Protocol of the Session on May 7, 2003

Meine Damen und Herren, mit der großen Verwaltungsreform setzen wir auch den Weg der inneren Erneuerung, des inneren Ausbaus unseres Landes fort. Gerade in Zeiten, in denen die Finanzquellen zurückgehen, ist es notwendig, Strukturen auf den Prüfstand zu stellen und für die Zukunft fit zu machen.

Wir wollen Baden-Württemberg an der Spitze halten. Wir sagen eben nicht einfach: „Weiter so!“ Wir lassen los, was überholt ist, und halten fest, was Zukunft begründet. Das Wohl der Menschen ist uns wichtiger als überlebte Strukturen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb gehen wir wichtige Reformen an, die nicht mit erhöhten Ausgaben, sondern mit Effizienzgewinnen verbunden sind und die Strukturen und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes anderen Ländern gegenüber verbessern.

Herausragende Beispiele dafür aus der letzten Legislaturperiode sind die großen Fusionen im Bereich Banken, Medien und Energieversorgung. Landesbank Baden-Württemberg, Südwestrundfunk, Energie Baden-Württemberg – es war richtig und wichtig, dass wir diese Entscheidungen für unser Land getroffen haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

So umstritten diese Entscheidungen in diesem Hause gewesen sind, so unumstritten sind sie heute, wenige Jahre später.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Auch in den politischen Bereichen, in denen das Land eine ureigene Kompetenz hat, gehen wir mit dem inneren Ausbau des Landes voran.

In diese Reihe gehört auch die große Verwaltungsreform. Sie ist der Beweis dafür, dass hier im Land die Politik nicht

stillsteht, wenn das Geld knapp ist. In Zeiten knapper Kassen muss die Politik noch lange nicht aufhören. Im Gegenteil, sie steht dann erst recht in der Verantwortung. Wir bauen die Stärken des Landes weiter aus. Baden-Württemberg bleibt stark aus eigener Kraft.

Staatsaufbau von unten nach oben, sichere Rechte der Regionen in Europa, Wiederbelebung des Föderalismus in Deutschland, Stärkung der Kommunen, Fortsetzung des inneren Ausbaus des Landes, Haushaltskonsolidierung durch Reduzierung der Personalkosten – dies sind die Ziele und die Grundzusammenhänge, innerhalb derer die große Verwaltungsreform ihre ganze Kraft entfalten kann.

Die neue große Verwaltungsreform steht voll in der historischen Kontinuität der bisherigen Verwaltungsreformen in Baden-Württemberg. Genau genommen ist die Geburtsurkunde unseres Landes nichts anderes als das Dokument einer großen Verwaltungsreform: der ersten und bisher einzigen Länderneugliederung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, eines freiwilligen Zusammenschlusses auf der Grundlage einer Volksabstimmung im Jahr 1951. Und niemand mehr wird heute ernsthaft bestreiten, dass dieser Zusammenschluss richtig, weitsichtig und von großem Vorteil für die hier im Land lebenden Menschen war.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb haben wir ihn im vergangenen Jahr zu Recht im ganzen Land gefeiert und können ihn mit vollem Selbstbewusstsein anderen Ländern zur Nachahmung empfehlen. Denn Baden-Württemberg ist nicht als stärkstes Land in Deutschland auf die Welt gekommen, aber es hat mit dem Zusammenschluss von vormals drei Ländern eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür geschaffen, dass es zum insgesamt stärksten und erfolgreichsten Land werden konnte.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Das ist so mit den schwa- chen Kindern: Die werden später stark!)

Wir haben a u c h Probleme; das ist wahr. Aber die meisten anderen Länder wären froh, wenn sie n u r unsere Probleme hätten.

(Beifall bei der CDU – Abg. Seimetz CDU: Genau! – Abg. Dr. Reinhart CDU: So ist es!)

