Branche seinesgleichen sucht, unter dem Vorstandsvorsitzenden Goll. Alles wurde mit Krediten und noch mal mit Krediten finanziert.

(Abg. Walter GRÜNE: Wie unter Herrn Späth!)

Offensichtlich wurde eine mündliche Zusage durch die EdF an Herrn Goll gegeben, die nirgends nachvollziehbar ist. Das behaupten übrigens nicht wir, sondern der neue Vorstandsvorsitzende der EnBW, Utz Claassen. Es ist noch nicht einmal in den Protokollen der Gremiensitzungen irgendwo nachgewiesen, dass es eine solche Zusage gibt. Das heißt, es wurden Milliardeninvestitionen in den Sand gesetzt, ohne dass Geld da war.

Wer ist nun dafür verantwortlich? Natürlich in erster Linie Herr Vorstandsvorsitzender Goll.

(Abg. Drexler SPD: Und der Aufsichtsrat!)

Über seine Aussagen hören wir völlig widersprüchliche Kommentare. Der Aufsichtsratsvorsitzende erklärt ihn zu einem Ehrenmann und sagt, er glaube ihm, aber es sei wohl in internationalen Geschäften nicht mehr üblich, auf mündliche Versprechen zu hören. Utz Claassen sagt, das habe es noch nie gegeben, und der Finanzminister, der im Aufsichtsrat sitzt, schwadroniert nur herum.