Protocol of the Session on January 23, 2003

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das geht ja gar nicht!)

aber ich sage trotzdem: Ich will mit meiner Fraktion nicht zulassen, dass demokratisch gewählte Politiker in die Nähe einer Grauzone zum Faschismus gerückt werden, was hier ganz eindeutig der Fall ist.

(Abg. Drexler SPD: Das wollen wir auch nicht!)

Lieber Kollege Drexler, wenn in dieser Ausstellung auf Tafel 21 oder 22 von einem NPD-Marsch die Rede ist oder ein NPD-Marsch gezeigt wird und bei diesem NPD-Marsch eine ganze Reihe von Glatzen und Springerstiefeln und was sonst noch dazukommt zu sehen ist und wenn dann auf der gleichen Tafel Otto Schily zitiert wird in unmittelbarer Nähe zu Glatzen und Springerstiefeln, dann ist klar, dass ein demokratisch gewählter Politiker in die Nähe dieser Glatzen,

(Abg. Drexler SPD: Nein!)

in die Nähe dieser Springerstiefel gerückt werden soll.

(Abg. Drexler SPD: Unsinn!)

Dies ist eine ungeheuerliche Verunglimpfung, und ich kann überhaupt nicht verstehen, dass Sie an der Stelle, wo ich Otto Schily verteidigt habe, nicht geklatscht haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Drexler SPD: Sie platzen doch gleich! Das Gegen- teil ist der Fall! Hier wird der politische Liberalis- mus heute wieder begraben!)

Es geht um den Kampf gegen den Extremismus – da sind wir uns sicher alle einig. Bei aller Streitkultur warne ich davor, die Grenzen zu überschreiten. Ich plädiere leidenschaftlich für diesen Kampf gegen den Extremismus. Diese Ausstellung, die heute gezeigt wird, halte ich für eine Provokation eines freien und demokratisch gewählten Parlaments. Meine Damen und Herren, ich hätte mir gewünscht, dass Sie mit diesem Thema etwas sensibler umgegangen wären, als Sie es tatsächlich getan haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Drexler SPD: Sie hätten eine sensiblere Rede hal- ten sollen! Um Gottes willen! Karl-Hermann Flach würde sich im Grab umdrehen!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Dr. Palmer.

Herr Präsident, verehrte Kollegen, verehrte Kolleginnen! Natürlich wird mit dieser Ausstellung – wir sollten nicht darum herumreden – der Versuch gemacht, überwiegend die CDU, aber teilweise auch Repräsentanten der SPD in die Grauzone zum Rechtsextremismus zu bringen. Das ist die Botschaft dieser Ausstellung. Das lässt sich die CDU Baden-Württembergs, das lässt sich die Landesregierung, das lässt sich die Mehrheit dieses Parlaments nicht gefallen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich habe immer großen Respekt vor der Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gehabt. Sie war 1933 aufrecht, als andere große historische Fehler mit schrecklichen Konsequenzen gemacht haben. Die Sozialdemokraten sind nach 1945 aus dem Exil zurückgekommen; die Sozialdemokraten sind aus den Konzentrationslagern zurückgekommen. Wahr ist aber auch, dass die Idee der CDU Deutschlands in den Kerkerzellen des Dritten Reiches geboren worden ist. Wir lassen uns nicht in die Nähe von Rechtsextremisten rücken, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Wie ist Schumacher nach dem Krieg beschimpft worden!)

Da gab es immer einen antitotalitären Konsens. Konrad Adenauer war über Monate hinweg im Kloster Maria Laach vor den Schergen der Nationalsozialisten versteckt. Die überlebenden Mitglieder des Kreisauer Kreises haben die CDU in Berlin und in Köln mitgegründet: Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier, Theodor Steltzer, der erste Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Hans Lukaschek,

Vertriebenenminister. Wir haben eine stolze Tradition, und wir lassen es uns nicht bieten, mit der braunen Brühe in einen Bezug gebracht zu werden. Das weisen wir zurück.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Hofer FDP/ DVP)

Wenn man Mumm in den Knochen hat, dann muss man als Demokrat auch Grenzüberschreitungen beim Namen nennen. Hier liegt eine eindeutige Grenzüberschreitung vor. Die Ausstellung ist ästhetisch unappetitlich, historisch falsch und politisch skandalös. Deshalb lehnen wir diese Ausstellung ab.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Jetzt wurde gesagt, Staatssekretär Stefan Mappus habe als Regierungsmitglied in unzulässiger Weise Druck ausgeübt und Zensur veranstaltet.

