Protocol of the Session on January 23, 2003

(Abg. Alfred Haas CDU: „Kein Beifall“ steht im Protokoll!)

Ich finde jenseits von dem, was wir der Akademie antun: Ein solches Umgehen mit dem Wissenschaftsrat birgt auch die weitere Gefahr: Wenn man ein Ergebnis einer Evaluation so benutzt und instrumentalisiert, bringt man sämtliche Qualitätssicherungsmaßnahmen, die durch Evaluation vorangebracht werden sollen, in Misskredit und stellt sie unter Verdacht. Das ist ein hoher Preis, den wir da zahlen.

(Abg. Pfisterer CDU: Das muss man einzeln be- trachten!)

Allein schon mit der Ankündigung, die Akademie für Technikfolgenabschätzung aufzulösen, haben Sie einen massiven Imageschaden für den Wissenschafts- und Technologiestandort Baden-Württemberg angerichtet. Ich empfehle Ihnen: Schauen Sie auf die Homepage der Akademie. Inzwischen sind über 300 Protestschreiben aus aller Welt eingegangen.

(Abg. Zimmermann CDU: Aus aller Welt!)

Aus aller Welt, genau. Falls Sie es mir nicht glauben oder sich nicht die Zeit nehmen, auf eine Homepage zu gucken, dann gucken Sie heute wenigstens in die „Zeit“. Auf Seite 24 ist eine große Erklärung zur Schließung der Akademie abgedruckt, unterzeichnet von Wissenschaftlern aus aller Welt, aus der Schweiz, aus Italien, aus Großbritannien, den USA, aus Australien, Schweden, Dänemark, Frankreich. Das ist ein Imageschaden, den Sie mit der Schließung anrichten.

(Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPD)

Den können Sie durch keine noch so teure Werbung wieder hereinholen.

Deshalb fordere ich Sie und den Landtag auf, den Beschluss der Landesregierung zu korrigieren. Die Akademie hat eine Chance verdient. Technikfolgenabschätzung muss eine hochrangige Aufgabe dieses Landes bleiben, und die angesammelten und gewachsenen Kompetenzen dieser Akademie müssen wir im Land halten. Wir dürfen sie nicht in alle Winde zerstreuen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Pfisterer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ja gehört: Der Antrag der Grünen zum Thema „Zukunft der Akademie für Technikfolgenabschätzung“ wird heute diskutiert. Es hat mich sehr gefreut, wie die Grünen auf unser Projekt eingestiegen sind und sich auch dafür eingesetzt haben. Ich habe mich deshalb sehr intensiv mit Ihrem Antrag, aber auch mit entsprechenden Stellungnahmen beschäftigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meines Erachtens hat das Ministerium den Antrag ausführlich, sehr sachlich und vor allem richtig beantwortet, sodass im Prinzip den aufgeworfenen Fragen so gut wie keine Antworten hinzuzufügen sind. Deshalb möchte ich mich mit dem Thema anders beschäftigen, und zwar mit einer Pressemitteilung, die die Bundestagsfraktion der Grünen vor kurzem herausgegeben hat; das war die bildungspolitische Sprecherin der CDU

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Der CDU?)

Entschuldigung –, der Grünen aus Baden-Württemberg. Darin heißt es:

Die Schließung der Akademie für Technikfolgenabschätzung ist ein fataler Fehler. Minister Frankenberg nutzt jede Chance, unter dem Vorwand knapper Kassen sich einer renommierten, aber unbequemen Akademie zu entledigen.

Weiter steht da:

Die rot-grüne Regierung steht für eine Forschungspolitik, die Chancen neuer Technologien nutzt, aber auch ihre Risiken thematisiert. Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben gemacht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren der Landtagsfraktion der Grünen, Sie tun so, als ob das Land Baden-Württemberg mit der Auflösung der Akademie für Technikfolgenabschätzung, die wir im Rahmen eines Nachtragshaushalts beschließen werden, grundsätzlich aus der Technikfolgenabschätzung aussteige. Dies ist blanker Unsinn. Wenn Sie einmal die Zahlen anschauen, stellen Sie fest: Es gibt kaum ein Bundesland, das sich so stark mit der Technikfolgenabschätzung beschäftigt wie Baden-Württemberg. Sie kennen die Zahlen genauso gut wie ich: 430 Institute und Einrichtungen sind auf diesem Gebiet aktiv. Es gibt mehr als 1 400 Forschungsprojekte mit 13 Themenfeldern. Sie können dies sehr gut in der Dokumentation „Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg“ nachlesen, in der alles dargelegt ist.

Angesichts dieser Tatsache ist es ein dreistes Stück, zu behaupten, dass der baden-württembergische Wissenschaftsminister den Vorwand knapper Kassen benutze, um die Akademie zu schließen. Wir betreiben hier in BadenWürttemberg weiterhin Technikfolgenabschätzung, aber es dürfte Ihnen wohl kaum entgangen sein, dass sich BadenWürttemberg in einer dramatischen Haushaltslage befindet. Wem haben wir dies zu verdanken? Wohl kaum den fleißigen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes und wohl kaum den Mittelständlern, die versuchen, die Arbeitsplätze hier in Baden-Württemberg zu halten.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Rot-Grün, Herr Kolle- ge!)

Logischerweise werde ich Rot-Grün ansprechen müssen, denn Sie müssen bedenken, dass Ihre Regierung in Berlin eben nicht gelernt hat, richtig zu regieren und hauszuhalten. Unter Ihrer Politik haben wir darunter zu leiden, dass in Baden-Württemberg die Haushaltsmittel ganz klar zurückgehen und wir Sparmaßnahmen fahren müssen.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: 20 Millionen für die Formel 1, sage ich nur!)

