Dieser Schließungsbeschluss ist uns nicht leicht gefallen. Es war ein Beschluss in Abwägung anderer Einsparmöglichkeiten. Wenn Sie, Herr Kaufmann, sagen, wir hätten schon im September wissen müssen, wie schlecht die Haushaltslage ist, dann müssen Sie natürlich Ihren Finanzminister im Bund, Herrn Eichel, fragen, wieso er diese Kenntnis vor dem 22. September selbst nicht hatte, die Sie dann bei uns suchen.
(Beifall bei der CDU und des Abg. Drautz FDP/ DVP – Abg. Pfisterer CDU: Vor der Wahl gab es kein Loch, erst danach! – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Abg. Kaufmann SPD: Sie haben keinen Überblick gehabt!)
Also, wenn Sie von mir verlangen, dass ich über die Finanzen in der Bundesrepublik Deutschland einen besseren Überblick haben soll als der Bundesfinanzminister – –
(Abg. Bebber SPD: Ihren kleinen Laden werden Sie doch noch überblicken können! – Gegenruf des Abg. Pfisterer CDU: Aber die Steuerausfälle ka- men doch vom Bund!)
Erstens ist der Laden nicht klein, sondern es ist einer der größten Läden, die wir haben. Zweitens hängen die Finanzen meines Haushalts nicht nur von irgendwelchen Chimären ab, sondern von den Steuereinkünften und von der Wirtschaftslage der Bundesrepublik Deutschland, die der Bundesfinanzminister vor dem 22. September noch sehr optimistisch eingeschätzt hat. Am 23. September hat er festgestellt, dass die Kasse leer ist.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Kaufmann SPD: Aber Sie wissen, es war am 30. September!)
Deshalb wissen Sie auch, warum wir dann erst im September und Oktober die wahre Misere der gesamten deutschen Finanzlage vor Augen haben konnten.
Ich möchte noch einmal betonen, dass der Schließungsbeschluss ein Beschluss aufgrund der Haushaltslage des Landes ist und dass ich, Frau Bauer, selber nie behauptet habe und auch nicht behaupten werde – und die Landesregierung auch nicht –, dass der Wissenschaftsrat diese Schließung empfohlen habe. Das verbietet schon der Umgang mit dem Wissenschaftsrat. Ich bitte, dass Sie das auch entsprechend sehen und nichts anderes behaupten, denn es ist von uns nie eine entsprechende Behauptung aufgestellt worden. Der Wissenschaftsrat hat ein ambivalentes Gutachten erstellt, aber er hat nie empfohlen, die Einrichtung zu schließen. Das ist auch nicht unser Argument. Wir fußen mit dem Schließungsbeschluss nicht auf dem Gutachten des Wissenschaftsrats.
Er hat, wie hier ausgeführt worden ist, zwei Abteilungen positiv und zwei Abteilungen relativ negativ beurteilt. Ich möchte noch hinzufügen: Die Nichtbesetzung von zwei Leitungsstellen, die Sie angesprochen haben, war von uns deshalb fortgeführt worden, weil wir nicht eine Evaluation durchführen lassen können und vor Durchführung der Evaluation alle freien Leitungsstellen besetzen können. Dann hätte es überhaupt keine Option mehr für eine Handlungsweise aufgrund der Evaluation durch den Wissenschaftsrat
Wenn Sie nun im Sinne der Qualität die vielen Protestschreiben anführen, die gekommen sind, so darf ich Ihnen sagen, dass wir allein auf den Beschluss einer Universität, der ich einmal vorstand, eine C-3-Professur für Archäologie zu schließen, aus aller Welt 250 Protestschreiben aller renommierten Archäologen, die es auf dieser Welt gibt, bekommen haben.
Das heißt, die Zahl der Protestschreiben ist noch kein Maß für den Verlust, der durch den Schließungsbeschluss eingetreten ist. Ich glaube, ich kenne Verhaltensweisen von Wissenschaftlern und kenne auch die Verhaltensweisen des Eintretens füreinander.
Wenn einer gefährdet ist, stehen alle auf. Das ist so, und das wird so bleiben. Aber es ist noch kein Maß dafür, wie wichtig oder wie unwichtig eine Einrichtung ist.
(Abg. Bebber SPD: Eine Form von Zynismus ist das! – Zuruf von der SPD: Diese Einschätzung ist interessant!)
Die Wissenschaftler argumentieren natürlich nicht vor dem Hintergrund der Haushaltslage des Landes, sondern sie argumentieren vor dem Hintergrund von Fachinteressen und von Fachegoismen. Diese sind im Fach begründet und mögen unter fachegoistischen Gesichtspunkten auch richtig sein, sind aber unter gesamtwirtschaftlichen und Gesamthaushaltsgesichtspunkten nicht vernünftig.
Aber die Wissenschaftler haben auch nicht über den Haushalt des Landes Baden-Württemberg zu befinden, sondern nur über ihre engen Fachgebiete.
