Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Finanzminister, man muss den Haushalt lesen können; aber man muss auch die richtigen Konsequenzen daraus ziehen, wenn man ihn gelesen hat.
Das Land hat 34 Milliarden € Schulden. Das Land macht dieses Jahr nochmals über 2 Milliarden € Schulden.
Das heißt, wir nehmen neue Schulden auf, um die Zinsen für die alten Schulden bezahlen zu können. Das ist ein Offenbarungseid für eine Regierung, in der die CDU seit fast 50 Jahren den Finanzminister stellt.
Der Kollege Pfister hat es gerade gesagt: Vor 30 Jahren ist hier zum letzten Mal ein ausgeglichener Haushalt vorgestellt worden. Wenn ich die Schuldenentwicklung des Landes Baden-Württemberg anschaue, sehe ich: Im Jahr 1970 waren es 2 Milliarden € Schulden, im Jahr 1980 9 Milliarden €, im Jahr 1990 18 Milliarden €, im Jahr 2000 29 Mil
liarden €, im Jahr 2003 35 Milliarden €, und im Jahr 2006 werden es 41 Milliarden € sein, wenn Sie so weitermachen. Ich kann mich nicht erinnern, dass Rot-Grün so lange an der Regierung ist.
Ich kann auch nicht erkennen, dass in der Zeit, in der Sie im Bund die Regierung stellten, in der Kurve irgendwo eine Delle erscheint.
Die Schulden gehen kontinuierlich hinauf, und man kann eigentlich sagen: Seit Herr Abg. Teufel, zuerst als Fraktionsvorsitzender und dann als Ministerpräsident, in der Verantwortung ist, geht es rapide nach oben.
(Abg. Drexler SPD: Aber bloß bei der Verschul- dung! – Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)
Das ist eine ernste Angelegenheit: Die Schulden in BadenWürttemberg gehen kontinuierlich nach oben. Sie haben bei jeder Haushaltsberatung immer neue Ausflüchte, warum sie jetzt gerade wieder hochgehen müssen.
Jetzt liegt es natürlich an Rot-Grün; das ist ja klar, wie könnte es auch anders sein? Ich frage mich nur: Wieso sind sie dann in den Jahren zuvor auch dauernd hochgegangen? Der Grund, warum die Schulden dauernd steigen, ist: weil ihr euch jedes Mal neue Ausflüchte sucht, anstatt einmal mit Wahrheit und mit Klarheit zu sagen, was im Landeshaushalt eigentlich Sache ist.
Wenn wir die Schattenschulden dieses Landes mit einbeziehen, dann ist die Lage noch viel dramatischer. Herr Kollege Oettinger, Sie haben vorhin ein Modell vorgestellt, wie man unter Umständen Beamte aus den Pensionslasten sozusagen „herauskaufen“ könnte. Genau das haben wir jetzt einmal getan. Wir haben einmal den Barwert der Pensionslasten unter Annahme einer 5-prozentigen Abzinsung genommen und berechnet, was dies heute an Schulden bedeutet.
(Der Redner hält ein Blatt Papier in der Hand. – Abg. Pfister FDP/DVP: Du musst es halt zeigen! Man sieht es gar nicht!)
Wenn wir diese Schattenschulden, die aufgrund der Pensionslasten im Haushalt versteckt enthalten sind, hinzunehmen, dann haben wir nicht 35 Milliarden €, sondern 72 Milliarden € Schulden. Das ist jetzt nur als Größenordnung wichtig, weil 5 % Abzinsung ja eine gegriffene Zahl ist. Aber damit wird klar: Wenn wir diese verdeckten Schulden, die wir durch die steigenden Pensionslasten haben, noch dazunehmen, dann sieht man eigentlich erst, wie dramatisch die Lage wirklich ist.
Ich meine, das Allererste, was wir den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land sagen müssen, ist: Wir sind, was die öffentlichen Finanzen – auch diejenigen von BadenWürttemberg – angeht, in einer dramatischen Lage. Es hat keinen Sinn, dass Sie dies weiterhin unter den Teppich kehren und den Sünder immer irgendwo anders suchen. Das ist, glaube ich, das allererste Problem.
Deswegen haben Sie eine falsche Strategie. Es werden immer nur Minderausgaben gefahren; das heißt, es werden eben keine Strukturprobleme angepackt. Sie sind jetzt in der Haushaltsstrukturkommission gerade einmal bei der Prüfung der Vorschläge – und das bei einer Entwicklung, die seit 30 Jahren nach oben geht! Sie haben also die eigentlichen Hausaufgaben über Jahrzehnte hinweg nicht gemacht. Und jetzt, da Sie sie machen müssen, legen Sie außer Prüfaufträgen noch immer nichts Konkretes vor.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Drexler SPD: Sie legen nichts vor! – Abg. Heike Dederer GRÜNE: Unglaublich!)
Sie haben im Jahr 2006 auf der Basis der Daten der mittelfristigen Finanzplanung eine Deckungslücke von 2,9 Milliarden €. Das ist die Wahrheit. Wenn Sie in einer solchen Situation – zumal, wenn man sich vor Augen hält, wie lange es dauert, bis sich Strukturänderungen haushaltswirksam auswirken – den Leuten sagen, es gäbe auch nur die geringste Chance, mit dieser Politik im Jahr 2006 zu einer Nettonullverschuldung zu kommen, so ist dies reine Märchenstunde und hat mit seriöser Haushaltspolitik nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Wo liegt für Sie der rettende Anker? Das ist wirtschaftliches Wachstum. Sie gehen jetzt im Land herum und sagen: Wenn nur ein anständiges wirtschaftliches Wachstum kommt, dann können wir diese Probleme lösen.
Das ist das zweite Märchen, das Sie verbreiten: Wir könnten diese gravierenden Probleme mit mehr Wirtschaftswachstum lösen. Das ist einfach nicht der Fall.
Wenn wir Ihre Politik machen wollten – besonders auch die der FDP/DVP –, wenn wir die Staatsquote so drastisch senken wollten, wie Sie das machen wollen, wenn wir annehmen, dass die Inflationsrate weiterhin bei 1 % bleibt und dass die Personalausgaben analog zum Wachstum steigen,
dann brauchen Sie ein durchschnittliches Wachstum von nominal 4,5 %, um – wohlgemerkt, innerhalb der nächsten zwölf Jahre – endlich zu einer Nettonullverschuldung im Jahr 2015 zu kommen.
Das ist doch jedem klar, dass das vollkommen illusorische Vorstellungen sind und dass das unmöglich ist.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Pfister FDP/DVP: Ja, einverstanden! Aber das sind nur 50 % des Problems!)
Um bei einem realen Wachstum von 1 % im Jahr 2003 Ihre mittelfristige Finanzplanung noch halten zu können, müssten wir von 2004 bis 2006 ein reales Wachstum von 2,25 % erreichen. Selbst wenn wir das hätten, wäre die Deckungslücke von 2,9 Milliarden € im Jahr 2006 lediglich nicht noch größer. Das sind die Tatsachen. Wenn wir ein Wachstum von 2,25 % bekämen, dann könnten wir alle uns glücklich und selig schätzen. Das sind die Tatsachen; und die wollen Sie den Leuten nicht sagen.
Herr Kollege Kretschmann, Ihre Fraktion hat Sparvorschläge in Höhe von 100 Millionen € vorgelegt – es fehlen Milliarden. Können Sie dem hohen Haus erklären, wie Sie das Ziel der Nullverschuldung ohne Wachstum erreichen wollen?