Die Geschichte des Landes Baden-Württemberg ist auch eine Geschichte der Verwaltungsreformen. In den ersten Jahren standen die Integration und der Umbau von drei verschiedenen Landesverwaltungen im Vordergrund, ebenso die Schaffung und der Ausbau der vier damals neuen Regierungsbezirke als Mittelinstanz. Aber erst ab 1970, als mit der Volksabstimmung in Baden der Weg für den Fortbestand des Südweststaats endgültig frei gemacht worden war, konnten die Strukturen der Verwaltung in Baden-Württemberg wirklich grundlegend auf den Prüfstand gestellt und auf neue Herausforderungen ausgerichtet werden.

Im Zuge der 1973 in Kraft getretenen Kreisreform entstanden in Baden-Württemberg 9 Stadtkreise und 35 Landkreise. Sie haben bis heute Bestand, und wir stärken sie für die Zukunft.

Meine Damen und Herren, auch das ist einmal einen Vergleich wert. Im Vergleich der 13 Flächenländer in Deutsch

(Ministerpräsident Teufel)

land hat Baden-Württemberg, gemessen an der Bevölkerungszahl, die zweitgrößten Landkreise. Das heißt: In elf der Flächenländer sind die Landkreise kleiner als in BadenWürttemberg. Damit liegen wir mit unseren in nunmehr 30 Jahren bewährten Kreisen in einer vernünftigen Größenordnung. Auf bürgerferne Regionalkreise können wir schon aus diesem Grund getrost verzichten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Mit der 1974 umgesetzten Gemeindereform, die – wie die Kreisreform zuvor – alles andere als unumstritten war, wurde die Zahl der Gemeinden im Land von 3 379 im Jahr 1968 auf inzwischen 1 111 um mehr als zwei Drittel verringert, und es wurden neue, größere und schlagkräftigere Einheiten geschaffen.

Die Kreis- und Gemeindereform in den Siebzigerjahren war mutig. Sie hatte sich für unser Land über die Jahre hinweg immer deutlicher als Erfolg erwiesen – ein Erfolg, an dem der Anteil Hans Filbingers nicht hoch genug zu schätzen ist. Genauso will ich den Anteil von Walter Krause bei der Kreisreform würdigen.

In den darauf folgenden Jahren der Regierung von Lothar Späth lagen die Schwerpunkte der Verwaltungsreform in Baden-Württemberg weitgehend auf der inneren Stärkung der Verwaltung selbst: Rechtsbereinigung und Rechtsvereinfachung, Privatisierungen, Verbesserung der Qualität, moderne Datenverarbeitung in allen Bereichen der Verwaltung und gute Ausstattung der Polizei. In den Achtzigerjahren wurden in den Ministerien des Landes 9 von 54 Abteilungen gestrichen und 65 von 311 Referaten aufgelöst.

Ich kann für meine Amtszeit auf eine große Zahl von Beispielen verweisen, mit denen die Verwaltung des Landes weiter reformiert und modernisiert wurde. Einige davon möchte ich nennen:

Die Reduzierung der Zahl der Landesministerien von elf auf neun.

Die Reform der Regierungspräsidien mit dem Abbau von 100 Aufgaben, der Einsparung von 9 Abteilungen und 50 Referaten sowie einer Personalreduzierung um 32 %.

Die drastische Verringerung der Zahl der unteren Sonderbehörden und die damit verbundene Einsparung von 1 400 Stellen. Allein 1995 wurden 36 Staatliche Gesundheitsämter, 21 Staatliche Veterinärämter und 17 Ämter für Wasserwirtschaft und Bodenschutz in die Landratsämter und die Bürgermeisterämter der Stadtkreise integriert. Insgesamt wurde die Zahl der unteren Sonderbehörden im Land von 863 im Jahr 1973 über 515 im Jahr 1995 auf 452 im Jahr 1998 verringert. Die Erfahrungen mit den Eingliederungen von unteren Sonderbehörden sind außerordentlich gut. Schon deshalb spricht alles dafür, sie fortzusetzen.

