Protocol of the Session on December 12, 2002

(Abg. Bebber SPD: Dann braucht sie auch keine Ausnahmegenehmigung!)

Warum beantragen wir bei diesem Sachverhalt eine Ausnahmegenehmigung? Die vorgesehene Konstellation, dass Frau Werwigk-Hertneck neben dem Ministeramt Inhaberin einer Rechtsanwaltskanzlei und ab 2003 Gesellschafterin der diese Rechtsanwaltskanzlei führenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts sein wird, erfordert eine Genehmigung des

(Minister Dr. Christoph Palmer)

Landtags, weil eine Rechtsanwaltskanzlei als wirtschaftliches Unternehmen bewertet werden muss und auch die bloße Gesellschafterstellung in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewisse Kompetenzen mit sich bringt.

Jetzt komme ich zur politischen Bewertung. Um auf Nummer sicher zu gehen und Ihnen keine Handhabe zu geben, im Nachhinein zu sagen, Sie wären über den Sachverhalt nicht informiert worden, haben wir vorsorglich und rechtzeitig diese Ausnahmegenehmigung beantragt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sauberer als mit diesem Antrag kann man es ja wohl nicht machen.

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD – Abg. Drex- ler SPD: Rechtzeitig! – Abg. Schmid SPD: Einen Tag davor! – Weitere Zurufe)

Ja, rechtzeitig. Ich kann es Ihnen gerne sagen: Der Antrag der Landesregierung ist am vergangenen Montag dem hohen Hause überstellt worden.

(Abg. Fischer SPD: Wir haben das gestern bekom- men!)

Das ist doch wohl eine rechtzeitige Beantragung der Ausnahmegenehmigung. Herr Oettinger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Ständige Ausschuss noch nie so zeitnah mit einer Ausnahmegenehmigung befasst wurde wie in diesem Fall.

(Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Unruhe bei der SPD – Zuruf des Abg. Schmid SPD)

Das muss man einmal festhalten.

Die zweite politische Erwägung:

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es gibt eine ständige Kommentierung – Sie brauchen sie nur bei Dürig nachzulesen –, wonach die Bestimmungen des Grundgesetzes und der Landesverfassung nicht Eigentumslosigkeit oder Vermögenslosigkeit von Regierungsmitgliedern fordern. Die Konstruktion, die Frau WerwigkHertneck gewählt hat, sichert ihre Eigentumsrechte. Ansonsten wären wir überhaupt nicht mehr in der Lage, jemanden dauerhaft für eine politische Funktion in einer Regierung zu gewinnen, wenn wir die Sicherung der Eigentumsrechte nicht ermöglichen würden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Lebhafte Zurufe von der SPD)

Es gibt die begründete Rechtsauffassung – auch die gutachterliche Rechtsauffassung –, dass die Verweigerung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung ein erheblicher Eingriff in die durch Artikel 12 des Grundgesetzes geschützte Berufsfreiheit wäre, der wohl kaum überwiegende Gründe des Gemeinwohls entgegenstehen dürften. Deshalb kann ich nur sagen: Wir sollten der Kollegin WerwigkHertneck die Ausübung ihrer Ministertätigkeit ermöglichen, aber ihre Vermögensinteressen dadurch nicht tangieren.

Der Weg, der gefunden worden ist, ist ein gangbarer Weg. Ich bitte Sie um Zustimmung zum Antrag der Landesregierung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, der jetzt von den Mehrheitsfraktionen dieses Hauses gewählte Start der Justizministerin ist denkbar schlecht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der SPD: Ja! – Abg. Reichardt CDU: Ihr macht den Start schlecht! – Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/ DVP)

Ich will Ihnen begründen, warum. Es lag nicht in unserer Absicht, meine Damen und Herren, diese Geschäftsordnungsdebatte zu führen. Ich als stellvertretendes Mitglied des Ständigen Ausschusses, unsere Fraktion und unser Mitglied im Ständigen Ausschuss haben heute Morgen den Antrag auf Ausnahmegenehmigung seitens der Landesregierung erhalten.

(Abg. Drexler SPD: Und wir gestern!)

Ich sage hier für unsere Fraktion, dass dies kein Geschäftsgebaren, kein Handling sein kann, mit dem man Ausnahmegenehmigungen beantragt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Ursu- la Haußmann SPD: So ist es!)

Das Verfahren, das Sie hier gewählt haben, müsste formal eigentlich so ablaufen, dass wir zunächst einmal im Ständigen Ausschuss über die Ausnahmegenehmigung beraten, dann überlegen und abwägen, danach entscheiden und dann über die Frage der Vereidigung dieser Ministerin in diesem Haus eine geordnete Debatte im Plenum hinbekommen. Diesen Weg haben Sie, warum auch immer, nicht gewählt.

Ein zweiter Punkt. Sowohl in der Verfassung als auch im Ministergesetz gibt es eine Inkompatibilitätsregelung. Sowohl der Verfassungsgeber als auch der Gesetzgeber haben versucht, Interessenkonflikte, die sich bei Anwälten – ein solcher bin ich selber – durch die Ausübung von Ministerämtern ergeben, zu vermeiden. Deswegen sollten solche Konflikte von vornherein durch unsere Verfassung ausgeschlossen werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wenn Sie hiervon mit dem jetzt eingeschlagenen Verfahrensweg, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Ausnahme machen, dann schaffen Sie einen Präzedenzfall. Deswegen brauchen Sie eine geordnete Beratung im Ständigen Ausschuss, und dann entscheiden wir darüber, ob wir die Ministerin vereidigen können.

