Protocol of the Session on June 27, 2001

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das ist Zukunftsvorsorge par excellence. Deshalb halte ich es auch für richtig, sehr bald die Voraussetzung für eine weitere Zukunftsoffensive zu schaffen. Der Beteiligungsbesitz des Landes kommt – so ist das vereinbart – insgesamt auf den Prüfstand. Und ich füge hinzu: Brüssel und auch die völlig überladene Bankgesellschaft Berlin sind, je für sich, schon hinreichend Argumente dafür, auch die Bankenbeteiligungen des Landes im Laufe dieser Legislaturperiode auf den Prüfstand zu stellen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Mein letzter Punkt, meine Damen und Herren, den ich ansprechen möchte, ist der schwierigste. Aber der Herr Ministerpräsident hat so viel Wert auf diesen Punkt gelegt, dass ich ihm nicht ganz ausweichen möchte. Wir erfahren fast täglich, wie die Lebenswissenschaften ihr Wissen und Können mit wachsender Geschwindigkeit erweitern. Die Fortschritte der biologischen und medizinischen Forschung eröffnen faszinierende Perspektiven des Helfens und Heilens. Zugleich aber werden Fragen aufgeworfen, die von der Forschung allein nicht verbindlich entschieden werden können. Die für die Entwicklung der Life-Sciences erforderliche gesellschaftliche Akzeptanz erfordert Antworten auf ethische Fragen, die in einem breit angelegten gesellschaftlichen Dialog erarbeitet werden müssen. Deshalb ist es gut, dass wir in den vergangenen Wochen in Deutschland eine intensive öffentliche Diskussion über Chancen und Grenzen biologischer und medizinischer Forschung geführt haben und weiter solche Diskussionen führen werden.

Meine Damen und Herren, Ethikräte oder Enquetekommissionen können Parlamente und Regierungen beraten, aber politische Entscheidungen nicht vorwegnehmen. Die Diskussion muss in der ganzen Breite der Gesellschaft geführt werden, und die Parlamente müssen dabei eine Vorbildfunktion erfüllen.

Eine Therapie heute unheilbarer Krankheiten möglich werden zu lassen, ist ein hochrangiges Ziel – übrigens auch ein ethisch hochrangiges Ziel.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Das müssen wir im Blick haben, wenn wir die Frage nach den Grenzen des Zulässigen in der biologischen und medizinischen Forschung erörtern. Die Gegenüberstellung von

wirtschaftlichem Nutzen einerseits und Menschenwürde und Schutz werdenden Lebens andererseits ist eine polemische Verkürzung,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Genau!)

die dem Ernst und der Tragweite dieser Diskussion nicht angemessen ist.

(Abg. Drexler SPD: Richtig!)

Eine so verkürzte Debatte würde auch den Forschern selbst nicht gerecht werden, die doch in allererster Linie eine Ethik des Helfens und des Heilens wollen.

Aber auch ethisch höchstrangige Ziele rechtfertigen es nicht, zu ihrer Verwirklichung beliebige Mittel einzusetzen. Die Erzeugung von Embryonen zu fremdnützigen Zwecken muss unter allen Umständen ausgeschlossen bleiben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Neues menschliches Leben beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Der Schutz menschlichen Lebens muss mit demselben Zeitpunkt beginnen. Alle Versuche, spätere Stadien der Entwicklung zur Grenze der Schutzwürdigkeit zu machen, wären willkürlich und mit unabsehbaren Konsequenzen verbunden.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dr. Reinhart CDU: Das sehen aber nicht alle so!)

Die Frage, um die es in der Diskussion um die Stammzellenforschung tatsächlich geht, ist auf ein eng begrenztes Feld beschränkt: Es geht darum, ob es erlaubt werden darf, zum Zweck der In-vitro-Fertilisation erzeugte, für diesen Zweck aber nicht mehr benötigte – und damit über kurz oder lang der Vernichtung preisgegebene – Embryonen mit deutlicher und klarer Zustimmung der Spender für ein klar benanntes Ziel, einen Forschungszweck, der vorher begutachtet werden muss, zu nutzen: Ja oder Nein?

Dies ist – trotz aller beschriebenen eingrenzenden Rahmenbedingungen – natürlich ein Eingriff in menschliches Leben in einem sehr frühen Stadium. Dem steht aber die Chance gegenüber – und das ist mehr als ein vages Heilsversprechen –, Therapieformen zum Beispiel für die Erkrankung von Nervenzellen, also beispielsweise Multiple Sklerose, weiterzuentwickeln, deren grundsätzliche Tauglichkeit, jedenfalls im Tierversuch, unter Beweis gestellt worden ist.