(Zuruf von der SPD: Wie in einer Bananenrepu- blik!)

Nein, nicht wie in einer Bananenrepublik. In diesem Land ist auch ein Staatssekretär oder ein Minister kein politischer Eunuch und kann als Landtagsabgeordneter und als Kreisvorsitzender der CDU eine politische Auffassung vertreten, zumal dann, wenn sie so begründet ist wie die Kritik an dieser Ausstellung.

(Beifall bei der CDU – Abg. Carla Bregenzer SPD: Könnten wir uns politisch damit auseinander set- zen?)

Der Vorwurf der Zensur fällt auf diejenigen zurück, die ihn erheben. Die soziokulturellen Zentren bilden sich zu Recht etwas darauf ein, aus der aufklärerischen Emanzipationsbewegung entstanden zu sein. Sie glauben doch im Ernst nicht daran, dass sich ein Herr Baral oder ein soziokulturelles Zentrum auf Druck hin dazu bewegen lässt, etwas abzusagen.

Vielleicht haben Sie sich einmal mit den Inhalten dieser Ausstellung auseinander gesetzt und sind dann zu dem Ergebnis gekommen, dass sich das nicht gehört und dass es gewisse Geschmacksgrenzen gibt, so etwas nicht zu zeigen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Wo lebt denn der? Wo lebt der? – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Dann will ich als evangelischer Christ gerne ein Wort zu den Kirchen sagen.

(Oh-Rufe von der SPD – Zuruf von der SPD: Aha, da läuft der Hase!)

Die Kirchen – auch meine evangelische in Pforzheim – sollten sich in einer ruhigen und sachlichen Diskussion einmal überlegen, wer sie über Jahrzehnte hinweg auf der Welt bedrängt und belastet und wie die katholische, die protestantische und andere Kirchen in totalitären Systemen linker oder rechter Art immer Druck, Pressionen, ja Verfolgung ausgesetzt sind. Und sie sollten sich deshalb gut überlegen, wem sie ein Forum anbieten. Diese geistig offensive Ausei

(Minister Dr. Christoph Palmer)

nandersetzung muss man auch von Kirchen in der Gesellschaft erwarten können, und wir laden dazu unsere Kirchen herzlich ein.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD – Zu- ruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister Dr. Palmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Utzt?

Bitte schön.

Bitte schön, Frau Abg. Utzt.

Herr Minister Palmer, wie verstehen Sie den folgenden Satz? Ich zitiere:

Wir fordern Sie deshalb auch im Namen des CDUKreisvorsitzenden, Staatssekretär Stefan Mappus MdL, und des Bundestagsabgeordneten Gunther Krichbaum auf, die Ausstellung in den Räumen des Kulturhauses Osterfeld nicht stattfinden zu lassen.

Halten Sie das nicht für Zensur?

(Widerspruch bei der CDU)

Nein, das halte ich nicht für Zensur. Davon kann ja wohl keine Rede sein. Liebe Frau Utzt, die Antwort auf Ihre Frage ergibt sich aus dem Text dieses Briefes. Das ist eine politische Meinungsäußerung des CDU-Kreisverbands Pforzheim gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Dann bin ich beim dritten und letzten Punkt, den ich hier ansprechen möchte. Der Kollege Kretschmann sagt: „Man braucht sich nicht alles gefallen zu lassen. Die Ausstellung bietet Grenzüberschreitungen. Wir identifizieren uns damit nicht.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist mir zu sophistisch, das ist mir zu haarspalterisch.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Die Landtagsfraktion GRÜNE ist ebenso wenig wie eine andere Landtagsfraktion eine Stadthallengesellschaft, eine Messegesellschaft, die Räume vermietet, sondern sie ist eine Fraktion mit politischem Gestaltungsanspruch

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber uns kann man Zuschüsse kürzen!)

und Meinungsäußerung.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Natürlich identifiziert sich die Fraktion GRÜNE – die damit selbstverständlich auch eine Absicht verfolgt –, indem sie ihre Fraktionsräume für so etwas zur Verfügung stellt, mit dieser Ausstellung.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)