Ich bitte Sie, diesen Weg, den auch die Verfassung vorzeichnet, einzuhalten und dem Geschäftsordnungsantrag auf Vertagung der Vereidigung bis nach der Beratung im Ständigen Ausschuss zuzustimmen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

Ich möchte diese Debatte nicht verlängern, aber eines will ich schon noch sagen, Herr Palmer.

(Zuruf von der FDP/DVP: Also immer noch „Herr Präsident, meine Damen und Herren!“ und dann „Herr Palmer“! – Oh-Rufe von der SPD)

Herr Minister Palmer, wir haben gestern den Antrag auf den Tisch bekommen. Dann habe ich zuerst mit dem Herrn Präsidenten gesprochen und ihn gefragt, ob man den Punkt nicht vertagen kann. Dann habe ich mit dem Kollegen Oettinger und dem Kollegen Pfister darüber gesprochen, und wir haben gesagt: Wir wollen das nicht in der Öffentlichkeit austragen, macht das bitte nach den Beratungen im Ständigen Ausschuss.

Herr Minister Palmer, das ist ein völlig anderer Sachverhalt. Wir bestreiten überhaupt nicht, dass es rechtlich möglicherweise so sein kann, wie Sie sagen. Das ist nicht unser Ansatz. Aber wenn wir das erste Mal in diesem Land Baden-Württemberg einer Ministerin – und gar der Justizministerin – das gestatten wollen, dann ist das eine politische Frage. Denn bisher gab es offensichtlich eine Übereinstimmung in diesem Land, und zwar zwischen CDU, FDP/DVP, Grünen und SPD, was auf diesem Gebiet rechtlich möglich ist, politisch nicht zu machen. Diese Übereinkunft wird nun verlassen, und zwar in einer Kurzfristigkeit sondergleichen. Wie gesagt, wir haben es erst gestern erfahren, und die Grünen als Oppositionspartei heute. Nun kann man sagen, dahinter steckt System. Das will ich nicht einmal behaupten. Die Frist seit dem Brief des Ministerpräsidenten vom 5. Dezember ist ja im Grunde genommen auch knapp, denn es geht um eine neue Situation.

Ich sage noch einmal: Wir haben den Ministern bisher immer die Ausnahmegenehmigung erteilt, wenn sie in landeseigenen oder in beteiligten Firmen im Aufsichtsrat für das Land tätig sein sollten. Es ist das erste Mal, dass wir so etwas für einen Minister in dieser Art machen sollen, und gar für die dritte Gewalt, für eine Justizministerin im eigenen Bereich mit einer Rechtsanwaltskanzlei, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir sollten alles vermeiden, dass ein „Gschmäckle“ entsteht. Das entsteht schon jetzt, weil Sie nicht bereit waren, der Bitte der SPD und der Grünen nachzukommen – es hätte niemand etwas erfahren –, dies anders zu machen. Jetzt müssen wir halt darüber abstimmen. Wir sanktionieren aber etwas, was ich für das Parlament als unwürdig empfinde.

Es ist das erste Mal, dass wir eine solche Genehmigung erteilen sollen. Es wäre sinnvoll gewesen, wir hätten uns auseinander gesetzt, ob wir das politisch wollen. Ich sage: Die SPD-Fraktion will das politisch nicht. Aber darüber wollten wir diskutieren. Vielleicht gibt es sogar noch Argumente im Ausschuss, dass man sagt, man kann es so machen. Aber wenn Sie sich nicht politisch auseinander setzen wollen, sondern dies sanktionieren wollen, wenn Sie eine Justizministerin, die ein eigenes Rechtsanwaltsbüro hat, in dem sie ohne Stimmrecht sitzt, haben wollen – das halten wir für falsch –, dann müssen Sie jetzt unseren Geschäftsordnungsantrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Justizminister Dr. Goll.

(Unruhe – Zurufe von der SPD)

Natürlich, meine Damen und Herren, habe ich heute nicht mehr vorgehabt, hier zu reden.

(Zuruf von der SPD: Unverhofft kommt oft!)

Aber so ganz hält es einen bei dieser scheinheiligen Veranstaltung nicht da oben auf der Regierungsbank.

(Zuruf von der FDP/DVP: „Scheinheilig“ ist gut! – Zuruf von der SPD: Für einen Justizminister ist das eine Unverschämtheit!)

Ich beschränke mich auf vier Punkte. Der erste ist folgender: Ich nehme an, Ihnen ist bekannt, dass der Name der ehemaligen Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin jahrelang auf dem Briefkopf einer Berliner Kanzlei stand. Oder wussten Sie das nicht?

(Unruhe – Zurufe von der SPD)

Das Zweite ist eine Frage. Mir fällt auf, dass der von mir durchaus geschätzte ehemalige Kollege Birzele sich in dieser Diskussion sehr zurückhält.

(Lebhafte Unruhe – Abg. Drexler SPD: Weil er früher Minister war! – Abg. Fischer SPD: Jetzt wird es noch schlimmer!)

Wurde denn in Ihrem Fall, Herr Birzele, ein Antrag auf Ausnahmegenehmigung gestellt, und wurde es so abgewickelt? Das wäre vielleicht von Ihrer Seite zu klären.

(Lebhafte Unruhe – Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Drexler: Das ist eine Ungeheuerlichkeit! Nur so weiter!)