Meine Damen und Herren, wer wie wir diese Frage mit Ja beantwortet, der hat dafür auch gute, ethische Gründe auf seiner Seite. Wir sind uns natürlich bewusst, wie schwierig dieser Abwägungsprozess ist. Weil diese Frage so schwierig ist, braucht es eine große, ethisch, verfassungsrechtlich und medizinisch-naturwissenschaftlich fundierte Debatte in unserer Gesellschaft, eine Debatte, die nicht auf Ethikräte und Enquetekommissionen beschränkt sein darf, sondern die tatsächlich die gesamte Gesellschaft mit einbeziehen muss.

Wir wollen in dieser Legislaturperiode in allernächster Zeit dazu beitragen, dass diese Diskussion bei uns in BadenWürttemberg organisiert wird.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Bei all dem gilt: Selbstverständlich sind ethisch unbedenkliche Alternativen der Forschung, wie die Forschung mit adulten Stammzellen, nachdrücklich und vorrangig zu fördern – klar.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Aber die Erfolgsaussichten, die mit der Forschung an embryonalen Stammzellen verknüpft werden, lassen es aus meiner Sicht nicht zu, diesen Forschungsweg mit adulten Stammzellen apodiktisch zum einzig zulässigen zu erklären. Gegen eine solche apodiktische Festlegung möchte ich mich an dieser Stelle klar aussprechen.

Ich habe mich bewusst, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf einige Schwerpunkte der Landespolitik konzentriert. Ich hoffe, dass bei dieser Gelegenheit noch einmal deutlich geworden ist, was die zentralen und grundlegenden Motive und Themen sind, um die es uns geht. Wir setzen uns ein für eine Politik, die Mut macht. Wir setzen uns ein für mehr Mut zur Eigenverantwortung und mehr Mut zum Risiko. Wir setzen uns ein für die Bereitschaft zur Leistung und zum Wettbewerb. Das ist unser liberales Credo: Begabung und Leistung fördern, meine Damen und Herren, für sich und für andere Verantwortung übernehmen, nicht alles Heil vom Staat erwarten, sondern auch selbst zupacken, Leistung durch Wettbewerb. Das nenne ich verantwortete Freiheit. Dieser fühlen wir uns verpflichtet.

Das ist ein gesellschaftspolitisches Leitbild, das unserem Land eine gute Zukunft verspricht. CDU und FDP/DVP werden alles tun, damit wir auf diesem Weg vorankommen.

Theodor Heuss hat vor 50 Jahren am Vorabend der Gründung des neuen Südweststaates davon gesprochen, dass das Land Baden-Württemberg ein Modell deutscher Möglichkeiten ist. Ich glaube, dieses Land Baden-Württemberg hat längst bewiesen, dass es nicht nur ein Modell, sondern eine Realität ist, ein blühendes Land. Wir wollen, dass dieses Land Baden-Württemberg nicht nur ein Modell deutscher Möglichkeiten, sondern ein Modell europäischer Möglichkeiten ist. An der Verwirklichung dieses Ziels mitzuwirken, lade ich die Opposition ausdrücklich ein. Lieber Herr Salomon, mir können Sie es abnehmen: Ich bin lange Jahre durch das Jammertal der Opposition gegangen. Ich weiß, wovon ich spreche.

(Zuruf von der SPD: Man sieht es!)

Übrigens fällt mir gerade ein, Herr Salomon, ich habe mich viel zu wenig mit Ihnen und mit den Grünen beschäftigt. Aber das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass Sie im Augenblick mit angezogenen Ohren in der Ackerfurche liegen und ich da ungern nachtrete.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP)

Ich will Ihnen als Trost sagen: Sie wissen ja, dass es zwei Institutionen gibt, die Erfahrung mit der Auferstehung haben: die Kirche und die FDP. Ich mache Ihnen Mut, dass Sie bald die dritte Institution sind.