Spielen Sie sich hier nicht als Retter auf. Sie wissen ganz genau, dass wir es auch bedauern, die Akademie schließen zu müssen. Ich möchte hier ganz deutlich ein Dankeschön an all die Beschäftigten der Akademie sagen, die in den letzten zehn Jahren eine wertvolle Arbeit geleistet haben.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das ist eine Danksa- gung! – Abg. Kaufmann SPD: Beerdigung!)

Es ist auch ganz klar, dass wir hier in Baden-Württemberg mit der Schließung keine einfache Entscheidung treffen. Aber ich sage Ihnen auch schon voraus, dass wir vielleicht noch weit bitterere Entscheidungen treffen müssen, um unseren Haushalt zu sanieren. Auch Sie reden ja davon, dass wir die Schulden verringern müssen. Zu sagen, dass wir die Schulden verringern müssen, ist einfach, aber das Treffen von konkreten Entscheidungen fällt Ihnen logischerweise sehr schwer. Ich rufe Sie daher auf: Helfen Sie bei der Haushaltssanierung mit!

Wir treffen hier in keinster Weise eine Entscheidung gegen die Technikfolgenabschätzung. Wir treffen eine Einzelentscheidung von vielen Maßnahmen, die hier noch anstehen werden. Wir halten die Schließung vor dem Hintergrund der gesamten Aktivitäten für vertretbar. Wir werden dafür Sorge tragen – das ist wichtig –, dass die Schließung sozial verträglich gestaltet wird. Dazu finden ja auch entsprechende Gespräche statt.

Ich möchte noch einmal auf Ihre Aussagen in der Pressemitteilung zurückkommen. Wenn man sieht, wie der Bund immer mehr von seiner Forschungspolitik abrücken will, auch Nullrunden einführt, kann man wohl schlecht sagen, dass Sie im Bereich der Wissenschaftspolitik Schwerpunkte setzen würden. Ich möchte aber ganz klar sagen, dass hier in Baden-Württemberg eine gute Politik gemacht wird. Denn gerade unser Minister Dr. Frankenberg und sein Ministerium leisten eine hervorragende Arbeit und setzen gute Schwerpunkte.

Sie streben in Ihrer Koalitionsvereinbarung an – das muss man sich einmal überlegen –, im Bund einen Investitionsanteil von 3 % zu erreichen. Wenn ich das, was Sie anstreben, mit dem vergleiche, was wir in Baden-Württemberg haben, stelle ich fest, dass dazwischen Welten liegen. Wir haben in Baden-Württemberg einen Investitionsanteil von 3,9 %, und Sie streben im Bund gerade mal einen Anteil von 3 % an.

Wir können daher ganz klar und deutlich sagen, dass wir hier in Baden-Württemberg bei der Technikfolgenabschätzung gut aufgestellt sind. Wir müssen allerdings die vielen Einrichtungen noch besser vernetzen, um deren Arbeit optimal zu gestalten.

Ich fordere Sie noch einmal konkret auf: Helfen Sie mit, aus der schwierigen Haushaltslage herauszukommen!

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Formel 1, sage ich doch!)

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Formel 1, sage ich doch!)

Wir kommen noch einmal im Einzelnen darauf zurück.

Ich darf zusammenfassend sagen: Sie dürfen sicher sein, dass wir die Tradition, eine gute Technikfolgenabschätzung zu betreiben, weiterhin aufrechterhalten und diese Institutionen auch entsprechend fördern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Kaufmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe heute eine Broschüre mitgebracht, um sie Ihnen in dieser Debatte zu zeigen. Die Broschüre ist noch kein halbes Jahr alt. Man könnte fast sagen, sie ist noch druckfrisch. Sie wurde anlässlich des Zehn-Jahr-Jubiläums der Akademie für Technikfolgenabschätzung herausgegeben. Hieraus darf ich den Minister zitieren:

Die von mir veranlasste Evaluation durch den Wissenschaftsrat bestätigt nicht nur das Erreichte, sondern eröffnet neue Perspektiven für die Zukunft. Die Empfehlungen werden entscheidende Hilfestellungen bei der Weiterentwicklung der Akademie in den kommenden zehn Jahren sein.

„Hört, hört!“ kann ich da nur sagen. Denn Sie wissen, dass die Regierung die Schließung der Akademie und die Beendigung ihrer Arbeit in den kommenden zehn Monaten vorbereitet.

(Abg. Alfred Haas CDU: Schon mal was von Steuerausfällen gehört?)

Es ist schwer zu vermitteln, dass das, was in zehn Jahren gewachsen ist und als gelungenes Experiment bezeichnet wurde, kurzfristigen haushaltspolitischen Überlegungen zum Opfer fallen soll. Wir werden dies nicht akzeptieren

und bei den Beratungen über den Nachtragshaushalt eine Rücknahme dieser Einsparmaßnahme beantragen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Der Sachverstand der Akademie wurde nicht nur durch den Wissenschaftsrat bestätigt, sondern er kommt auch in vielen Stellungnahmen internationaler Wissenschaftler zum Ausdruck. Wenn wir schon sparen müssen, meine Damen und Herren, dann sollten wir nicht gerade beim Verstand anfangen

(Heiterkeit – Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜ- NE – Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

und auf qualifizierte Politikberatung und Technikforschung verzichten.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Scheuer- mann CDU)

Wissen Sie, Herr Scheuermann: Kompetenz nach Haushaltslage zuzulassen, das kann kein vernünftiger Weg sein.