Protocol of the Session on January 23, 2003

Wissen Sie, Herr Scheuermann: Kompetenz nach Haushaltslage zuzulassen, das kann kein vernünftiger Weg sein.

(Abg. Pfisterer CDU: Anonym sparen ist einfach, aber konkret sparen schwer!)

Gerade in diesem Bereich, meine Damen und Herren – regen Sie sich nicht auf! –, ist Verlässlichkeit und Kontinuität gefragt,

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

um den Qualitätsstandard zu sichern.

Ich darf noch einmal daran erinnern: Bei der Begutachtung der Akademie durch den Wissenschaftsrat wurden die Arbeitsfelder „Nachhaltige Entwicklung“ sowie „Wirtschaft und Beschäftigung“, die für uns besonders wichtig sind, aber auch der Querschnittsbereich „Diskurs“, der ein gewisses Alleinstellungsmerkmal der Akademie ist, mit „gut“ und „sehr gut“ bewertet. Nur bei den Feldern, bei denen Sie es versäumt haben, die entsprechenden Leitungspositionen zu besetzen, wird sie etwas kritischer bewertet.

Dazu muss man sagen: In diesem Bereich ist in der Akademie originäre Forschung nur schwer möglich, weil sie im technischen Bereich über keine Werkstätten und Labors verfügt. Insofern kann diese Kritik nicht treffen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Genau für diese Bereiche war sie mal gedacht!)

Nein, Labors haben Sie noch nie vorgesehen, soweit ich informiert bin, und Werkstätten auch nicht, aber die technische Kompetenz kann man einkaufen, Herr Haas, wenn man die Leitungspositionen besetzt. Wenn man diese Stellen frei lässt, hat man in diesem Bereich eben nicht die Qualität, die man sonst schaffen könnte. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ich kann auch den Ausführungen der Landesregierung in der vorliegenden Drucksache nicht zustimmen, wonach es seit dem Ausscheiden der ehemaligen Direktoriumsmitglieder

(Zuruf des Abg. Fischer SPD)

an einem stringenten Themenschwerpunkt gefehlt habe, man deshalb die Leitungsfunktionen nicht besetzen dürfe und es daher einer Evaluation durch den Wissenschaftsrat bedurft habe.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf verweisen – so wurde mir das gesagt –, dass das Direktorium offensichtlich bereits vor zwei Jahren gemeinsam mit dem Kuratorium ein detailliertes Konzept für die offen stehenden Leitungspositionen und auch ein Profil für die vier wissenschaftlichen Bereiche ausgearbeitet und dem Stiftungsrat vorgelegt hat. Beides – Konzept und Profil – wurde vom Stiftungsrat ausdrücklich begrüßt, und die damit verbundene Neuformulierung der Themenfelder wurde genehmigt.

Nun kommt das Hin und Her seitens des Ministeriums, zunächst grundsätzlich positive Aussagen zu machen, dann die Stellen doch nicht zu besetzen, dann wieder Zusagen zu machen, dann eine Ausschreibung wieder zurückzunehmen. Das ist kein fairer Umgang mit einer Akademie, und das war im Prinzip schon die Schaufel am Grab der Akademie, wie sich jetzt im Nachhinein herausgestellt hat.

(Beifall bei der SPD)

Wir hatten uns noch im September mit der Frage einer Strukturkommission zu beschäftigen. Damals war die Haushaltslage bekannt. Die Einrichtung der Strukturkommission – und das haben alle betont – war mit dem Ziel verbunden, Leistungsfähigkeit, Entwicklungspotenzial und Organisation der Akademie zu optimieren, um sie in die Zukunft zu führen, wie der Herr Minister in seinen Ausführungen beim Jubiläum schon angedeutet hat.

Meine Damen und Herren, mit dem Verzicht auf interdisziplinäre und diskursive Spitzenforschung verliert unser Land einen Teil seiner Zukunftsfähigkeit. Dies dürfen wir und darf auch das Parlament nicht akzeptieren. Wir werden uns daher bei den Beratungen des Nachtragshaushalts für die Rücknahme der geplanten Kürzung von 1 Million € einsetzen, um damit der Akademie ein Weiterleben zu ermöglichen.

Ich zitiere noch einmal aus der vor einem halben Jahr herausgegebenen Festschrift, und zwar Herrn Professor Bugl:

Aus dem zarten vor zehn Jahren gepflanzten Bäumchen der Akademie ist ein tief verwurzelter Baum geworden. Dieser hat so manchen Sturm überstanden, gerade weil die TA-Akademie stets flexibel auf neue Anforderungen reagiert hat.

Dabei wollen wir ihr weiterhelfen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Glück.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bewertungsbericht des Wissenschaftsrats zur Akademie für Technikfolgenabschätzung ist für die Akademie nicht in allen Teilen besonders gut ausgefallen. Einige Bereiche wurden durchaus als sehr positiv bewertet, aber eben nicht alle.

