Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Ersten Beratung haben wir über diesen Gesetzentwurf diskutiert. Er wurde auch im Innenausschuss diskutiert. Neue Argumente sind, wie ich denke, nicht dazugekommen. Die Beschlusslage der FDP/ DVP ist klar: Wir wollen eine Absenkung des Quorums für den Bürgerentscheid von 30 % auf 25 %. Wir wollen den Positivkatalog abschaffen, und wir wollen einen Negativkatalog, der so klein wie irgend möglich ist.
Ich bin froh, dass wir von der CDU sowohl im Ausschuss als auch heute wieder, Herr Heinz, positive Töne gehört ha
ben, dass wir uns nächstens – und zwar wirklich zeitnah – über den letzten strittigen Punkt, dem Sie aber auch offen gegenüberstehen, nämlich über die Absenkung dieses Quorums, unterhalten werden.
Das steht im Übrigen auch im Koalitionsvertrag drin. Darin sprechen wir von einer Stärkung der unmittelbaren Bürgerbeteiligung. Das wäre der ganz logische Schritt.
Leider haben wir, Herr Minister, schon im letzten Jahr einen Gesetzentwurf hierzu erwartet. Ich denke, Sie werden nachher ein Wort dazu sagen, warum sich das noch ein bisschen verzögert hat.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Fischer SPD: Seit wann ist der Gesetzentwurf der Regierung „un- ser Gesetzentwurf“?)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe die Koalitionsvereinbarung vor mir liegen. Darin heißt es auf Seite 25 im ersten Absatz über die Regierungskoalition von CDU und FDP/DVP:
Die Regierungskoalition will die Möglichkeiten der unmittelbaren Bürgerbeteiligung in unseren Städten und Gemeinden deutlich verstärken. Wir werden deshalb in der Gemeindeordnung den so genannten Positivkatalog für die Zulassung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid... aufheben. Bis auf den so genannten Negativkatalog wird es künftig also keine thematischen Einschränkungen für Bürgerentscheide geben.
Jetzt muss man natürlich wissen, Kollege Stickelberger: Es gibt parlamentarische Gepflogenheiten. In unserer parlamentarischen, von Parteien bestimmten und durch Koalitionsvereinbarungen festgelegten Demokratie ist es so, dass selbst dann, wenn ein Gesetzentwurf einem Parlament vorliegt –
wie hier zum Beispiel zu dem Thema „direkte Bürgerbeteiligung, Absenkung von Quoren, Wegfall des Positivkatalogs und Beschränkung der Sperrwirkung“ – – Wir sind uns ja inhaltlich weitgehend einig.
Wir haben eine Ausschussberatung hinter uns gebracht. In der Ausschussberatung hätte es genügend Möglichkeiten und Gelegenheiten gegeben, zum Beispiel über den Negativkatalog zu diskutieren. Wir als grüne Fraktion sind zum Beispiel der Auffassung, dass wir – wie in Bayern – auch Bebauungspläne bürgerentscheidsfähig machen sollten, Kollege Stickelberger, weil die Möglichkeiten, nach denen Bürgerinnen und Bürger da mit ihren Meinungen durchgreifen können, im Baugesetzbuch nicht so stark sind, wie Sie das darstellen.
All das sind Themen, die nach den parlamentarischen Gepflogenheiten eigentlich hätten im Ausschuss diskutiert und entschieden werden können. Dann hätten wir den Gesetzentwurf, den die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses vorgelegt hat, entsprechend abgeändert. Man hätte von mir aus auch noch die kommunalen Landesverbände hören können. Man hätte auch dem Innenminister ausreichend Gelegenheit gegeben, darüber zu diskutieren. Dann hätten wir heute die Verabschiedung eines Gesetzes, das wahrscheinlich von allen Fraktionen dieses Hauses getragen worden wäre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist traurig für jemanden wie mich, der in seiner täglichen Arbeit, ob als Anwalt oder auch als Familienvater, etwas anderes gewohnt ist, solche ineffizienten Veranstaltungen miterleben zu müssen, bei denen Koalitionsvereinbarungen sozusagen das Diktat für das Parlament für eine gesamte Wahlperiode bedeuten.
