Protocol of the Session on July 17, 2003

Noch etwas zur Eigenheimzulage: Ich bitte die Landesregierung darum, sich auch einmal Gedanken darüber zu machen, wie man von den 10 Milliarden € herunterkommt – wenn ich auch die 3 Milliarden € Abrissprämie für den Osten dazunehme, dann sind es 13 Milliarden € – und daraus etwas Vernünftiges, etwas Zielgerechtes für die Bundesländer macht, die noch Zuwachs haben – das sind wenige –, und für die, die das Geld zum Abriss brauchen. Mir ist klar, dass die Ostländer überhaupt keine Eigenheimzulage wollen. Wir hatten darüber eine Debatte mit den neuen Bundesländern. Sie sagen: „Bei uns stehen die sanierten Wohnungen leer. Wir wollen nicht, dass diejenigen, die noch darin wohnen, sich jetzt ein Eigenheim bauen.“ Deswegen wollen sie die Eigenheimzulage nicht. Na also, dann brauchen sie keine. Wir brauchen sie aber.

Herr Finanzminister, lassen Sie mich das schon sagen. Ich will jetzt keine Verschärfung in die Debatte hineinbringen. Mich hat das sowieso gestört: Jetzt sind wir an einem Scheidepunkt der Debatte, und da haut Herr Theurer hier mit zehn Jahre alten Storys auf den Putz.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Sie verkennen völlig die Situation. Die Situation ist, dass jetzt alle zusammenhalten müssen, um das Ding zu machen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das hätte man schon vor zehn Jahren machen sollen!)

Ach, vor zehn Jahren! Es nutzt mir und der Bevölkerung doch jetzt nichts, was vor zehn Jahren war. Die wollen, dass die Politiker jetzt zusammenhalten und das Ding machen, damit am 1. Januar 2004 eine Entlastung stattfindet.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Gö- schel SPD: Zehn Jahre lang die Holzwolle aus dem Teppich gezupft! – Zuruf von der CDU: Wer re- giert denn hier?)

Bei der Eigenheimzulage muss man natürlich sagen, dass das Land Baden-Württemberg das Landesprogramm für Wohnungsbau von ca. 300 Millionen € auf 25 Millionen € heruntergesetzt hat.

(Abg. Gall SPD: Da schau her!)

Das müssen Sie sich vorstellen. Wir haben fast kein Landeswohnungsbauprogramm mehr. Das ist auch ein zentraler Fehler.

(Abg. Fischer SPD: So ist es!)

Insofern kommt natürlich, wenn man in Berlin die Eigenheimzulage anspricht, immer wieder die Frage: Was macht ihr eigentlich selbst? Und da sehen wir nicht gut aus. Ich wollte das nur auch einmal sagen, damit man sich da nicht zu stark an die Brust klopft.

Auf jeden Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen: So geht es nicht mehr weiter. Man kann nicht auf der einen Seite gegen die Abschaffung der Eigenheimzulage, gegen die Abschaffung der Pendlerpauschale, gegen die Opfer für Bauern und gegen eine Reduzierung der Zahl der Bundeswehrstandorte sein – wenn die Bundeswehr reduziert wird, weil man Geld sparen will –, man kann auch nicht noch mehr Mittel für Straßenbau fordern, wie das der Herr Ministerpräsident tut, wenn man schon über 60 % mehr Bundesverkehrswegemittel erhält, aber auf der anderen Seite, wenn es darum geht, zu sagen, was die eigene Politik ist, nichts sagen. Das geht nicht mehr. Das wird von der Bevölkerung auch nicht mehr abgenommen. Wer Nein sagt, der muss in diesem Land Alternativen bieten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da sind Sie jetzt gefragt.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Es wäre doch vernünftig, Herr Theurer, wir könnten uns darüber unterhalten. Überlegen Sie einmal, wenn wir das hinbekämen, was wir dann für ein tolles Steuersystem in der Bundesrepublik hätten – einmal unabhängig davon, dass es noch wahnsinnig viele dicke Bücher darüber gibt. Ich sage Ihnen aber einfach einmal, was zum Schluss da steht:

Wenn wir den Eingangssteuersatz nun wirklich vorgezogen auf 15 % heruntersetzten, dann stünden wir damit an der Spitze aller Länder.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Sehr gut! Alte FDP-For- derung!)