Wenn wir uns den Hintergrund unserer Entscheidung ansehen, so ist es eine Prioritätenentscheidung. Wir haben eine Entscheidung für den Hochschulsektor. Wir haben im gesamten Hochschulbereich Solidarpakte, und dies mit Recht. Wir haben trotz aller Einsparungen – diese summieren sich auf etwa 140 Millionen €, wenn wir die Absenkungen des
Haushalts für 2003 insgesamt betrachten – die Hochschulhaushalte nicht tangiert, um keinen Cent abgesenkt. Wir haben die Solidarpakte gehalten. Das hat für uns Priorität, weil es hier um die Bildungschancen von Hunderttausenden von jungen Menschen geht und weil es um die Forschungsund Entwicklungschancen unserer Wirtschaft geht. Die Einschnitte, auch die strukturellen, müssen dort erfolgen, wo wir glauben, dass sie, wenn auch der Verlust schmerzlich ist, für das Land Baden-Württemberg am ehesten im Gesamtkontext zu tragen sind.
Im Rahmen dieser Entscheidung über Posterioritäten und Prioritäten haben wir die Entscheidung zur Schließung der Akademie für Technikfolgenabschätzung getroffen. Wir müssen zur Haushaltssanierung und zum Ausgleich des Haushalts Strukturentscheidungen fällen. Wir können nicht nach dem Rasenmäherprinzip vorgehen, überall etwas absenken und damit alle Institutionen gefährden, sondern wir müssen sagen, was wir für die Zukunft unabdingbar brauchen und was wir nicht brauchen; denn sonst werden wir die Haushaltssituation nicht in den Griff bekommen. Sie ist nur in den Griff zu bekommen, wenn wir Personalstellen abbauen. Man kann darüber diskutieren, wie man will: Bei der hohen Personalquote im Landeshaushalt werden wir keinen Ausgleich erreichen können, wenn wir nicht Personalstellen abbauen.
Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Sollen wir Professorenstellen streichen, sollen wir an anderer Stelle vielleicht Lehrerstellen streichen –
dort liegt die Zukunft für die junge Generation –, oder sollen wir eine Institution einsparen, die nicht unabdingbar notwendig ist? Deshalb haben wir uns für die Schließung der Akademie für Technikfolgenabschätzung entschlossen. Sie sehen, wie wichtig wir die Zukunft des Landes hinsichtlich Forschung und Technologie nehmen; denn wir haben im Haushalt unseres Landes trotz der jetzigen Sparbeschlüsse weiterhin an den Erhöhungsraten des Haushalts der Deutschen Forschungsgemeinschaft um 3,5 % und der Max-Planck-Gesellschaft um 3 % festgehalten.
Der Bund hat entgegen der im Juni getroffenen Vereinbarungen – im Juni war Finanzminister Eichel offenbar noch der Meinung, der Haushalt stünde blendend da –
Dies bedeutet angesichts der Tarifsteigerung, dass Tausende von Arbeitsplätzen junger Wissenschaftler in Drittmittelprojekten bei der Max-Planck-Gesellschaft gefährdet sind. Das ist ein wirklicher Schlag gegen die Zukunft der Bundesrepublik als Forschungsstandort.
(Beifall bei der CDU – Abg. Pfisterer CDU: Das ist der Hammer! Da kommt keine Reaktion von Rot- Grün! – Zuruf von der SPD: An den Haaren her- beigezogen!)
Bei der Akademie für Technikfolgenabschätzung geht es um etwa 70 Stellen. Auch das ist bitter. Wir werden sie sozialverträglich abbauen. Das ist aber keine Relation zu Tausenden von Mitarbeiterstellen im wissenschaftlichen Bereich, die die Bundesregierung durch ihre Pläne gefährdet. Deswegen halten wir an den Erhöhungsbeschlüssen genauso wie alle anderen B-Länder fest.
Sie sehen: Hier geht es nicht um eine Prioritätensetzung gegen Wissenschaft und Forschung, sondern es geht um eine Prioritätensetzung im Bereich von Wissenschaft und Forschung, nämlich dahin, durch Primärmittel Forschung und Wissenschaft zu garantieren. Die Schließung der Akademie für Technikfolgenabschätzung bedeutet nicht, dass wir im Land auf Technikfolgenabschätzung verzichten. In BadenWürttemberg gibt es eine so reiche Forschungslandschaft hinsichtlich der Technikfolgenabschätzung wie in kaum einem anderen Bundesland. Wir haben das größte Technikfolgeneinrichtungs- und -abschätzungsinstitut, das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse ITAS des Forschungszentrums Karlsruhe.
Dieses kooperiert mit dem Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung und ist Träger des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags.
Dieses hat seinen Sitz in Baden-Württemberg. Das heißt, wir haben in diesem Land die größte Einrichtung für Technikfolgenabschätzung, und zwar unabhängig von der Akademie für Technikfolgenabschätzung des Landes BadenWürttemberg.
Ich habe Sie doch nicht beschimpft; ich habe nur ganz nüchtern erwähnt, dass die Bundesregierung, der Sie offenbar nahe stehen, jegliche Steigerungsrate der Forschungsmittel, die schon angesichts der Tarifsteigerungen notwendig gewesen wäre, in diesem Land auf null gesetzt hat.