Zu nennen sind ferner die Umwandlung von über 30 vormals staatlichen Einrichtungen in Landesbetriebe oder wirtschaftlich selbstständige Unternehmen und die Verringerung der Zahl der Verwaltungsvorschriften im Land allein in den Jahren 2000 und 2001 von 4 229 auf 2 489.

Das ist – in aller Bescheidenheit – eine Bilanz, mit der sich Landesregierung und Landtag sehen lassen können. Die genannte Eingliederung von unteren Sonderbehörden wurde in der großen Koalition von der SPD mitgetragen – ein Zeichen dafür, dass auch sie diesen Weg für richtig hielt. Die weiteren Reformschritte waren mit ein Erfolg der FDP/ DVP, für die Verwaltungsreform immer besonders wichtig war.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ein weiterer wichtiger Meilenstein für die Landesverwaltung der Zukunft ist das Projekt „E-Bürgerdienste und Portal Baden-Württemberg“. Dieses Projekt ist derzeit in der Pilot- und Erprobungsphase. Im Endausbau wird die Verwaltung im Verhältnis zu den Bürgern grundlegend neu gestaltet. Wir bringen die Verwaltungsleistung damit aus den Amtsstuben heraus mitten in die Wohnzimmer der Bürger und in die Büroräume der Unternehmen.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Sogar Sie werden das künftig beherrschen und damit auch Zeit gewinnen. – Es wird möglich sein, per Mausklick nahezu alle Informationen über die Verwaltung und die Verwaltungsverfahren in Land, Kreisen, Städten und Gemeinden verständlich aufbereitet abzurufen.

Hier darf ich mir einen Seitenhieb gestatten: Man könnte sich damit auch viele, viele Kleine Anfragen und Anträge ersparen,

(Beifall bei der CDU)

weil man die Ergebnisse des Statistischen Landesamtes direkt auf den Bildschirm im eigenen Büro oder in der eigenen Wohnung bekommt. Das wäre schneller und für das Land billiger.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Wichtige Dokumente werden online verfügbar sein. Genehmigungsverfahren, auch für Unternehmen, werden einfacher und kürzer laufen. Was heute noch Zukunftsmusik ist, werden wir schon in Kürze Schritt um Schritt in ganz BadenWürttemberg anbieten können: beispielsweise die An- und Abmeldung in der Gemeinde über den eigenen PC, die Beantragung des Führerscheins über den eigenen PC und die Neuzulassung und Abmeldung von Fahrzeugen über den eigenen PC.

Dies sind nur einige wenige ganz konkrete Beispiele aus dem Alltag der Menschen. In Zukunft werden sie nicht mehr vor Amtsstuben in Warteräumen sitzen oder auf dem Flur stehen müssen, sondern diese ganz alltäglichen Dinge im Umgang mit den Behörden und Ämtern von zu Hause aus erledigen können. Die Bürger sparen Zeit, die Verwaltungen sparen Kosten.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Theurer FDP/ DVP)

Die von mir angefahrene Initiative zum Abbau von Bürokratie wird zudem weiter fortgesetzt. Das Land wird dort, wo es handeln kann, auch die Initiative ergreifen. Alle Strukturen und Instrumente müssen auf den Prüfstand, um

(Ministerpräsident Teufel)

die Qualität der Arbeit in den öffentlichen Verwaltungen – auch bei Regierung und Gesetzgeber – verbessern zu können.

Das Innenministerium arbeitet derzeit an einer Vorschriftenanordnung, mit der eine dauerhafte Begrenzung des Vorschriftenbestands und der Regelungsdichte erreicht werden wird.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Seht gut!)

Darüber hinaus werden wir ein elektronisches Ideen- und Beschwerdemanagement einführen, in dessen Rahmen sich Bürger, Wirtschaft und Verbände zu bestehenden und geplanten Vorschriften äußern können und ihre Ideen schon im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens einbringen können.

Der weitaus größte bürokratische Aufwand ist allerdings nach wie vor durch Vorschriften der EU und des Bundes verursacht.