Dann hätten wir den niedrigsten Eingangssteuersatz.

Zweitens: Beim Spitzensteuersatz liegen wir mit 42 % noch immer vor Frankreich, den Niederlanden und den USA im vorderen Drittel. Da brauchen wir möglicherweise auch nichts mehr zu machen.

Und bei der Körperschaftsteuer liegen wir mit 25 % weit an der Spitze aller vergleichbaren Länder.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wäre doch ein Wort, wenn wir das ab 1. Januar 2004 hätten!

(Abg. Pfister FDP/DVP: Die Gewerbesteuer kommt aber noch dazu!)

Die Gewerbesteuer kommt bei einem Teil dazu. Beim Privaten kommt sie nicht dazu. Damit wird der Steuersatz von 42 % für denjenigen, der für seine Firma selbst verantwortlich ist, noch einmal reduziert. Von daher gesehen ist das eine vernünftige Geschichte, und wir würden damit ein Steuersystem haben, mit dem wir weit im vorderen Drittel aller Länder – manchmal auf dem dritten Platz – stünden. Das sollte doch die Anstrengung wert sein.

(Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Meine Bitte an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist: Legen Sie jetzt endlich die Vorschläge auf den Tisch. Das hat sich heute gezeigt. Herr Oettinger hat vor zehn Tagen in einem Interview gesagt, die Union habe eine große Chance, indem sie zum populären Teil von Gerhard Schröder, die Steuern zu senken, die notwendige ergänzende Antwort zur Finanzierung darstelle. „Ich baue darauf, dass wir in den nächsten Tagen in der Lage sind, dies zu tun.“

Die nächsten Tage sind schon vorbei. Aber Sie haben noch bis zum 13. August Zeit. Wir bitten endlich um Ihre Vorschläge. Dann können wir wieder darüber streiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Theurer.

(Zuruf von der CDU: Muss das jetzt sein? – Ge- genruf von der SPD: Na, wenn er sich entschul- digt!)

Nachdem mich die Kollegen Kretschmann und Drexler angesprochen haben, muss ich noch einmal das Wort ergreifen.

Mit der Vergangenheitsbewältigung rennen Sie bei mir ausgehängte Türen ein, aber wenn Herrn Bundeskanzler Schröder gestern bei der Pressekonferenz nichts anderes einfällt, als auf 16 Jahre Kohl zu verweisen und die Verantwortung der alten Regierung zuzuschieben,

(Zurufe von der SPD)

nachdem er jetzt vier Jahre oder mehr für die Misere in unserem Land Verantwortung trägt, muss ich sagen: Das kann ich Ihnen einfach zurückgeben.

(Abg. Drexler SPD: Aber für die Schulden seid ihr schon mitverantwortlich!)

Ich möchte auf Folgendes hinweisen: Wir sind fest davon überzeugt, dass die Steuerreform solide gegenfinanziert werden kann.

(Abg. Drexler SPD: Was heißt das?)

In der Tat war der FDP-Vorschlag, ein einfaches Steuersystem mit Steuersätzen von 15 %, 25 %, 35 % zu schaffen, genau der richtige Weg. Er würde dazu führen, dass Deutschland eines der modernsten und attraktivsten Einkommensteuersysteme der Welt bekommen würde. Wir wollen das gegenfinanzieren. Der Bundesfinanzminister gibt jährlich selbst einen Subventionsbericht heraus, der insgesamt rund 150 Milliarden € umfasst. Wenn man davon nur 10 % herausnehmen würde, Herr Kollege Drexler, dann hätten wir 15 Milliarden €. Damit könnte man nicht nur die Nettoneuverschuldung des Bundes verhindern, sondern man könnte damit auch die Ausgaben der Länder und Gemeinden, denen ja das Wasser bis zum Hals und darüber hinaus steht, kompensieren. Wenn man nur die engeren Subventionen nehmen würde, also nicht das Kindergeld und die Eigenheimzulage, sondern die engeren Bereiche, Kohle, Werften,