Das ist in Berlin nicht anders. Der Zuruf „Berlin“ ist zu Recht gemacht worden. Ich glaube, auch dort gibt es Gesetzesvorhaben, die wahrscheinlich alle dort vertretenen Fraktionen gemeinsam verabschieden könnten. Deswegen der Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion, der auch das Thema Bürgerbeteiligung umfasst. Was sollen die Menschen draußen denken, wenn wir hier gemeinsame Ideen vortragen, eine Fraktion die Idee dann in einen Gesetzentwurf gießt und dieser Gesetzentwurf trotzdem abgelehnt wird, und zwar nur deswegen, weil es da eine Koalition gibt, die vielleicht ein halbes Jahr später – hoffentlich schon ein halbes Jahr später – mehr oder weniger den gleichen Gesetzentwurf einbringt? Ich glaube, das ist nicht zuträglich im Sinne von Bürgerbeteiligung und von Bürgerpartizipation, sondern das ist eher ein abschreckendes Beispiel dafür, dass wir uns als Parlament hier nicht mehr in der Eigensubstanz verkörpern und keine Beschlüsse fassen, obwohl wir die gemeinsam fassen wollen. Insofern will ich zu dem Themenbereich eigentlich in den Details gar nicht mehr sagen.
Dass wir das Quorum absenken müssen, ist schon deswegen klar, weil sonst die Bürgerentscheide an den Quoren scheitern. Keine Bürgermeisterwahl, um darauf zurückzukommen, ist bisher an ein Quorum geknüpft. Sonst hätten wir in manchen Gemeinden schon keine Bürgermeister mehr. Deswegen wollen wir die Absenkung des Quorums.
Das Begehren, den Positivkatalog zu streichen, ist auch logisch, weil wir die Möglichkeit und die Kompetenz, Bürgerentscheide zu treffen und die Bürgerinnen und Bürger in unseren Gemeinden entscheiden zu lassen, den Bürgerinnen
und Bürgern zurückgeben sollten, die diese Kompetenz nur auf Zeit an ihre Repräsentanten verleihen. Das ist doch ein hohes Gut, das wir hier im Haus auch einstimmig verabschieden können.
Insofern ist es heute für mich kein Glückstag in diesem Parlament, sondern eher ein Beispiel dafür, wie wir es eigentlich nicht machen sollten. Wir sollten uns vielleicht darauf besinnen, dass wir auch in unserer Selbstständigkeit als Landtag von Baden-Württemberg manchmal über dieses oder jenes Diktat in dieser oder jener Koalitionsvereinbarung hinwegspringen sollten. Ich glaube, dies wäre für die politische Kultur im Parlament und in unserem Land Baden-Württemberg ein Zeichen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Oelmayer, ich glaube, Sie verkennen den Sinn und die Bedeutung von Koalitionsvereinbarungen. Diese sind einfach notwendig, um sich nicht nur ein Programm zu erarbeiten, sondern auch um die Mehrheit im Parlament, die wiederum Voraussetzung dafür ist, dass eine Regierung arbeiten kann, sicherzustellen.
Deshalb: Überall, wo es Koalitionen gibt, gibt es entsprechende Vereinbarungen. Und überall ist es immer wieder eine permanente Herausforderung auch im Alltag. Sie haben vorhin mit Recht auf das Beispiel Berlin reagiert. Dort ist es ja auch so. Es ist also eine Herausforderung im Alltag, diese Mehrheiten immer wieder zu sichern. Dass hier eine Koalitionsvereinbarung die Richtschnur ist, ist auch ganz klar.
Im Übrigen bitte ich auch zu berücksichtigen, dass auch Sie dort prüfen, wo Sie es für notwendig halten. Zum Beispiel haben Sie bei der Verwaltungsreform heute Morgen darauf hingewiesen und wollen immer noch länger und weiter prüfen. Hier waren eben einige Gespräche zwischen den Fraktionen, die die Koalition bilden, notwendig. Die sind noch nicht ganz abgeschlossen. Herr Kollege Stickelberger, nachdem Sie auch das zeitliche Moment angesprochen haben, will ich sagen: Ich habe jetzt eigentlich den Eindruck, dass man so langsam in die Zielgerade einbiegt und dann auch die Koalitionsgespräche abgeschlossen hat. Deshalb kann ich Sie beide, Herr Kollege Stickelberger und Herr Kollege Oelmayer – jetzt versuche ich es auf Schwäbisch –, mit dem trösten, was der Schwabe sagt: Auf was Gwieß ist gut warte. So heißt es, glaube ich.
Die Sache steht wohl bald vor dem Abschluss. Das Ministerium ist jedenfalls mit seinen Vorarbeiten fertig. Wir warten auf das Signal. Unser Entwurf ist schubladenreif, sodass aus unserer Sicht durch uns keine weiteren Verzögerungen mehr erfolgen.
Dass wir uns, Herr Kollege Oelmayer, heute und auch schon bei der Ersten Beratung und im Innenausschuss mit diesem Thema befassen mussten, ist im Grunde genommen nur darauf zurückzuführen, dass Sie nicht widerstehen konnten, einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen, obwohl Sie wussten, dass dies bei uns schon auf der Agenda steht.
(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE – Abg. Junginger SPD: Wie lange sollen wir noch warten? Bis 2006?)