Dieser Bericht gab zunächst einmal Anlass – und forderte förmlich dazu heraus –,

(Zuruf des Abg. Fischer SPD)

über einiges nachzudenken.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das Ranking der Unis ist auch nicht besser!)

Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Nachdenken in normalen Zeiten nicht dazu geführt hätte, die Akademie schließen zu wollen. Denn sie hat – und das wird ebenfalls vom Wissenschaftsrat attestiert – durchaus große Stärken und vor allem ein eigenständiges Profil entwickelt, das auch weit über Baden-Württemberg hinaus Anerkennung gefunden hat. Das zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass im letzten Jahr, in dem die wirtschaftliche Situation sicherlich nicht allzu gut war, das Einwerben von Drittmitteln durch die Akademie noch erheblich gesteigert werden konnte, und zwar um 10 %.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Nun, meine Damen und Herren, leben wir leider nicht in normalen Zeiten, sondern in Zeiten einer extremen Haushaltsanspannung. Da muss eben auch der Wissenschaftsminister jeden Euro zweimal umdrehen, bevor er ihn ausgeben kann. Seinen Vorschlag, die Akademie für Technikfolgenabschätzung zu schließen, tragen wir unter diesen Voraussetzungen mit – allerdings, das gestehe ich, ohne Begeisterung.

(Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Mit entscheidend ist dabei für uns die Tatsache, dass das Ende der TA-Akademie nicht die Beendigung dieses Themas ist.

(Unruhe)

Herr Caroli, horchen Sie doch einmal zu! – Technikfolgenabschätzung wird in Baden-Württemberg auch weiterhin durch andere Organisationen und Institutionen stattfinden. Es wird auch weiterhin die Möglichkeit der Politikberatung bestehen. Ich hoffe allerdings, dass es gelingt, das große Angebotspuzzle zu ordnen, damit man sich darin auch zurechtfindet.

(Abg. Fischer SPD: Wir stimmen trotzdem mit Ja! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sind Sie dafür oder dagegen?)

Wir stimmen der Auflösung der Akademie auch deshalb zu, weil zurzeit geprüft wird, ob und wie das Know-how der Akademie in einer Koordinierungsstelle gehalten werden kann. Wichtig ist für uns nicht nur das Sparen, sondern wir wollen dem Land auch diesen Wert erhalten. Ich persönlich möchte dem Land auch Professor Renn erhalten. Ich könnte

mir durchaus vorstellen, dass unter seiner Führung auch diese Koordinationsstelle angeordnet werden könnte.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Ursula Hauß- mann SPD: Schon wieder eine Pirouette, Herr Glück! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Oder ein Ei- ertanz! Dann soll er es doch sagen und nicht hier so herumeiern!)

Dafür sind Sie doch bekannt!

Das Wort erhält Herr Minister Dr. Frankenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür, dass die Fraktion der Grünen sich Gedanken über die Zukunft der Technikfolgenabschätzung in unserem Land macht.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Nicht nur die Grünen! Alle! – Abg. Bebber SPD: Nicht polemisieren jetzt! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das schließt aber nicht aus, dass wir uns Gedanken machen! – Abg. Pfis- terer CDU: Auch wir haben uns Gedanken ge- macht! Sogar viele Gedanken! – Gegenruf der Abg. Carla Bregenzer SPD: Wenn dann auch Ergebnisse herauskämen!)

Aber es geht nicht nur um die Technikfolgenabschätzung – –

(Zuruf von der SPD)

Das war der Antrag der Fraktion der Grünen. – Auch die Christlich-Demokratische Union macht sich Gedanken über die Technikfolgenabschätzung.

(Heiterkeit)

Es geht um die finanziellen Rahmenbedingungen, die gegeben sind – nicht nur für die Technikfolgenabschätzung, sondern im Gesamtkontext meines Hauses, das heißt für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Die Frage lautet, wie wir angesichts der gegenwärtigen und noch lange in dieser Form andauernden finanziellen Rahmenbedingungen mit diesen Themen umgehen und entscheiden, was für uns Prioritäten und Posterioritäten sind. Dementsprechend müssen wir Haushaltsentscheidungen fällen.

Die Regierung hat den Vor- oder Nachteil, entscheiden zu müssen. Sie muss nicht nur argumentieren, sondern sie muss schließlich eine Entscheidung fällen, und zwar eine zukunftsorientierte Entscheidung – nicht nur was Wissenschaft, Forschung und Technikfolgenabschätzung betrifft, sondern auch die Frage der Schuldenhöhe, die wir den nächsten Generationen überantworten.

Wir haben den Wissenschaftsrat um eine möglichst objektive Einschätzung der Arbeit der Akademie für Technikfolgenabschätzung gebeten. Unser Beschluss, die Akademie für Technikfolgenabschätzung zu schließen, basiert auf der Haushaltslage des Landes und nicht auf dem Votum des Wissenschaftsrats. Das haben wir nie zu Hilfe genommen, um unseren Schließungsbeschluss zu begründen.

(Minister Dr. Frankenberg)