(Abg. Drexler SPD: Die Kohle wird doch redu- ziert!)

also dort, wo es Herrn Schröder und anderen besonders wehtut, auch bezüglich Nordrhein-Westfalen, sind es immerhin noch 53 Milliarden €. Nehmen wir davon nur 10 %, dann sind wir bei den 5,3 Milliarden €, die jetzt als Neuverschuldung draufkommen sollen.

Es kann mir also niemand sagen, man könne dieses Vorziehen der Steuerreform nicht durch einen Subventionsabbau gegenfinanzieren. Man kann es. Wir als FDP haben aufgezeigt, wie man das machen kann. Das ist ganz hervorragend.

Ich denke, Sie haben ein ganz anderes Problem: Die Bundesregierung hat die Steuerreform jetzt vorgezogen, die Finanzierung ist unsolide. Jetzt versucht man, den Ball den Ländern zuzuschieben, die natürlich auch ihre eigenen Interessen vertreten müssen.

Das größte Problem, das Sie haben, ist doch, dass Sie immer noch nicht bereit sind, den Menschen das zu sagen, was wir als Liberale ihnen schon lange sagen, dass nämlich das Rentenniveau nicht gehalten werden kann, dass es abgesenkt werden muss – das haben wir schon immer gesagt, aber Sie haben den Leuten weisgemacht, dass das anders geht –, dass die Eigenbeteiligung bei der Krankenversicherung erhöht werden muss, dass die private Vorsorge verstärkt werden muss,

(Abg. Drexler SPD: Jetzt warten Sie doch mal ab, was kommt!)

dass der Staat nicht mehr alles leisten kann, dass die Leistungen bei der Sozialhilfe so nicht mehr finanzierbar sind und auch in anderen Bereichen die staatlichen Sozialleistungen auf den Prüfstand müssen, und zwar einfach deshalb, weil dieses Land Gefahr läuft, seinen Wohlstand, alles, was wir haben, zu verspielen. Sie trauen sich immer noch nicht, dies den Menschen klar zu sagen. Das ist Ihr Problem.

(Abg. Drexler SPD: Die Leute in diesem Land müssen mit ihrem Einkommen noch leben können!)

Wir haben dieses Problem nicht, weil wir das immer klar gesagt haben. Wir wissen, dass das schwierig wird, aber wenn es uns nicht gelingt, durch diese Strukturreformen dieses Land wieder wettbewerbsfähig zu machen, wenn es uns damit nicht gelingt, dafür zu sorgen, dass unsere Unternehmen wieder am Weltmarkt erfolgreich sind und damit echte Beschäftigung geschaffen werden kann, dann werden wir unseren Lebensstandard nicht halten können.

Daher müssen Sie sich von Ihrer Staatsgläubigkeit verabschieden. Sie müssen sich hinwenden zu dem einzig richtigen Weg: mehr Freiheit, mehr Eigenverantwortung und mehr privat! Dafür treten wir ein.

(Abg. Drexler SPD: Aber auch bei der Handwerks- ordnung?)

Das ist das Problem, das Sie haben. Wir sind für die Steuerreform. Wir erwarten von der Bundesregierung und von den Regierungsparteien im Bundestag eine entsprechende solide Gegenfinanzierung. Diese Gegenfinanzierung können wir über den Bundesrat überhaupt nicht gewährleisten, sondern wir dürfen von der Bundesregierung erwarten, dass sie ein Gesetz vorlegt, das auch die Länder, auch Baden-Württemberg, und unsere Städte, Gemeinden und Landkreise in die Lage versetzt, ihren Aufgaben nachzukommen, die ja vom Bundestag gesetzlich festgelegt worden sind.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)