Meine Damen und Herren, Sie können sicher sein, dass wir auf diesem Weg – Baden-Württemberg als Modell europäi

scher Möglichkeiten – fortfahren werden. Das ist ein Weg, der eine gute Zukunft verspricht. Sie können sicher sein, dass FDP/DVP und CDU – in dieser Reihenfolge, Herr Kollege Oettinger – eine starke Legislaturperiode hinlegen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Salomon.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, über zwei Stunden lang haben Sie uns letzte Woche die Pläne Ihrer Regierung für die nächsten zwei Jahre dargelegt. Dabei waren Sie stolz auf die kürzesten Koalitionsverhandlungen aller Zeiten. Das ist ja auch kein Wunder – Herr Kollege Pfister, das kann ich Ihnen nicht ersparen –: Ihr Koalitionspartner scheint ja auch gar nicht mitverhandelt zu haben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Pfis- ter FDP/DVP: Doch, er war dabei! – Minister Dr. Döring: Er ist ab und zu dabei gewesen! – Gegen- ruf des Abg. Drexler SPD: Das ist ja eine ganz neue These!)

Herr Kollege Pfister, wir kennen uns jetzt schon seit vielen Jahren. Ich weiß, dass Ihr Mitleid, das Sie gerade für unser Wahlergebnis öffentlich geäußert haben, ernst gemeint war. In der Ackerfurche zu liegen hat etwas damit zu tun, dass wir hier für die Ökologie, für den Naturschutz und für die Landwirtschaft zuständig sind.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Aber mit angelegten Oh- ren!)

Darüber habe ich heute gar nichts gehört. Ich werde Ihnen zeigen, wie das mit der Ackerfurche vor sich geht.

(Beifall bei den Grünen – Minister Dr. Döring: Du liegst da immer mit angelegten Ohren!)

Aber, Herr Ministerpräsident, auch wenn es so scheint, als ob Ihre Partei das Koalitionspapier mit sich selber verhandelt hat, hat es nicht die Kraft, die es haben müsste, wenn man so ungestört gestalten kann.

Die Koalitionsvereinbarung selber ist ja schon wolkig. Aber wenn man Ihre Regierungserklärung angehört hat, dann stellt man fest – so muss man sagen –, dass es in vielen Bereichen gänzlich unverbindlich wird. Zahlen, gar finanzielle Vorstellungen, vermisst man neben generellen Absichten gänzlich. Ansonsten wird viel gelobt, hauptsächlich sich selber, die Landesregierung, viel die Welt erklärt, das Wahre, Gute und Schöne – die Stilkritik des Kollegen Drexler haben wir schon gehört – zum Ziel politischen Handelns erhoben und der Weg dorthin verschwiegen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Damit kommen Sie!)

Richtig in Fahrt kommen Sie eigentlich immer nur dann, wenn Sie Ihrem Steckenpferd frönen, das heißt, wenn Sie Ihrem Fundamentalismus nachgeben, der alles betrifft, was

aus Berlin kommt. Da kriegen Ihre Augen Glanz. Da wird das christliche Abendland gegen die Barbarei verteidigt. Da kann es gar nicht holzschnittartig genug sein. Da ist kein Argument zu platt. Da hat man das Gefühl, der Wahlkampf endet niemals.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Die Mindereinnahmen des Bundes durch die Steuerreform seien so hoch wie die zusätzlichen Einnahmen aus der Ökosteuer, argumentieren Sie, und deshalb seien die Länder in Wirklichkeit die Einzigen, die die Steuerreform finanzierten. Mein lieber Herr Ministerpräsident, das ist starker Tobak. Sie wissen so gut wie ich und so gut wie jeder hier im Haus, dass die Einnahmen aus der Ökosteuer fast vollständig – bis auf einen kleinen Rest, der für die regenerativen Energien draufgeht – zu einem Stopp des Anstiegs und zu einer realen Reduzierung der Rentenbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber geführt haben. Sie sind von vermutlich fast 22 %, die wir ohne Gegensteuern und ohne die Ökosteuer mittlerweile hätten, jetzt bei real 19,1 % angelangt. Das weiß hier im Haus jeder.

Ihre These, Herr Ministerpräsident, ist also: Die Länder müssen alles allein finanzieren. Sie fordern, dass Berlin, wie Sie sich ausdrücken, endlich von der Wachstumsbremse gehe und die letzte Stufe der Steuerreform von 2005 auf 2003 vorziehe. Das ist jetzt allerdings schon wieder überholt. Mittlerweile hat nämlich Frau Merkel gesagt: „Wir ziehen die Steuerreform von 2005 und die von 2003 auf 2002 vor und schaffen die Ökosteuer ab. Das wären dann 100 Milliarden DM zusätzlich.“ Wie Sie sich das vorstellen? – Keine Ahnung.